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MELDUNG/1649: Letzte Ausfahrt Antalya - Kubanische Boxkunst verschleudert (SB)



Tony Thompson gewinnt auch die Revanche - Odlanier Solis am Ende

Im türkischen Antalya hat Tony Thompson auch die Revanche gegen Odlanier Solis gewonnen und damit der traurigen Profilaufbahn des ehemaligen Weltklasseboxers den Todesstoß versetzt. Verloren hatte der Kubaner jedoch schon viel früher, da er gut 123 kg auf die Waage brachte und damit sein optimales Kampfgewicht von etwa 100 kg weit übertraf. Er machte den Eindruck, als habe er gar nicht erst ernsthaft trainiert und sei dazu auch nicht mehr bereit oder in der Lage.

Wenngleich der bereits 43jährige Thompson keineswegs sonderlich behende zu Werke ging, reichte seine Routine vollkommen aus, den neun Jahre jüngeren Solis Runde für Runde zu dominieren. Der US-Amerikaner arbeitete fleißig mit dem Jab und traf den Gegner mit beiden Händen, der ausgesprochen passiv wirkte und sich nur sporadisch zu einem Schlag durchrang. Obgleich der Kubaner im achten Durchgang keine schweren Treffer eingesteckt hatte, trat er nicht mehr zur neunten Runde an, da er offenbar konditionell am Ende war. So verbesserte Thompson seine Bilanz auf 40 Siege und fünf Niederlagen, während Solis 20 Auftritte gewonnen und drei verloren hat. [1]

Odlanier Solis galt zeitweise als einer der wenigen Anwärter, denen man zutraute, die Regentschaft der Klitschkos zu beenden. Als es jedoch am 19. März 2011 in Köln zum Titelkampf gegen Vitali Klitschko kam, zog sich der Kubaner bei einem Niederschlag in der ersten Runde eine schwere Knieverletzung zu, die drei Operationen erforderlich machte. Als Solis nach vierzehn Monaten im Mai 2012 zu einem Kampf gegen Konstantin Airich in den Ring zurückkehrte, wog er in etwa so viel, wie nun bei seiner mutmaßlichen Abschiedsvorstellung in Antalya. Er setzte sich zwar gegen Airich und in der Folge auch Leif Larsen und Yakup Saglam durch, wirkte dabei jedoch unmotiviert und machte nicht mehr als unbedingt nötig, um diese technisch limitierten Gegner zu besiegen.

Am 22. März 2014 kam es im türkischen Tekirdag zum ersten Kampf gegen Tony Thompson, der ein Jahr zuvor mit zwei Siegen in Folge gegen den britischen Hoffnungsträger David Price Furore gemacht, dann aber einen Ausscheidungskampf der IBF gegen den Bulgaren Kubrat Pulew recht deutlich nach Punkten verloren hatte. In der Computerrangliste wurde Thompson auf dem zehnten Platz geführt, gefolgt von Solis, dessen Promoter Ahmet Öner gebetsmühlenartig wiederholte, der Kubaner habe nach wie vor das Zeug zum Weltmeister.

Solis boxte in diesem Kampf, der als ein Kreuzweg seiner Profilaufbahn angekündigt war, kaum weniger träge als bei den vorangegangenen Auftritten. Über 20 Kilo schwerer als auf dem Höhepunkt seiner Amateurlaufbahn, schien er körperlich nicht in der Lage zu sein, einen temporeichen Kampf durchzustehen und beständig Druck zu machen. Auch ließen seine Treffer durchschlagende Wirkung bei Thompson vermissen, der dank seiner enormen Erfahrung im Umgang mit den gefährlichsten Gegnern nicht ins offene Messer lief. Nach zwölf Runden mußte sich der Olympiasieger von 2004 knapp mit 2:1 Wertungen geschlagen geben und trug damit die letzten Hoffnungen zu Grabe, die man 2007 mit seinem Wechsel ins Profilager verbunden hatte.

Wie Tony Thompson mit seinen beiden Siegen über Solis einmal mehr demonstriert hat, macht er aus seinen altersbedingt nachlassenden körperlichen Voraussetzungen das Beste und bleibt weiter im Rennen für den einen oder andern attraktiven Auftritt. Hingegen erweckt der Kubaner, der angesichts seiner glänzenden Amateurlaufbahn und eines enormen technischen Potentials einst zu den besten Schwergewichtlern der Welt gezählt wurde, durchweg den Eindruck, auf Trainingsfleiß und Entschlossenheit im Ring verzichten zu können, als sei das ein bloßer Notbehelf untalentierter Konkurrenten.

Sein an einen Menschenhandel erinnernder Übertritt in die angeblich freie Welt der Märkte und Profite zeitigte katastrophale Folgen. Solis prunkte und protzte mit Goldaccessoires und überdimensionierten Autos, als sei der Konsumrausch sein allerhöchstes Glück. Er ging im Profilager nie dauerhaft die Verbindung mit einem erfahrenen Trainer ein, der in der Lage gewesen wäre, die Vorbereitung auf den Kampf, die Auftritte im Ring und insbesondere die Lebensführung des Kubaners soweit unter Kontrolle zu bringen, daß dieser seine fundierte sportliche Ausbildung in eine erfolgreiche Profilaufbahn umsetzen konnte. So wurde aus dem heißbegehrten Olympiasieger, nach dem sich diverse Promoter in Europa und den USA die Finger leckten, nicht ein legendärer und hochdotierter Schwergewichtsweltmeister, sondern am Ende eine Randnotiz gescheiterter Ambitionen und durchkreuzter Verwertungsstrategien.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/tony-thompson-stops-odlanier-solis-in-9th-round/#more-188842

3. März 2015


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