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MELDUNG/1677: Wünsche fragen nicht nach Grenzen (SB)



Weltmeister Andy Lee nur Außenseiter gegen Peter Quillin

Am 11. April verteidigt Andy Lee im Barclays Center in Brooklyn den WBO-Titel im Mittelgewicht gegen seinen Vorgänger Peter Quillin. Der englische Pflichtherausforderer Billy Joe Saunders hat für eine Entschädigung in unbekannter Höhe auf sein Vorrecht verzichtet und tritt gegen den Sieger an. Während für den 30 Jahre alten Champion aus Irland 34 gewonnene und zwei verlorene Auftritte zu Buche stehen, ist sein US-amerikanischer Gegner in 31 Profikämpfen ungeschlagen. Der 31jährige Quillin hatte - offenbar auf Veranlassung seines Beraters Al Haymon - den Titel niedergelegt, da er nicht gegen den damaligen Pflichtherausforderer Matt Korobow antreten wollte. Grund für dieses überraschende Manöver dürfte gewesen sein, daß Korobows Promoter Roc Nation bei der Versteigerung der Austragungsrechte die Oberhand behalten hatte. Der Verzicht auf den Titel war zunächst um so erstaunlicher, als Quillin damit eine lukrative Börse in Höhe von 1,4 Millionen Dollar entging.

Der Verband ordnete daraufhin einen Kampf um den vakanten Titel zwischen Matt Korobow und Andy Lee an, aus dem der irische Außenseiter überraschend als Sieger hervorging. Daß Peter Quillin unmittelbar nach seinem freiwilligen Rücktritt als Champion sofort eine neue Titelchance bekommt, löste harsche Kritik an der Verbandspolitik wie auch dem wachsenden Einfluß Al Haymons aus. Quillin gilt als Favorit im Kampf gegen Lee, der den Verlust seines frischgewonnenen Gürtels wohl nur durch einen Niederschlag abwenden kann. Dieses Kunststück war ihm zuletzt in den Kämpfen gegen John Jackson und Matt Korobow gelungen, da er jeweils nach Punkten deutlich im Rückstand lag, als er mit dem rechten Haken das Blatt zu seinen Gunsten wendete.

Welche Börse der US-Amerikaner für den Kampf gegen Lee erhält, ist nicht bekannt, doch dürfte er für die entgangenen 1,4 Millionen Dollar entschädigt werden. Rechnet man die mutmaßliche Titelverteidigung gegen Billy Joe Saunders dazu, dürfte Peter Quillin in sportlicher wie finanzieller Hinsicht gut damit fahren, den Plänen seines einflußreichen Beraters keine Steine in den Weg zu legen.

Für Andy Lee gehört die Titelverteidigung im New Yorker Barclays Center zu den anspruchsvollsten Aufgaben seiner gesamten Karriere, da Quillin nicht nur sehr schnell ist, sondern auch eine beträchtliche Schlagwirkung aufbieten kann. Der Herausforderer hat daher die Wahl, den Champion entweder auszuboxen oder auf einen vorzeitigen Sieg zu drängen. Da der US-Amerikaner natürlich die gefährlichste Waffe seines Gegners kennt, dürfte er vor dem gefürchteten rechten Haken auf der Hut sein, den Lee sehr schnell und überraschend schlagen kann. Quillin wird sich wahrscheinlich nicht auf allzu viele unübersichtliche Situationen einlassen, in denen der verzweifelte Ire alles auf eine Karte setzt.

Wie der Weltmeister wenige Tage vor dem Kampf erklärte, würde er seinen Titel am liebsten dreimal erfolgreich verteidigen und danach auf dem Höhepunkt seines Könnens die Karriere beenden. Er wünsche sich, daß ihn die Fans als einen der bedeutendsten Champions in guter Erinnerung behielten. Doch selbst wenn er sich gegen Peter Quillin durchsetzen könnte, was sehr unwahrscheinlich ist, wäre er damit noch weit von der erträumten Größe entfernt. Danach käme der englische Pflichtherausforderer Billy Joe Saunders an die Reihe, der zwar auf der Insel wohlbekannt, jedoch in den USA ein mehr oder minder unbeschriebenes Blatt ist.

Um als einer der namhaftesten Mittelgewichtler Geschichte zu schreiben, müßte sich der Ire mit Gennadi Golowkin und Miguel Cotto messen oder gegen Halbmittelgewichtler wie Saul "Canelo" Alvarez, Erislandy Lara und Demetrius Andrade antreten und gewinnen. Da Lee jedoch keinen der genannten Konkurrenten binnen drei Kämpfen vor die Fäuste bekäme, geschweige den besiegen könnte, sollte er die Latte seiner Ziele besser nicht so hoch hängen. [1]

Für den Titelverteidiger wäre es schon ein Achtungserfolg, könnte er Quillin Probleme bereiten und phasenweise einen Kampf auf gleicher Augenhöhe erzwingen. Eine Überraschung mit Ansage dürfte es diesmal kaum geben, zumal Peter Quillin eine Etage höher als John Jackson und wohl auch Matt Korobow einzustufen ist. Gelänge es Lee, nicht vorzeitig auf den Brettern zu landen, sondern bis zum Schlußgong standzuhalten, endete seine kurze Regentschaft als WBO-Weltmeister im Mittelgewicht zumindest mit einem achtbaren Auftritt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/04/andy-lee-i-want-to-be-remembered-as-a-great-champion/#more-190352

9. April 2015


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