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MELDUNG/1717: Dieser Schwergewichtler hat's nicht leicht (SB)



Anthony Joshua auf zweifache Weise überfrachtet

Der britische Schwergewichtler Anthony Joshua hat es nicht leicht. Das liegt zum einen an der wachsenden Muskelmasse, die der 25jährige mit sich herumschleppt. Zum andern mehren sich kritische Stimmen, die seinen Olympiasieg bei den Spielen 2012 London auf ihm gewogene Punktrichter und seine makellose Bilanz von zwölf vorzeitigen Siegen im Profilager auf ausgesucht schwache Gegner zurückführen. Sein Promoter Eddie Hearn präsentiert ihn einerseits als künftigen Weltmeister, sorgt aber andererseits für Kanonenfutter in Gestalt alternder oder bestenfalls zweitklassiger Kontrahenten, um die weiße Weste seines Schützlings fleckenfrei zu halten.

Am 30. Mai steigt Anthony Joshua in der Londoner O2 Arena mit dem 35jährigen Kevin Johnson in den Ring, für den 29 Siege, sechs Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. Spannend wäre dieser Kampf vor sechs Jahren gewesen, als der US-amerikanische Defensivspezialist auf der Höhe seines Könnens dem damaligen WBC-Weltmeister Vitali Klitschko einen Gang über volle zwölf Runden abnötigte, ehe er sich einstimmig nach Punkten geschlagen geben mußte. Heute ist Johnson, der vier seiner letzten fünf Kämpfe verloren hat, nur noch ein Aufbaugegner, der sich stärkeren oder aufstrebenden Kontrahenten verdingt. Er mußte sich Manuel Charr, Christian Hammer, Dereck Chisora und Tor Hamer geschlagen geben, woraus sich ableiten läßt, wie weit der US-Amerikaner inzwischen von der Weltspitze entfernt ist.

Wie Joshua seine bevorstehende Aufgabe umreißt, sei Johnson sehr erfahren und werde versuchen, ihn während des Kampfs mit allerlei Sprüchen aus dem Konzept zu bringen. Da der Amerikaner schwer zu treffen sei, müsse er eben Schritt für Schritt vorgehen und ihn wie einen Baum mit beharrlichen Schlägen schwächen und schließlich fällen. Das hört sich recht einfach an, dürfte aber in der Praxis mit der nicht zu unterschätzenden Gefahr verbunden sein, sich Johnsons gefährlichem linken Haken auszusetzen, zumal der junge Brite vor seinem Gegner stehenzubleiben pflegt.

Joshuas Kämpfe haben bislang stets binnen weniger Runden geendet. Ob er trotz seiner überfrachteten Physis problemlos über eine längere Distanz boxen kann, ohne konditionell einzubrechen, muß sich erst noch erweisen. Sollte es Johnson gelingen, den frühen Ansturm des Briten zu überstehen, könnte es unangenehm für den Lokalmatador werden. [1]

Dessen Landsmann Carl Froch, der ebenfalls bei Matchroom unter Vertrag steht, fechten solche Zweifel bezüglich Joshuas Durchhaltevermögen offenbar nicht an. Er räumt Johnson keine nennenswerte Chance ein, wobei er allerdings nicht ausschließt, daß der Kampf über zwölf Runden gehen könnte. Während Froch deutliche Fortschritte bei dem jungen Schwergewichtler erkennen will, beharren Kritiker darauf, daß Joshua seit dem Olympiasieg eher noch langsamer geworden sei und seine Schlagwirkung nicht verbessert habe. Der Gewichtszuwachs von damals knapp 100 kg auf heute etwa 112 kg sei ihm schlecht bekommen, wirke er doch wie in einem Muskelpanzer eingeschlossen, der seine Bewegungsmöglichkeiten einschränkt. [2]

Kevin Johnson trägt zur Bewerbung des kommenden Kampfs mit der Ankündigung bei, er werde Joshua entzaubern und als bloßes Medienprodukt entlarven. Er habe seine letzten Kämpfe nur deswegen verloren, weil er schlecht vorbereitet angetreten sei, so der Amerikaner. Nun habe er erstmals seit Jahren wieder hart trainiert und fühle sich besser in Form als bei seinem Titelkampf 2009. Er werde den Briten aus dem Weg räumen und damit allen zeigen, wer die Zukunft des Schwergewichts sei.

Wenngleich Johnson hemmungslos übertreibt, was seine eigene Rolle betrifft, ist doch nicht aus der Luft gegriffen, daß Anthony Joshuas vielbeschworener Aufstieg zu einem erheblichen Teil ein Produkt der britischen Medien ist. Wo der US-Amerikaner nebulös versichert, er wisse genau, wie Joshua zu besiegen sei, kann man seine Offenlassung mit der Einschätzung füllen, daß er den jüngeren Gegner unablässig beschäftigen muß, bis dieser sich müdegeboxt hat. Auch das ist freilich leichter gesagt als getan, da Johnson seinerseits längst kein Konditionswunder mehr wirken kann. So steht zu befürchten, daß ihm noch früher die Luft ausgeht als dem Briten und diesem ein weiterer leichter Sieg in den Schoß fällt. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/05/anthony-joshua-faces-kevin-johnson-this-saturday-may-30th-at-the-o2-in-london-uk/#more-193682

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/05/froch-doubts-kevin-johnson-can-beat-anthony-joshua/#more-193728

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/05/kevin-johnson-ready-to-beat-anthony-joshua-calls-him-a-media-hype-job/#more-193702

27. Mai 2015


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