Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1726: Wenn die Pfunde nicht mehr purzeln ... (SB)



Martin Murray wechselt ins Supermittelgewicht

Nach etlichen Jahren im Mittelgewicht meldet sich der Brite Martin Murray nun in einer höheren Gewichtsklasse und mit einem neuen Promoter zurück. Wie Eddie Hearn von Matchroom Boxing, dem Branchenführer auf der Insel, bekanntgegeben hat, steht der 32 Jahre alte Boxer ab sofort bei ihm unter Vertrag und wird seinen ersten Kampf im Supermittelgewicht am 26. Juni in der Liverpooler Echo Arena bestreiten. Murray, der sich von dem südafrikanischen Promoter Rodney Berman getrennt hat, unterlag bei seinem letzten Auftritt am 21. Februar in Monte Carlo dem WBA-Superchampion Gennadi Golowkin in der elften Runde.

Wenngleich der Brite dabei auf verlorenem Posten stand, war er doch der erste Herausforderer des Kasachen, der so lange durchhielt. Dies war bereits Murrays dritter gescheiterter Anlauf auf den Titel des Weltmeisters, nachdem er sich 2011 unentschieden von Felix Sturm getrennt und im selben Jahr knapp nach Punkten gegen den Argentinier Sergio Martinez verloren hatte.

Wie Murray mitteilte, freue er sich auf die Zusammenarbeit mit Matchroom und dessen Fernsehpartner Sky Sports. Er habe bedeutende Kämpfe in Deutschland, Argentinien und Monaco ausgetragen, doch nun sei es an der Zeit, hervorragende Auftritte gegen prominente Kontrahenten vor britischem Publikum zu geben. Er habe sich im Mittelgewicht mit den Besten gemessen und sei bereit, dasselbe im höheren Limit zu tun. Das Supermittelgewicht sei hervorragend besetzt und biete schon auf nationale Ebene einige spektakuläre Duelle wie jenes gegen James DeGale, den neuen IBF-Champion, oder George Groves, der bald um den WBC-Titel kämpfe. Er habe sich immer zugetraut, eines Tages Weltmeister zu werden, und werde dieses Ziel in seinem neuen Umfeld mit Sicherheit erreichen.

Eddie Hearn begrüßte Murray mit den Worten im Team, dieser habe mehr als einmal bewiesen, daß er zu den besten Mittelgewichtlern der Welt gehöre. Man werde ihn nun weiter aufbauen und ihm bedeutende Kämpfe im In- und Ausland verschaffen. Zum Auftakt ihrer Zusammenarbeit werde man Martin Murray in Liverpool erstmals im höheren Limit erleben. Die Veranstaltung am 26. Juni hat allerdings ihr Zugpferd verloren, da der aus Liverpool stammende Schwergewichtler David Price seinen Auftritt wegen einer Nackenverletzung absagen mußte.

Der bei Sauerland Event unter Vertrag stehende Brite hatte bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing eine Bronzemedaille gewonnen und wurde 2012 beim Sender ESPN zum vielversprechendsten Talent des Jahres gewählt. Er habe sich sehr auf die Rückkehr zu seinen Fans in Liverpool gefreut, so Price. Leider mache ihm die Verletzung einen Strich durch die Rechnung, da er seine Vorbereitung unterbrechen müsse und sich nicht mehr rechtzeitig in Form bringen könne. Neben Martin Murray werden in zwei weiteren Kämpfen des Supermittelgewichts Callum Smith und Rocky Fielding sowie im Cruisergewicht Tony Bellew zu sehen sein. [1]

Ob Martin Murry, für den bislang 29 Siege, zwei Niederlagen und ein Unentschieden zu Buche stehen, seiner Karriere in der höheren Gewichtsklasse neuen Schwung verleihen kann, ist jedoch ungewiß. Seine Erwartung, er könne dort eine größere Schlagwirkung entfalten, ist aus zwei Gründen fraglich: Zum einen war eine solche Wucht der Schläge nie seine starke Seite, zum anderen stehen seinem höheren Eigengewicht fortan auch ebenso schwere Kontrahenten gegenüber, so daß allein darüber kein Vorteil zu erwirtschaften ist. Murray ist offenbar immer noch der Auffassung, der beste Mittelgewichtler nach Gennadi Golowkin zu sein. Dabei übersieht er jedoch Miguel Cotto, Peter Quillin, Daniel Jacobs, Billy Joe Saunders, Tureano Johnson, Andy Lee, Chris Eubanks jun. und Jorge Sebastian Heiland, die allesamt kräftiger zuschlagen als er.

Murray fiel es zuletzt immer schwerer, vor seinen Kämpfen das Gewicht zu reduzieren. Er habe sich dann immer geschwächt gefühlt und nicht die erhoffte Wirkung entfalten können, so der Brite. Im Grunde brauche er jetzt nichts weiter zu machen, als weniger exzessiv abzukochen, und werde sich dabei wesentlich wohler fühlen. Allerdings ist Murray so groß und schwer, daß er im Grunde ins Halbschwergewicht gehört. Dort bekäme er es allerdings mit Sergej Kowaljow, Adonis Stevenson, Artur Beterbijew und Jürgen Brähmer zu tun, von denen allenfalls der Schweriner ein Thema wäre. Eddie Hearn könnte seine guten Beziehungen zu Sauerland spielen lassen und Martin Murray diesen Titelkampf verschaffen, der nicht ganz so aussichtslos wie die anderen genannten Optionen wäre.

Da sich der Brite nun aber im Supermittelgewicht umtun will, erwarten ihn die Titelträger Andre Ward, James DeGale, Badou Jack und Arthur Abraham, aber auch Gegner wie Andre und Anthony Dirrell, George Groves, Robert Stieglitz, Julio Cesar Chavez, Edwin Rodriguez, Gilberto Ramirez, Sakio Bika und Derek Edwards, die ihn allesamt schlagen könnten. So steht zu befürchten, daß auch in diesem Fall der Aufstieg ins höhere Limit die Probleme nicht lösen kann. Der Waliser Nathan Cleverly kehrte nach einigen Auftritten ins angestammte Halbschwergewicht zurück, Tony Bellew wird ihm vermutlich in absehbarer Zeit folgen. [2]

Aus deutscher Sicht fühlt man sich an Arthur Abraham erinnert, der als IBF-Weltmeister im Mittelgewicht unbesiegt und wegen seiner Schlagwirkung gefürchtet war. Als er das Gewicht nicht mehr bringen konnte, erhoffte er sich bei seinem Wechsel ins Supermittelgewicht einen weiteren Siegeszug. Bekanntlich war das Gegenteil der Fall, denn es kostete den Berliner wie auch sein Umfeld allergrößte Mühe, den Absturz zu bremsen und Abraham schließlich auf dem heimischen Seitenweg über Robert Stieglitz zum WBO-Weltmeister zu machen. Wenngleich es nicht an Beispielen von Boxern fehlt, die sich auch nach dem Aufstieg in höhere Gewichtsklassen durchsetzen konnten, dürften doch die Fälle ausgesprochen selten sein, in denen auf diesem Weg eine Schlagwirkung in Erscheinung trat, die vordem nicht ersichtlich war.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/blog/dan-rafael/post/_/id/13035/murray-moving-to-168-in-new-deal-with-matchroom

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/06/martin-murray-thinks-his-punching-power-will-improve-at-168/#more-194418

9. Juni 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang