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MELDUNG/1797: Hünen hoch im Norden (SB)



Erkan Teper verteidigt seinen Titel gegen Robert Helenius

Mit Erkan Teper ist endlich wieder ein Boxer Europameister im Schwergewicht, der diese Position nicht mehr oder minder geschenkt bekommen oder im Vorbeimarsch mitgenommen und zu einer im internationalen Getriebe zunehmend entwerteten Durchgangsstation degradiert hat. Am 17. Juli traf der 33jährige Ahlener im Kampf um den vakanten Titel in Ludwigsburg auf den ein Jahr jüngeren David Price, der vor einiger Zeit noch als einer der größten britischen Hoffnungsträger gehandelt worden war. Während für den Briten 19 Siege und zwei Niederlagen zu Buche standen, war Teper in vierzehn Auftritten ungeschlagen.

Obgleich Erkan Teper trotz einer imposanten Größe von 1,95 m immer noch sieben Zentimeter kleiner als sein Gegner war, trieb er den Briten sofort durch den Ring und brachte immer wieder Treffer ins Ziel. Price konnte ihn selbst durch häufiges Klammern nicht bremsen, zumal der Ahlener alles problemlos wegsteckte, was sein Widersacher aufzubieten hatte. Bereits in der zweiten Runde war es um David Price geschehen, als ihn ein wuchtiger linker Haken von den Beinen holte. Der Brite stürzte bewußtlos zu Boden, wo er einige Augenblicke liegenblieb. Erfreulicherweise hatte sich der neue Europameister nicht mit taktischen Spielchen aufgehalten, sondern beständig Druck gemacht und seine gefährliche Schlagwirkung unter Beweis gestellt.

Daß dieser überzeugende Auftritt keine Eintagsfliege war, unterstreichen Tepers deutlicher Punktsieg gegen den technisch versierten Franzosen Johann Duhaupas im März 2015 wie auch seine Erfolge gegen Michael Sprott und Martin Rogan, die beide in der ersten Runde die Segel streichen mußten. Der Ahlener ist nicht nur hochgewachsen und von massiver Statur, sondern auch ein kampffreudiger Boxer mit einer enormen Schlagwirkung, der offensichtlich keine Angst vor großen Namen hat.

Am 19. Dezember verteidigt Erkan Teper den Titel des Europameisters in Helsinki gegen den bekannten Lokalmatador Robert Helenius, der in 21 Kämpfen ungeschlagen ist. Damit hat sich der Ahlener sofort eine anspruchsvolle Aufgabe ausgesucht, gehörte der 2,00 m große Skandinavier mit finnischer und schwedischer Staatsbürgerschaft doch vordem zu den führenden europäischen Schwergewichtlern, die Kurs auf einen Kampf um die Weltmeisterschaft nahmen.

Helenius hatte mit Lamon Brewster, Samuel Peter und Sergei Liachowitsch drei ehemalige Weltmeister jeweils vorzeitig besiegt, als er Anfang Dezember 2011 im Kampf um den vakanten Titel des Europameisters in Helsinki auf den Briten Dereck Chisora traf. Der Finne verletzte sich an der Hand, hatte aber auch in den Anfangsrunden keine besonders gute Figur gemacht. Viele Zuschauer und Experten waren der Auffassung, daß Chisora genug getan habe, um den Sieg davonzutragen, doch mußte sich der Brite knapp nach Punkten geschlagen geben.

Nach einer langen Verletzungspause meldete sich Helenius Ende 2012 wiederum in der finnischen Hauptstadt erfolgreich gegen den 40jährigen Veteranen Sherman Williams zurück, der ihm jedoch erhebliche Probleme bereitete. Wenngleich der Lokalmatador am Ende klar nach Punkten gewann, fiel die Wertung doch deutlicher aus, als es der Kampfverlauf vermuten ließ. Im März 2013 setzte sich Helenius in einem weiteren Aufbaukampf gegen den Veteranen Michael Sprott durch, doch verlangte ihm der Brite einen recht mühsamen Gang über die volle Distanz ab.

Aufgrund von Verletzungen und Streitigkeiten mit seinem damaligen Promoter Sauerland, die zu einer Trennung führten, bestritt Helenius von März 2013 bis März 2015 keinen Kampf, so daß er wegen Untätigkeit seine guten Ranglistenplätze verlor. Seit seiner Rückkehr in den Ring hat der inzwischen 31jährige die beiden Aufbaugegner Andras Csomor und Beqa Lobjanidze besiegt. In beiden Fällen machte er eine gute Figur, wobei es sich freilich um keine starken Kontrahenten handelte.

Teper, der nicht nur gewaltig zuschlagen kann, sondern auch über beachtliche Nehmerqualitäten verfügt, dürfte Helenius große Probleme bereiten. Der Finne hat zwar ebenfalls noch nie verloren, aber sich in der Vergangenheit doch einige Male nur mit Mühe durchgesetzt. Sollte es ihm nicht gelingen, den Titelverteidiger frühzeitig in die Schranken zu weisen, wird es wohl schlecht für ihn ausgehen. Zum einen kann der Ahlener sehr viel einstecken, zum andern verfügt er über eine erstklassige Kondition, die er schon mehrfach unter Beweis gestellt hat. Er läßt nicht nach, macht weiter Druck und kann auch über die volle Distanz gefährliche Schläge plazieren. [1]

Da beide Akteure eine beeindruckende Physis ins Feld führen können und über eine enorme Schlagwirkung gebieten, sollte ein attraktiver Kampf dabei herausspringen. Erkan Teper ist sich zweifellos im klaren darüber, daß er bei einem engen Verlauf das Publikum in Helsinki und wohl auch die Punktrichter gegen sich hat. Er wird daher seinerseits nicht lange fackeln, sondern frühzeitig auf eine Entscheidung drängen. Trotz des Heimvorteils geht Helenius ein enormes Risiko ein, um seinen früheren Titel wiederzugewinnen und sich zunächst in der europäischen Spitzenklasse zurückzumelden. Es ist ihm hoch anzurechnen, daß er diesen gefährlichen Gegner nicht scheut, dessen Zuversicht sprichwörtlich ist.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/erkan-teper-vs-robert-helenius-on-december-19th-in-helsinki-finland/#more-199264

18. September 2015


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