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MELDUNG/1806: Mutiger Londoner Lokalmatador überfordert (SB)



Frank Buglioni muß sich Fedor Tschudinow geschlagen geben

Fedor Tschudinow hat den Titel des regulären WBA-Weltmeisters im Supermittelgewicht in der Londoner Wembley Arena erfolgreich verteidigt. Er setzte sich in einem einseitigen Kampf klar nach Punkten gegen Frank Buglioni durch (120:106, 118:108, 117:109) und ist nun in vierzehn Kämpfen ungeschlagen, während für den Herausforderer 17 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen.

Während der Russe frühzeitig in Führung ging, bewegte sich Buglioni unablässig im Ring umher, was ihn so anzustrengen schien, daß er bereits in der dritten Runde erste Ermüdungserscheinungen erkennen ließ. Dabei kam der Londoner wesentlich besser zur Geltung, wenn er in der Ringmitte den Kampf annahm und den Favoriten mit seinen schnellen Schlägen in Verlegenheit brachte. Tschudinow machte seine Sache gut und blockte die wuchtigen Einzelschläge des Kontrahenten weitgehend ab. Probleme bekam er nur gegen Ende der sechsten, achten und zehnten Runde, als der Herausforderer in schneller Folge schlug. Das ging allerdings für den Lokalmatador im sechsten Durchgang schief, als er Tschudinow nach Ertönen des Pausengongs niederschlug, wofür ihm Ringrichter Terry O'Connor zwei Punkte abzog.

In der neunten Runde brachte der Titelverteidiger einen Körpertreffer ins Ziel, der Buglioni sichtlich in Mitleidenschaft zog und zurückweichen ließ. Der Russe legte mit weiteren Schlägen zum Körper nach, die dem Londoner zusetzten. Tschudinows Trainer Roy Jones hatte offensichtlich erkannt, wie erfolgversprechend diese Vorgehensweise war, und wies mit Hilfe eines Dolmetschers seinen Schützling mehrfach an, sich bei den Angriffen auf den Körper des Gegners zu konzentrieren.

Doch obgleich Buglioni in der Schlußphase am Rande eines Niederschlags stand, befolgte der Russe die Anweisung seines Trainers nicht, sondern verschwendete zuviel Zeit damit, den Kopf des größeren Gegners zu erreichen. Warum Tschudinow nach seinen erfolgreichen Körpertreffern davon abließ und überdies den Rat aus seiner Ecke in den Wind schlug, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Dabei war er es, der unbedingt von Roy Jones trainiert werden wollte, weshalb es um so weniger Sinn macht, daß er dessen Anweisungen ignoriert.

Davon abgesehen bot der Titelverteidiger aber eine ansprechende Leistung gegen Buglioni, vor dessen Schlägen er auf der Hut sein mußte. Wie Tschudinow nach seinem Erfolg hervorhob, habe er aus der Niederlage seines Bruders Dimitri gegen Chris Eubank jun. gelernt. Im nächsten Schritt werde er wohl gegen Felix Sturm kämpfen, der eine Revanche haben wolle und ein schwierigerer Gegner als der Londoner sei.

Grundsätzlich sollte Fedor Tschudinow jedoch über einen Wechsel ins Mittelgewicht nachdenken, wo er aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen besser aufgehoben wäre. Daß er deutlich kleiner als Buglioni war, spielte nur deswegen keine Rolle, weil der Londoner allenfalls phasenweise Druck zu machen verstand. Träfe er hingegen auf James DeGale, George Groves oder Badou Jack, sähe es schlecht für den Russen aus. Im Mittelgewicht könnte er beispielsweise Revanche für seinen Bruder nehmen und Eubank in die Schranken weisen, zumal er entschiedener angreift und wirkungsvoller schlägt als Dimitri.

Frank Buglioni mußte sich nach der Niederlage gegen Sergej Chomitski im vergangenen Jahr nun zum zweiten Mal in seiner Profilaufbahn geschlagen geben, wobei sein Gegner diesmal eine Nummer größer als der Weißrusse war, der unter anderem gegen den früheren WBO-Weltmeister Robert Stieglitz aus Magdeburg verloren hat. Gelingt es dem Londoner nicht, sich erheblich zu verbessern, dürfte es ihm kaum gelingen, erneut um einen Titel zu kämpfen. Beeindrucken konnte er Tschudinow nur dann, wenn er schnelle Kombinationen in Serie schlug, die der Champion nicht alle abwehren konnte. Allerdings schien sich Buglioni dabei so schnell zu verausgaben, daß er diese Vorgehensweise nur sporadisch praktizierte. [1]

Bekäme er es mit DeGale oder Badou Jack zu tun, die konsequent und gefährlich zum Körper schlagen, was der Londoner schlecht zu vertragen scheint, wäre es schnell um Frank Buglioni geschehen. Man darf nicht vergessen, daß er als krasser Außenseiter gehandelt worden war und dennoch eine beherzte und zeitweise sogar ebenbürtige Vorstellung gab, aber leider nur viel zu selten, um Tschudinow die Suppe zu versalzen. Der Lokalmatador erntete herzlichen Applaus, weil er bis zum Schlußgong durchgehalten hatte, doch war an seiner deutlichen Niederlage nicht zu rütteln. Der erhebliche Vorsprung Fedor Tschudinows, der als regulärer Weltmeister der WBA im Supermittelgewicht eine Stufe unter dem Superchampion Andre Ward und auch den Titelträgern der anderen drei maßgeblichen Verbände rangiert, macht den Abstand Buglionis zur Weltspitze deutlich. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/09/chudinov-vs-buglioni-early-results/#more-199619

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13751582/fedor-chudinov-beats-frank-buglioni-wba-world-super-middleweight-title-bout-wembley-stadium

29. September 2015


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