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MELDUNG/1829: Was lange währt ... (SB)



Endlich ein Gegner für Andre Ward gefunden

Nach Angaben Dan Rafaels von ESPN trifft Andre Ward, Superchampion der WBA im Supermittelgewicht, am 21. November im Mandalay Bay Resort & Casino in Las Vegas auf Alexander Brand. Das Duell wird als zweiter Hauptkampf neben der vielbeachteten Titelverteidigung des amtierenden WBC-Weltmeisters im Mittelgewicht, Miguel Cotto, gegen Saul "Canelo" Alvarez präsentiert und vom Sender HBO im Bezahlfernsehen übertragen. Während Ward in 28 Auftritten ungeschlagen ist, stehen für Brand, der an Nummer fünf der WBC-Rangliste geführt wird, 24 Siege und eine Niederlage zu Buche. [1]

Die Gegnersuche hatte sich recht schwierig gestaltet, da die Nevada State Athletic Commission als zuständige Aufsichtsbehörde diverse Vorschläge zurückwies, die Wards Promoter Roc Nation Sports zur obligatorischen Genehmigung vorlegte. So wurden die Australier Rohan Murdoch und Blake Caparello, Samuel Clarkson aus Texas, der Kolumbianer Alexander Brand und Schiller Hyppolite aus Montreal einer nach dem anderen abgelehnt, bis schließlich Cedric Agnew aus Chicago Gnade in den Augen der Sportkommission fand. [2]

Andre Ward war jedoch mit dem in der Rechtsauslage boxenden Andrew, den Sergej Kowaljow im vergangenen Jahr in der siebten Runde besiegt hatte, nicht einverstanden. Der Kalifornier bevorzugt derzeit verständlicherweise Gegner, die in der üblichen Linksauslage kämpfen, um sich auf sein Duell mit Kowaljow vorzubereiten, das im Herbst 2016 über die Bühne gehen soll. Dies bewog die Sportkommission, ihre Meinung zu ändern und doch noch grünes Licht für den zuvor abgelehnten Alexander Brand zu geben.

Der Kolumbianer mußte sich bei seiner einzigen Niederlage im Juli 2012 Badou Jack knapp nach Punkten geschlagen geben. Seither hat er sieben Kämpfe in Folge gewonnen, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß schlichtweg keine allzu gefährlichen Gegner für ihn ausgesucht wurden. So hat er seine letzten vier Kämpfe gegen die international unbekannten Bernard Dontack, Rey Recio, Wilmer Mejia und Jorge Rodriguez Olivera bestritten und für sich entschieden.

Daß die zuständige Sportkommission in Nevada nicht begeistert von diesem Kandidaten war, läßt sich unter diesen Umständen durchaus nachvollziehen. Andererseits handelt es sich erklärtermaßen um eine bloße Zwischenstation für Andre Ward, der sich damit auf sein eigentliches Ziel vorbereiten möchte. Zudem kann sich der Kalifornier natürlich auch auf den respektablen Ranglistenplatz seines Kontrahenten berufen.

Daher stellt sich eher die Frage, was Alexander Brand zu dieser guten Positionierung qualifiziert, wo doch Kandidaten wie Rocky Fielding, Sakio Bika, Patrick Nielsen und Christopher Rebrasse, die sicher stärker als der Kolumbianer eingeschätzt werden können, in der Rangliste hinter ihm aufgeführt sind. Es wäre jedoch müßig, die Ranglisten der Verbände ernsthaft auf ihre Plausibilität hin abzuklopfen. Dem Anspruch nach eine Staffelung nach dem aktuellen Leistungsvermögen der jeweiligen Boxer einer Gewichtsklasse, sind sie de facto in erheblichem Maße das Resultat der Verbandspolitik, die einerseits von den eigenen Erwerbsaussichten geprägt und andererseits mehr oder minder eng mit einflußreichen Promotern verflochten ist.

Das Duell mit Brand in Las Vegas ist der erste von insgesamt drei Kämpfen, die Andre Ward mit HBO vertraglich vereinbart hat. Dasselbe gilt für Sergej Kowaljow, der allerdings schon geraume Zeit bei diesem Sender zu sehen ist. Jeder der beiden Boxer bestreitet zwei Aufbaukämpfe, worauf es gegen Ende nächsten Jahres zu ihrem Kräftemessen im Halbschwergewicht kommen soll. Der Kampf gegen den Kolumbianer wird aller Voraussicht nach bei einer vereinbarten Gewichtsgrenze knapp oberhalb des Supermittelgewichts stattfinden, so daß sich Ward Schritt für Schritt im höheren Limit akklimatisieren kann.

Erfreulicher für das Publikum wäre natürlich ein gefährlicherer Gegner, der den Kalifornier darauf vorbereitet, was ihn im Kampf gegen Sergej Kowaljow erwartet. Der Russe ist Weltmeister dreier Verbände im Halbschwergewicht, kann gewaltig zuschlagen und hat sich in jüngerer Zeit auch technisch beträchtlich verbessert. Er wird zu Recht als einer der besten Akteure aller Gewichtsklassen angesehen, was Andre Ward lediglich in der Vergangenheit von sich sagen konnte. Er hat aufgrund von Verletzungen und Streitigkeiten mit seinem früheren Promoter seit mehreren Jahren kaum gekämpft und zuletzt im Juni den überforderten Briten Paul Smith vorzeitig besiegt.

Der Kalifornier gilt noch immer als ein hervorragender Boxer, dessen wühlender und klammernder Stil unschön anzusehen ist, aber seinerzeit im Super-Six-Turnier namhafte Gegner wie Mikkel Kessler, Arthur Abraham oder Carl Froch vor unlösbare Probleme gestellt hat. Dennoch stünde Ward auf verlorenem Posten, müßte er sofort gegen Kowaljow antreten. Ihm bleibt nur die Wahl, sich mit zwei Aufbaukämpfen so gut in Schuß zu bringen, daß er an die Höchstleistungen früherer Tage anknüpfen kann. Ob ihm das gelingt, ist fraglich, zumal der Russe bei seinem souveränen Sieg über Bernard Hopkins Ende letzten Jahres eindrucksvoll demonstriert hat, daß er selbst einen mit allen Wassern gewaschenen und für gewöhnlich absolut unangenehmen Gegner in die Schranken weisen kann.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/10/andre-ward-vs-alexander-brand-on-cotto-canelo-card-on-1121/#more-201172

[2] http://espn.go.com/blog/dan-rafael/post/_/id/14346/wards-hbo-deal-agreed-nov-21-foe-another-story

29. Oktober 2015


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