Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/1924: Zwei Briten enttäuschen ihr Publikum (SB)



Terry Flanagan einstimmiger Punktsieger über Derry Mathews

Terry Flanagan hat den WBO-Titel im Leichtgewicht erfolgreich verteidigt. In einem meistenteils einseitigen Kampf besiegte der 26jährige Brite in der Liverpooler Echo Arena seinen sechs Jahre älteren Landsmann Derry Mathews einstimmig nach Punkten (117:111, 115:112, 117:110) und blieb damit in 30 Auftritten ungeschlagen. Für den Herausforderer, dem die boxerischen Mittel fehlten, um dem Weltmeister Schwierigkeiten zu bereiten, stehen nun 38 Siege, zehn Niederlagen und zwei Unentschieden zu Buche. [1]

Der im Vorfeld angekündigte erbitterte Kampf zweier Boxer, die angeblich eine tiefsitzende Abneigung gegeneinander hegen, blieb zur Enttäuschung des Publikums aus, das dem Lokalmatador Mathews sicher einen erfolgreicheren Auftritt oder wenigstens einen Untergang mit fliegenden Fahnen gewünscht hätte. Statt dessen sah man einen überwiegend unattraktiven, weil von taktischer Vorsicht geprägten Abtausch einzelner Schläge aus der Distanz, bei dem Flanagan die besseren Karten hatte. Wenngleich der Titelverteidiger vor allem in den Anfangsrunden versuchte, auf den Gegner loszugehen und ihn mit einem Hagel von Schlägen einzudecken, blieben diese ungestümen Attacken weitgehend folgenlos. Mathews war körperlich ebenbürtig und zu erfahren, um sich überrennen zu lassen.

Wie sich rasch herausstellte, hatte sich der Champion einen handhabbaren Kontrahenten ausgesucht, der so langsam und wirkungslos schlug, daß von ihm keine ernstzunehmende Gefahr ausging. Wenngleich der Herausforderer durchaus Treffer landen konnte, irritierten diese Flanagan nicht. Von druckvollem Boxen mit hoher Schlagfrequenz, für das der Weltmeister bekannt ist, konnte an diesem Abend jedoch keine Rede sein. Zum einen war Mathews auf der Hut, sich nicht in die Defensive zwingen zu lassen, zum anderen blieb der Titelverteidiger blaß und kämpfte ungewohnt zurückhaltend, als wolle er kein unnötiges Risiko eingehen. [2]

Zudem ließ der Ringrichter jede Menge regelwidrige Aktionen Flanagans durchgehen, der Mathews in der zweiten Runde in Ringermanier heftig zu Boden warf, ohne daß dies geahndet worden wäre. Während des gesamten Kampfverlaufs zog der Weltmeisters immer wieder den Kopf des Gegners mit einer Hand herunter, während er mit der anderen zuschlug. Erst in der achten Runde wurde Flanagan mit einem Punktabzug bestraft, weil er mit dem Ellbogen zum Kopf geschlagen hatte. Das bremste den Tatendrang des Champions, der im vorangegangen Durchgang endlich mit seinem Jab und schnellen Kombinationen für Schwung gesorgt hatte. Der Herausforderer machte kurzfristig eine bessere Figur, doch wirkte er alsbald wieder ratlos, da Flanagan von der neunten Runde an erneut aus sicherer Distanz boxte.

So endete schließlich ein eher enttäuschender Kampf, nach dem beide Akteure zu bedauern schienen, daß sie kein größeres Risiko eingegangen waren. Wie Flanagan zur Entschuldigung anführte, habe eine Verletzung im Trainingslager einer optimalen Vorbereitung im Wege gestanden. Er habe in diesem Kampf nicht sein Bestes gegeben und zu wenig von seinen boxerischen Fähigkeiten Gebrauch gemacht. Zudem habe er damit gerechnet, daß der Herausforderer gegen Ende alles auf eine Karte setzen werde.

Mathews, dessen Karriere einer Achterbahnfahrt gleicht, war in seinem 50. Profikampf weit davon entfernt, die Chance zu nutzen, vor heimischem Publikum seinen ersten Griff nach dem Titel des Weltmeisters mit einem märchenhaften Überraschungserfolg zu krönen. Wenigstens hatte er sich besser als die letzten beiden Gegner Flanagans geschlagen, die jeweils in der zweiten Runde gescheitert waren. Im Juli 2015 mußte Jose Zepeda dem Briten den WBO-Gürtel überlassen, nachdem er sich frühzeitig die Schulter ausgekugelt hatte. Im Oktober setzte sich Flanagan dann bei seiner ersten Titelverteidigung problemlos gegen Diego Magdaleno durch.

Der für seine Gewichtsklasse ungewöhnlich große Brite hatte bislang zumeist davon profitiert, daß er seinen Gegnern körperlich überlegen war und sie überrollen konnte. Das funktionierte gegen den gleich großen Mathews nicht, der Flanagan insofern entzauberte, als von einem weltmeisterlichen Auftritt wenig zu sehen war. Das wirft die Frage auf, ob der ungeschlagene Champion womöglich mit nicht allzu gefährlichen Gegnern zu einem überbewerteten Weltmeister aufgebaut worden ist, zumal Felix Verdejo, Rances Barthelemy, Jorge Linares und Yuriorkis Gamboa stärker einzuschätzen sind.

Es wäre jedenfalls aufschlußreich zu verfolgen, wie sich Flanagan gegen den Sieger des Kampfs zwischen Ismael Barroso und Anthony Crolla schlagen würde. Crolla, der in Manchester dieselbe Schule wie Flanagan besucht hat, verteidigt den WBA-Titel am 7. Mai in seiner Heimatstadt gegen den Venezolaner, der im Dezember den Briten Kevin Mitchell in London aufs sportliche Altenteil geschickt hat. Sollte der WBA-Champion seinen Gürtel behalten, wäre ein Duell der beiden Lokalmatadoren zur Vereinigung ihrer Titel natürlich höchst attraktiv.

Flanagans Promoter Frank Warren hat Crolla bereits ein Angebot in Höhe von mehr als 600.000 Euro für dieses Duell unterbreitet, das später im Jahr über die Bühne gehen könnte. Anthony Crolla sei seines Wissens an keinen Promoter gebunden, so daß man sich auf direktem Wege einigen könne. Davon abgesehen wünsche er sich den früheren WBC-Weltmeister Jorge Linares zum Gegner für Terry Flanagan, der unter hohen Anforderungen über sich hinauswachse und daher keinen Rivalen in seiner Gewichtsklasse fürchten müsse, so Warren.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/03/flanagan-defeats-mathews/#more-206553

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14960324/terry-flanagan-beats-derry-matthews-unanimous-decision-linares-crolla-sights

14. März 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang