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MELDUNG/1934: Auf verlorenem Posten (SB)



Chris Eubank hat leichtes Spiel mit Nick Blackwell

Chris Eubank jun. ist neuer Britischer Meister im Mittelgewicht. Der 26jährige Ranglistenzweite der WBA aus Brighton setzte sich in der Londoner Wembley-Arena in der zehnten Runde gegen den Titelverteidiger Nick Blackwell durch und verbesserte seine Bilanz auf 22 Siege und eine Niederlage. Für seinen Gegner stehen nun 19 Siege, vier Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche. Der Kampf wurde auf Anraten des Ringarztes wegen einer Schwellung über Blackwells linkem Auge abgebrochen. Später wurde der 25jährige auf einer Trage aus dem Ring und ins Krankenhaus gebracht, wo man eine Hirnblutung diagnostizierte und den Patienten in ein künstliches Koma versetzte. Er liegt unter Beobachtung auf der Intensivstation. [1]

Blackwell mußte in einem ungleichen Kampf zahlreiche Treffer einstecken und blutete ab der dritten Runde aus der Nase, da er viel zu häufig wie ein Sparringspartner mit hochgezogener Deckung in den Seilen lehnte und Eubank ungehindert schlagen ließ. Dieser bearbeitete ihn vor allem mit Uppercuts, die abzuwehren der Titelverteidiger kein Mittel fand. Blackwells Trainer schien nicht gewillt oder in der Lage zu sein, seinen Schützling von den Seilen fernzuhalten, so daß es immer wieder zu dieser fatalen Situation kam.

Der Außenseiter schlug schlichtweg zu schwach, um seinen Gegner zu bremsen. Nur wenn Eubank anzugeben versuchte und abgelenkt war, bekam er prompt einen Treffer ab, was jedoch folgenlos blieb. Von der achten Runde an verlief der Kampf derart einseitig, daß der Titelverteidiger kaum noch in Erscheinung trat. Wieder ließ er an den Seilen die Angriffe Eubanks über sich ergehen, der zwar zumeist daneben oder auf die Deckung schlug, aber dennoch genug Schläge durchbrachte, um das Gesicht seines Gegners schwer zu zeichnen.

Dies wäre der angemessene Zeitpunkt gewesen, den Kampf abzubrechen, da sich Blackwell kaum noch wehrte und mit seinen sporadischen Schlägen keinerlei Wirkung erzielte. Wenngleich Eubank im folgenden Durchgang völlig ausgepumpt wirkte und kaum ernsthaft angriff, konnte der Titelverteidiger keinen Vorteil mehr daraus ziehen. Er hatte derart viele Schläge abbekommen, daß er außerstande schien, noch einmal das Heft in die Hand zu nehmen. In der zehnten Runde war es schließlich der Ringarzt, auf dessen Initiative hin der Kampf beendet wurde.

Wie Chris Eubank jun. nach seinem Sieg erklärte, habe er seinem Gegner etliche schwere Treffer versetzt. Es sei die Entscheidung des Ringrichters gewesen, den Kampf weiterlaufen zu lassen, der besser zu einem früheren Zeitpunkt abgebrochen worden wäre. Blackwell habe ihm ein großartiges Duell geliefert, wie es das britische Boxen dringend brauche. Er habe immer davon geträumt, diesen Gürtel zu erobern, und strebe nun nach höheren Aufgaben, da er Weltmeister werden wolle.

Der weltbekannte frühere Champion Chris Eubank sen., der in der Ecke seines Sohnes stand, dessen Laufbahn er mit Argusaugen verfolgt, sprach ebenfalls davon, daß der Kampf wohl zu spät abgebrochen worden sei. Er wisse genau, wie hart sein Sohn zuschlagen könne, der ein sehr gefährlicher Mann sei. Deshalb habe er ihn nach der achten Runde angewiesen, nur noch auf den Körper und nicht mehr zum Kopf zu schlagen. Der Ringrichter habe sich Zwischenrufe verbeten, doch wolle er ihm keine Vorwürfe machen, da er nur seinen Job erledigt habe. [2]

Das Schicksal Blackwells weckte nicht nur beim Trainer des Siegers böse Erinnerungen. Chris Eubank sen. hatte 1991 in einem Weltmeisterschaftskampf seinen Landsmann Michael Watson so schwer getroffen, daß dieser danach fast sechs Wochen lang im Koma lag, sechsmal am Kopf operiert werden mußte und bleibende Schäden davontrug. Es sei wie eine Art Déjà-vu gewesen. Er habe eine Menge durchgemacht und sei glücklich, daß dies zu einer Verbesserung der medizinischen Versorgung von Boxern geführt habe, sagte der 51jährige Watson und brachte sein Mitgefühl für Blackwell zum Ausdruck. Chris Eubank jun. brauche sich jedoch keine Vorwürfe zu machen, da es sich um einen Unfall handle.

Wenn der ältere Eubank seinen Sprößling zu einem höchst gefährlichen Kandidaten überhöht, dessen Schläge jeder fürchten müsse, trägt diese Werbung in eigener Sache den väterlichen Erkenntnissen sicher nur bedingt Rechnung. Chris Eubank sen. zählte einst zu den namhaftesten und gefährlichsten Boxern seiner Zeit und weiß daher nur zu gut um die Grenzen seines Sohnes. Dessen einzig wirkungsvoller Schlag ist der Uppercut, von dem er gegen Blackwell ungehindert Gebrauch machen konnte. Davon abgesehen ist er kein Mittelgewichtler, dessen Treffer die hochklassige Konkurrenz in Angst und Schrecken versetzen würden.

Vor allem aber zeichneten sich selbst gegen einen unterlegenen Kontrahenten wie Blackwell gravierende Konditionsprobleme Eubanks ab, der jeweils nur für eine gewisse Frist aufdreht und den Rest der Runde Luft schöpfen muß. Das reichte aus, um sich in der nationalen Konkurrenz zu behaupten und den britischen Titel zu sichern, der allenfalls eine Durchgangsstation beim Aufstieg eines talentierten Boxers sein kann, aber noch weit vor internationalen Rängen angesiedelt ist. Chris Eubank war bereits Pflichtherausforderer des regulären Weltmeisters Daniel Jacobs, verzichtete aber in einer regelrechten Kehrtwendung auf dessen Herausforderung zugunsten seines Landsmanns Blackwell und dessen wesentlich unbedeutenderen Gürtels. Das läßt darauf schließen, daß zumindest sein Umfeld das aktuelle Leistungsvermögen realistisch einschätzt und Risiken meidet, denen er absehbar nicht gewachsen ist. [3]

Eubank hat gegen Billy Joe Saunders verloren, der später durch einen unerwarteten Sieg über den Iren Andy Lee zum WBO-Champion aufgestiegen ist, aber als schwächster der aktuellen Weltmeister gilt. Saunders trägt sich angeblich mit dem Gedanken, im Sommer mit Gennadi Golowkin in den Ring zu steigen, der gerne schon im April gegen ihn angetreten wäre, um seine Sammlung um den WBO-Gürtel zu ergänzen. Wenn schon Saunders als reife Beute des Kasachen gilt, zeigt das um so mehr, wo Eubank derzeit im Konzert der führenden Mittelgewichtler anzusiedeln ist. Gennadi Golowkin, Daniel Jacobs und Saul "Canelo" Alvarez, aber wohl auch David Lemieux wären schlichtweg eine Nummer zu groß für den Briten.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15077029/nick-blackwell-induced-coma-following-bleed-brain-suffered-chris-eubank-jr

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/03/eubank-jr-stops-blackwell-looks-poor/#more-207187

[3] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15074824/chris-eubank-jr-wins-british-title-nick-blackwell-taken-hospital

28. März 2016


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