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MELDUNG/1949: Dem Puertoricaner in die Parade fahren (SB)



Wassyl Lomatschenko fordert Roman Martinez heraus

Der Federgewichtler Wassyl Lomatschenko, gefeierter Olympiasieger 2008 und 2012, stellte einen 39 Jahre alten Rekord ein, als er 2014 in seinem dritten Profikampf Weltmeister wurde. Nun eröffnet sich dem Ukrainer die Möglichkeit, in seinem siebten Auftritt unter professionellen Bedingungen einen Titel in einer zweiten Gewichtsklasse zu gewinnen. Lomatschenko steigt ins Superfedergewicht auf, wo er am 11. Juni im Theater des New Yorker Madison Square Garden auf Roman Martinez trifft, der den Gürtel des Verbands WBO verteidigt. Dieser Hauptkampf der Veranstaltung wird vom Sender HBO übertragen.

Lomatschenko gilt als einer der besten Amateurboxer aller Zeiten. Er gewann nicht weniger als 396 Kämpfe und verlor nur ein einziges Mal gegen den Russen Albert Selimow, an dem er später zweimal erfolgreich Revanche nahm. Auf eine Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften 2007 folgte Gold in den Jahren 2009 und 2011. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing gewann er im Federgewicht in so überzeugender Manier, daß er als bester Boxer des gesamten Turniers ausgezeichnet wurde. Vier Jahre später feierte er in London seinen zweiten Olympiasieg, wobei er dort im Leichtgewicht antrat.

Danach wechselte er ins Profilager zu Top Rank und gab am 12. Oktober 2013 sein erfolgreiches Debüt. Bereits bei seinem nächsten Auftritt forderte er im März 2014 den WBO-Weltmeister im Federgewicht, Orlando Salido, heraus. Der Mexikaner behielt zwar knapp mit 2:1 die Oberhand, doch waren sich die Experten einig, daß der Ukrainer unter fragwürdigen Umständen verloren hatte, wenn nicht gar gezielt mit unlauteren Mitteln geschlagen worden war. Salido hatte beim offiziellen Wiegen den Titel verloren, weil er die Gewichtsgrenze überschritt. Beim Kampf selbst war er rund fünf Kilo schwerer als Lomatschenko, was in dieser leichten Gewichtsklasse zweifellos für irreguläre Verhältnissen sorgte. Daher munkelte man, der Mexikaner sei absichtlich mit Übergewicht angetreten, da er sich andernfalls keine Chance ausgerechnet hätte. Hinzu kam eine unerklärlich schwache Leistung des Ringrichters, der Salido sämtliche schmutzigen Tricks durchgehen ließ und Tiefschläge des Mexikaners in Serie ignorierte.

Wozu Lomatschenko unter regulären Bedingungen fähig ist, unterstrich er am 22. Juni 2014 im Kampf um den vakanten WBO-Titel im Federgewicht. Er besiegte den zuvor ungeschlagenen US-Amerikaner Gary Russell einstimmig nach Punkten und wurde damit in seinem dritten Profikampf Weltmeister. Er verteidigte seinen Gürtel dreimal erfolgreich, doch gingen ihm die namhaftesten Akteure wohlweislich aus dem Weg, so daß ihm die erhofften spektakulären Duelle und weitere Gürtel in dieser Gewichtsklasse versagt blieben. Als sich ihm dann die Gelegenheit eines Titelkampfs im Superfedergewicht eröffnete, griffen er und sein Manager Egis Klimas sofort zu.

Der 28jährige Lomatschenko lebt im kalifornischen Oxnard, boxt in der Rechtsauslage und hat fünf Auftritte gewonnen sowie einen verloren. Für den 33 Jahre alten Puertoricaner Roman Martinez stehen 29 Siege, zwei Niederlagen und drei Unentschieden zu Buche. Er ist damit im Profilager wesentlich erfahrener als der Ukrainer und hat zudem dessen Bezwinger Orlando Salido im April 2015 in einem spannungsgeladenen Kampf nach Punkten besiegt. Dabei sicherte er sich den WBO-Titel und verteidigte ihn bei der nicht minder hochklassigen Revanche, die im September unentschieden endete. Lomatschenko wagt also wiederum einen großen Sprung voran, wenn er den Sieger über den einzigen Gegner, der ihn selbst bezwungen hat, herausfordert.

Die Verhandlungen zwischen den beiden Lagern über die Konditionen des Kampfes zogen sich mehrere Wochen hin, bis schließlich vor wenigen Tagen der Interimsweltmeister Javier Fortuna als ernsthafte Alternative ins Spiel kam. Dann ging alles plötzlich ganz schnell, da sich der Vizepräsident von Lomatschenkos Promoter Top Rank, Carl Moretti, in Puerto Rico aufhielt, wo der talentierte Leichtgewichtler Felix Verdejo in den Ring stieg. Dort traf Moretti mit Martinez und Peter Rivera von den Best Boxing Promotions zusammen, um die letzten Einzelheiten zu klären.

Wie Moretti im Gespräch mit ESPN.com berichtete, hätten ihn Roman Martinez und Peter Rivera nach dem offiziellen Wiegen am Freitag in seinem Hotelzimmer aufgesucht, wo man dann in einer Konferenzschaltung mit dem Vorsitzenden von Top Rank, Bob Arum, alles unter Dach und Fach gebracht habe. Als Martinez zu Wochenbeginn mit den Konditionen noch nicht einverstanden und damit eine Übereinkunft ungewiß gewesen sei, habe man Javier Fortuna ins Gespräch gebracht. Er danke Fortuna und dessen Promoter Sampson Lewkowicz für deren professionelles Verhalten und könne sich vorstellen, daß der Interimschampion in absehbarer Zeit eine Chance gegen den Sieger des bevorstehenden Titelkampfs bekomme, so Moretti.

Lomatschenko und Egis hätten stets hervorgehoben, daß sie nur an bedeutenden Kämpfen interessiert seien. In der Welt von heute sei das jedoch nicht gerade einfach. Zunächst habe der Ukrainer geplant, die Titel im Federgewicht zusammenzuführen, was jedoch daran gescheitert sei, daß keiner der anderen Weltmeister dazu bereit war. Nun versuche Lomatschenko dasselbe im Superfedergewicht, wofür er sofort das größtmögliche Risiko eingehe.

Der Kampf gegen Martinez macht aus mehreren Gründen Sinn, worunter dessen WBO-Gürtel der wichtigste, doch beileibe nicht der einzige ist. Das Duell findet am Wochenende der alljährlichen puertoricanischen Parade in New York statt, die sich enormer Popularität erfreut. Top Rank veranstaltet an diesem Termin stets einen Kampfabend mit mehreren Puertoricanern, was letztendlich den Ausschlag für Lomatschenkos Team gab, diese Option zu wählen.

Wie Moretti dazu anmerkt, genieße Roman Martinez unter diesen Umständen einen haushohen Heimvorteil. Zudem sei er ein erfahrener Veteran, der über eine gefährliche Rechte verfüge. Lomatschenko gehe daher wieder einmal ein enormes Wagnis ein, wie es nun einmal seine Art sei. Sollte er die Oberhand behalten, würde dies die lange Liste seiner außergewöhnlichen Leistungen komplettieren und ihn als herausragenden Akteur im Feder- und Superfedergewicht etablieren. [1]


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15213106/vasyl-lomachenko-move-challenge-rocky-martinez-junior-lightweight-title

21. April 2016


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