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MELDUNG/2013: Gefährlichste Waffe, potentielle Schwachstelle (SB)



Deontay Wilder unterzieht sich mehreren Operationen

Der in 37 Kämpfen ungeschlagene Deontay Wilder aus Tuscaloosa im Bundesstaat Alabama ist WBC-Weltmeister im Schwergewicht und dürfte derzeit der führende Akteur der Königsklasse sein, gefolgt von dem Kubaner Luis Ortiz. Nachdem der hochdotierte Kampf gegen den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin aufgrund des gegen den Russen erhobenen Dopingvorwurfs kurzfristig abgesagt worden war und der Verband dem Weltmeister anstelle dessen eine freiwillige Titelverteidigung gestattet hatte, fiel die Wahl auf Chris Arreola. Wilder hatte in diesem Kampf, den er am 16. Juli in Birmingham, Alabama, und damit vor heimischem Publikum absolvieren konnte, keine Probleme mit dem Gegner, wohl aber mit der eigenen Physis.

Der 30 Jahre alte Champion dominierte den Herausforderer drei Runden lang, um dann im vierten Durchgang verstärkt seine rechte Schlaghand mit voller Wucht einzusetzen, worauf Arreola zu Boden gehen mußte. Bei diesen Angriffen hatte sich Wilder jedoch verletzt, worauf er in der Folge fast nur noch mit dem linken Jab kämpfte, bis das Lager des Gegners nach der achten Runde den Kampf aufgab. Wilder hatte sich nicht nur einen Bruch an der rechten Hand, sondern darüber hinaus einen Muskelriß am Bizeps zugezogen, die beide einer Operation bedürfen und den Weltmeister einige Zeit außer Gefecht setzen. [1]

Nach Angaben seines Trainers und Co-Managers Jay Deas wurde ein erster Eingriff an der Hand vorgenommen, dem in wenigen Tagen ein weiterer wie auch die Operation am Bizeps folgen sollen. Bei diesem vorbereitenden kleineren Eingriff seien die Knochen ausgerichtet und temporäre Stifte eingesetzt worden, um den Rückgang der Schwellung zu beschleunigen. Sobald diese genügend abgeklungen sei, werde die eigentliche Operation an der Hand vorgenommen, so Deas. Zeitnah soll der Eingriff am Oberarm durchgeführt werden, um Verzögerungen des gesamten Heilungsprozesses zu vermeiden. Es mache natürlich keinen Sinn, zuerst die Hand drei bis vier Monate ausheilen zu lassen und erst dann den Bizeps wiederherzustellen, wodurch sich die Rekonvaleszenzzeit mehr als verdoppeln würde.

Man könne insofern vom Glück im Unglück sprechen, als der Eingriff an der Hand komplizierter als jener am Bizeps sei, aber schneller verheile. Daher bekomme die Hand noch eine zusätzliche Schonzeit, bis Wilder das Training mit dem rechten Arm wieder aufnehmen könne. Er gehe jedenfalls davon aus, daß die Schlaghand des Champions hinterher in besserer Verfassung als in den letzten Jahren sein werde, meint der Trainer. [2]

Jay Deas bezieht sich mit dieser Äußerung darauf, daß sich sein Schützling in der Vergangenheit bereits mehrfach Verletzungen an der rechten Hand zugezogen hat. Nachdem Wilder im Jahr 2009 in seinem siebten Profikampf Travis Allen in der ersten Runde besiegt und sich dabei die Hand gebrochen hatte, wurden bei einem chirurgischen Eingriff Stifte zur Stabilisierung eingesetzt. Im Januar 2015 wurde nach dem Kampf gegen Bermane Stiverne, aus dem der US-Amerikaner als neuer WBC-Weltmeister hervorging, ein Ermüdungsbruch an derselben Stelle diagnostiziert, den er ohne erneute Operation ausheilen lassen konnte. Wie heftig Wilder mit dieser Hand zu Lasten des Gegners, aber zugleich auch der eigenen Substanz, zuschlägt, kann man nicht zuletzt daran ablesen, daß die eingesetzten Stifte nach dem Kampf gegen Arreola verbogen waren.

Bei günstigem Heilungsverlauf könne Deontay Wilder im November oder Dezember, andernfalls aber im ersten Quartal 2017 in den Ring zurückkehren, lautet die Prognose seines Trainers. Genaugenommen versäume man also nicht viel und liege kaum mehr als einen Monat hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück. Entscheidend bleibe natürlich der letztendliche Heilungsprozeß, da der Weltmeister erst dann in den Ring zurückkehren werde, wenn er wieder uneingeschränkt kämpfen und zuschlagen könne.

Im Kampf gegen Bermane Stivernes nötigte die robuste Konstitution des Titelverteidigers dem Herausforderer die wuchtigsten Schläge ab, da er auch diesen Kontrahenten vorzeitig besiegen wollte. Begünstigt durch die frühzeitige Verletzung Wilders hielt der Kanadier volle zwölf Runden durch, was bis heute noch keinem anderen Gegner des US-Amerikaners gelungen ist. Wenngleich sich Chris Arreola als relativ leichte Aufgabe erwies, da er kaum jemals an den größeren Champion herankam, mußte dieser doch auf einen Volltreffer setzen, um einen Niederschlag herbeizuführen, was zur zweifachen Verletzung führte.

Daß die gefährlichste Waffe Wilders zugleich seine potentielle Schwachstelle ist, resultiert zum einen aus ihrem strapaziösen Gebrauch, zum anderen natürlich aus der Vorschädigung. Die zur Stabilisierung eingesetzten Stifte bleiben Fremdkörper, die sich unter einer spezifischen Belastung wie Sollbruchstellen verhalten können. Man kann dem Weltmeister nur wünschen, daß sich die von seinem Trainer zum Ausdruck gebrachte Hoffnung erfüllt und auf operativem Weg ein günstigeres Ergebnis als in der Vergangenheit erzielt wird. Deontay Wilder verkörpert ein Potential, das nach den Jahren der Klitschkos wie ein Jungbrunnen das Schwergewicht erfrischt. Es wäre überaus bedauerlich, ihn an der eigenen Physis scheitern zu sehen, bevor er alle vier maßgeblichen Gürtel der Königsklasse zusammengeführt hat.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/17141160/heavyweight-titleholder-deontay-wilder-facing-more-surgery-hand-biceps

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/07/deontay-wilder-second-hand-surgery/#more-214030

27. Juli 2016


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