Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2016: Rückhalt unter Iren ist nie zu unterschätzen (SB)



Carl Frampton entthront Leo Santa Cruz

In einem mit Spannung erwarteten Kampf des Federgewichts, der vor gut 9000 Zuschauern im Barclays Center in Brooklyn stattfand, hat Carl Frampton nach Punkten die Oberhand gegen Leo Santa Cruz behalten (117:111, 116:112, 114:114). Der 29jährige Nordire hatte im Februar die Gürtel der Verbände IBF und WBA im Superbantamgewicht durch einen Sieg über Scott Quigg zusammengeführt und später niedergelegt, um im höheren Limit gegen den zwei Jahre jüngeren WBA-Superchampion anzutreten, den er nun in einem hochklassigen Duell entthront hat. Während Frampton damit in 23 Auftritten ungeschlagen ist, stehen für Santa Cruz 32 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche.

Obgleich der Titelverteidiger unerhört fleißig zu Werke ging und mehr als 1000 Schläge ausführte, schienen die Treffer des Herausforderers präziser und wirksamer zu sein. Frampton machte in den ersten sechs Runden die bessere Figur, da sein Gegner nicht genügend Druck aufbaute und ihn schlagen ließ. In der zweiten Hälfte des Kampfs dominierte jedoch Santa Cruz dank seiner höheren Aktivität, während ihm der Nordire häufig aus dem Weg zu gehen versuchte. Daher waren am Ende die Meinungen der Experten geteilt, ob nicht ein Unentschieden die angemessene Wertung gewesen wäre. Da sich das Publikum mehrheitlich aus irischstämmigen Fans zusammensetze, die den Herausforderer frenetisch anfeuerten, könnte diese Stimmung die beiden Punktrichter beeinflußt haben, die Frampton mehr oder minder deutlich in Führung gesehen hatten. Offenbar war es ein Fehler gewesen, daß sich das Team des Titelverteidigers auf die Austragung in New York eingelassen und nicht auf Südkalifornien oder Texas bestanden hatte.

Einig war man sich immerhin darin, einen der besten Kämpfe des Jahres miterlebt zu haben, der bis zur letzten Sekunden turbulent verlaufen war. Frampton, der zum zweiten Mal in den USA antrat, sprach in einer anschließenden Stellungnahme von einem Traum, der wahrgeworden sei. Wer hätte gedacht, daß er eines Tages Weltmeister in zwei Gewichtsklassen werden könnte! Er habe sich eine harte Auseinandersetzung gewünscht, die den Leuten in Erinnerung bleiben werde, und zolle Santa Cruz Respekt, der ein großartiger Kämpfer sei. Mit seiner Kontrolle der Distanz und harten Schlägen habe er selbst den Gegner jedoch frühzeitig beeindruckt. Er danke seinem Trainer Shane McGuigan, der eine überlegene Taktik ausgearbeitet und ihn in jeder Pause ermutigt habe, daß er auf der Siegerstraße sei. So habe er schließlich diesen Kampf nicht mit dem Kopf, sondern dem Herzen gewonnen.

Leo Santa Cruz war verständlicherweise enttäuscht angesichts der Niederlage, die ihn den Titel gekostet und ihm den Nimbus des ungeschlagenen Boxers genommen hatte. Er habe mit einem erbitterten Kampf gerechnet, zu dem es dann auch gekommen sei, doch sei er nach seinem Dafürhalten enger ausgegangen, als sich das im Ergebnis niederschlage. Vielleicht hätten die Punktrichter zu sehr auf die Menge gehört und jeden kleinen Schlag seines Gegners als Treffer gesehen.

Promoter Lou DiBella, der die Veranstaltung auf die Beine gestellt hatte, attestierte dem Nordiren einen brillanten Auftritt. Aber auch Santa Cruz habe eine erstklassige Vorstellung gegeben und gewaltige Bomben ins Ziel gebracht. Nachdem beide Akteure mit ihrem Kampf auf höchstem technischen Niveau für einen Klassiker gesorgt hätten, sei Carl Frampton seines Erachtens ein Kandidat für die Liste der besten Boxer aller Gewichtsklassen. DiBella verglich das Duell sogar mit den epischen Kämpfen zwischen Marco Antonio Barrera und Erik Morales, die in der Gewichtsregion zwischen dem Superbantam- und Superfedergewicht dreimal aufeinandergetroffen waren.

Da Frampton und Santa Cruz einer Revanche nicht abgeneigt sind, folgen sie ja womöglich dem Beispiel der beiden mexikanischen Legenden. Wie der neue Champion versicherte, würde es ihm große Freude bereiten, sich in Belfast erneut mit diesem Kontrahenten zu messen und seinen Landsleuten zu zeigen, was für ein großartiger Kämpfer Santa Cruz sei. Dieser sprach seinerseits von einem Rückkampf, den er am liebsten in Los Angeles, aber notfalls auch in Belfast austragen würde. Beim nächsten Mal werde er die Oberhand behalten und damit die Niederlage vergessen machen. [1]

Von seinem Wunsch nach einem Rückkampf abgesehen, würde Leo Santa Cruz am liebsten die Weltmeister Gary Russell (WBC) und Lee Selby (IBF) herausfordern, um ihnen die Titel abzujagen. Carl Frampton verneinte die Frage, ob er nun gegen Guillermo Rigondeaux im Superbantamgewicht antreten werde, da der Kubaner langweilig boxe und mit ihm kein Geld zu verdienen sei. Als der Nordire noch Weltmeister in der niedrigeren Gewichtsklasse gewesen war, hatte die WBA einen Kampf gegen Rigondeaux angeordnet. Vor die Entscheidung gestellt, sich entweder mit dem Kubaner zu messen oder den Titel niederzulegen, stieg Frampton ins Federgewicht auf, um dort den Superchampion herauszufordern. Damit entkräftete er den Vorwurf, dem Kubaner aus dem Weg zu gehen, und landete zugleich den Coup, sich durch den Sieg über den populären Leo Santa Cruz auch dort als Weltmeister einen Namen zu machen. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/17183413/carl-frampton-beats-leo-santa-cruz-majority-decision

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/07/carl-frampton-defeats-leo-santa-cruz-results/#more-214228

31. Juli 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang