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Daniel Jacobs gibt Sergio Mora eine Revanche

Daniel Jacobs verteidigt den Titel des regulären WBA-Weltmeisters im Mittelgewicht am 9. September in Reading, Pennsylvania, gegen Sergio Mora. Es handelt sich um eine Revanche der beiden Akteure, die im August 2015 im Barclays Center in Brooklyn erstmals aufeinandergetroffen waren. Die Kontrahenten lieferten einander damals von Beginn an ein ungewöhnlich heftiges Gefecht, in dem beide bereits in der ersten Runde einen Niederschlag hinnehmen mußten. Im zweiten Durchgang schickte Jacobs seinen Gegner mit einer wuchtigen Rechten erneut zu Boden, der sich dabei einen Bruch im rechten Fußgelenk zuzog und den Kampf nicht fortsetzen konnte. Seither hatte Mora des öfteren eine Revanche gefordert, sobald er auskuriert und wieder voll einsatzfähig sei. Jacobs ließ geraume Zeit wenig Interesse an einem Rückkampf erkennen, bis er schließlich doch seine Meinung änderte und dem Ansinnen stattgab.

Der New Yorker hatte sich im August 2014 durch einen Sieg über den Australier Jarrod Fletcher den vakanten WBA-Titel gesichert und ihn im April 2015 gegen Caleb Truax erstmals erfolgreich verteidigt. Statt sich unter den Top 15 der WBA einen stärkeren Gegner wie Tureano Johnson, Chris Eubank jun., Arif Magomedow oder Willie Monroe jun. auszusuchen, fiel die Wahl des Weltmeisters dann auf Sergio Mora, wofür wohl eher sein Berater Al Haymon die Weichen gestellt hatte.

Der 35jährige Sergio Mora war früher Weltmeister im Halbmittelgewicht und lebt im östlichen Teil von Los Angeles. Er hat seit seinem Mißgeschick nicht mehr im Ring gestanden und kann mit einer Bilanz von 28 Siegen, vier Niederlagen sowie zwei Unentschieden aufwarten. Für den sechs Jahre jüngeren Titelverteidiger aus Brooklyn stehen 31 gewonnene Kämpfe und ein verlorener Auftritt zu Buche. Im Dezember 2015 feierte er im Kampf gegen seinen langjährigen Freund und Rivalen Peter Quillin, der ebenfalls in Brooklyn zu Hause ist, einen spektakulären K.o.-Sieg nach nur 75 Sekunden. [1]

Wie Jacobs zur Begründung seines Sinneswandels anführt, sei diese Revanche einerseits ein ganz normaler Job, doch andererseits eine persönlichere Angelegenheit als alle Auftritte zuvor. Moras haltlose Behauptungen in den sozialen Medien seien ihm allmählich auf die Nerven gegangen. Immer mehr Leute hätten sich an den wilden Spekulationen beteiligt, wie der damalige Kampf ohne die Verletzung ausgegangen wäre. Deshalb nehme er die Gelegenheit wahr, Mora vor aller Augen zum Schweigen zu bringen und klarzustellen, wer der Champion sei.

Mora gibt demgegenüber seiner Version neue Nahrung und erklärt, er habe Jacobs in der ersten Runde niedergeschlagen und in der zweiten ausgeboxt. Sein Gegner wisse nur zu gut, daß er die Revanche noch mehr als ihren ersten Kampf fürchten müsse, und habe sich deshalb lange dagegen ausgesprochen. Jetzt müsse sich der Titelverteidiger dem Unvermeidlichen stellen und werde dabei auf einen Herausforderer treffen, der genügend Dampf in den Fäusten habe, um ihm eine schmerzhafte Lektion zu erteilen. Im Grunde genüge ein Blick in die beiderseitigen Bilanzen, um sofort zu erkennen, wer von beiden in seiner Karriere die härteren Nüsse geknackt habe.

Nimmt man diese Ansage für bare Münze, findet man in Sergio Moras Laufbahn wenig Anhaltspunkte für seine Behauptung, Jacobs an früheren Errungenschaften überlegen zu sein. Er gewann vor acht Jahren den WBA-Titel im Halbmittelgewicht, weil Vernon Forrest in desolater Verfassung antrat und nach Punkten gegen ihn verlor. Als es drei Monate später zur Revanche kam, präsentierte sich Forrest wieder in Normalform und holte sich postwendend den Gürtel zurück. Ansonsten besiegte Mora einige mehr oder minder namenlose Gegner, verlor zweimal gegen Brian Vera und gewann fünf Kämpfe in Folge, bis er sich Daniel Jacobs geschlagen geben mußte.

Da Mora bei keinem der vier maßgeblichen Verbände unter den Top 15 der Rangliste geführt wird, stellt sich grundsätzlich die Frage, wieso ihm die World Boxing Association überhaupt einen Titelkampf gewährt. Dies steht jedenfalls nicht in Einklang mit den Statuten, die den Kandidatenkreis bei der Herausforderung eines Weltmeisters begrenzen. Wird es einem Champion erlaubt, gegen zweitklassige Kontrahenten anzutreten, streckt er seine Regentschaft zu Lasten der Qualität und letztlich auch des Interesses beim Publikum.

Unerfreulich ist zudem, daß Mora nach seiner Niederlage zwölf Monate lang nicht mehr im Ring gestanden hat, aber dennoch sofort die nächste Titelchance bekommt. Mit dieser Verfahrensweise übergeht man eine ganze Reihe anderer Kandidaten, die sich in jüngerer Zeit mit starken Leistungen für einen Kampf um den Gürtel des Champions empfohlen haben. Daniel Jacobs, der als regulärer Weltmeister eine Stufe unter dem WBA-Superchampion Gennadi Golowkin rangiert, will sich eigenen Angaben zufolge im Herbst 2017 mit dem Kasachen messen. Um so weniger nachvollziehbar mutet unter diesen Umständen an, daß er sich nicht einen stärkeren Gegner ausgesucht hat, um sich angemessen auf diese höchst anspruchsvolle Aufgabe vorzubereiten und seinen Anspruch frühzeitig und kontinuierlich zu unterstreichen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17218189/middleweight-champion-daniel-jacobs-defend-title-sergio-mora-september

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/08/jacobs-faces-mora-rematch-sep-9/#more-214478

6. August 2016


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