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MELDUNG/2036: Duell der verschmähten Kandidaten (SB)



Gabriel Rosado trifft in Arlington auf Willie Monroe

Am 17. September fordert Saul "Canelo" Alvarez im AT&T Stadium in Arlington, Texas, den WBO-Weltmeister im Halbmittelgewicht, Liam Smith, heraus. Um das Vorprogramm der von HBO im Pay-TV übertragenen Veranstaltung anzureichern, plante sein Promoter Oscar de la Hoya einen Schwergewichtskampf zwischen dem Interimsweltmeister Luis Ortiz und Alexander Ustinow. Der Kubaner zog jedoch seine Zusage zurück, als ihm eine höhere Börse verweigert wurde, und hat sich inzwischen von den Golden Boy Promotions getrennt. Daraufhin bot De la Hoya dem Briten Billy Joe Saunders an, seinen WBO-Titel im Mittelgewicht in Arlington zu verteidigen und voraussichtlich im Dezember einen Kampf gegen "Canelo" zu bekommen. Saunders lehnte jedoch einen Gegner nach dem anderen ab, der ihm angeboten wurde, darunter auch Gabriel Rosado und Willie Monroe, die beide vorzeitig gegen Gennadi Golowkin verloren haben.

Diese unerfreuliche Entwicklung veranlaßte die Golden Boy Promotions dazu, aus der Not eine Tugend zu machen und die beiden von dem Briten verschmähten Kandidaten gegeneinander antreten zu lassen. Der 30jährige Gabriel Rosado aus Philadelphia trifft nun im zweiten Hauptkampf der Veranstaltung auf den ein Jahr jüngeren Willie Monroe aus Rochester, New York. Während Rosado 23 Auftritte gewonnen und neun verloren hat, kann Monroe mit 20 Siegen und zwei Niederlagen aufwarten. [1]

Rosado hat 2013 zweimal um einen Titel im Mittelgewicht gekämpft, jedoch in beiden Fällen vorzeitig verloren. Gegen Gennadi Golowkin mußte er in der siebten Runde die Segel streichen, Peter Quillin gab ihm im zehnten Durchgang das Nachsehen. Da er sich auch David Lemieux und Jermell Charlo geschlagen geben mußte, standen in dieser schwierigen Phase seiner Karriere vier Niederlagen sowie ein Auftritt ohne Wertung zu Buche. Seitdem Rosado jedoch von Fernando Vargas trainiert wird, hat er zwei Kämpfe nacheinander gewonnen, darunter im Dezember 2015 auf überzeugende Weise gegen den früheren Champion Joshua Clottey. Er wird derzeit in der WBO-Rangliste an Nummer elf und beim Verband WBC an zwölfter Stelle geführt.

Monroe machte sich einen Namen, als er 2014 ein Turnier des Senders ESPN gewann. Dieser Erfolg bescherte ihm einen Titelkampf gegen Gennadi Golowkin, der ihn 2015 in der sechsten Runde geschlagen auf die Bretter schickte. Seither ist er in den Ranglisten der vier maßgeblichen Verbände nicht mehr unter den Top 15 vertreten und hat nur einen weiteren Kampf bestritten, bei dem er sich im Juni nach Punkten gegen John Thompson durchsetzte. [2]

Man braucht kein Hellseher zu sein, um die nächsten Schritte "Canelos" und seines Promoters Oscar de la Hoya vorherzusagen. Der populärste mexikanische Boxer dieser Tage soll auf dem Weg des geringsten Widerstands zum Superstar aufgebaut werden. Daher meidet er gefährliche Rivalen wie Gennadi Golowkin im Mittelgewicht oder Jermall und Jermell Charlo, Erislandy Lara, Julian Williams und Demetrius Andrade im Halbmittelgewicht. Liam Smith ist zwar Weltmeister und ungeschlagen, gilt aber als vergleichsweise schwacher Champion, was ihn zur idealen Beute für Alvarez macht, der relativ leichtes Spiel haben dürfte.

Danach könnte "Canelo" im Dezember gegen Billy Joe Saunders antreten und ihm den WBO-Gürtel im Mittelgewicht abnehmen. Auch das wäre vermutlich nicht allzu schwierig, da der Brite lediglich mit einer geringen Schlagwirkung aufwarten kann und zumeist nach sechs Runden konditionell einbricht.

Anfang Mai 2017 wäre schließlich Gabriel Rosado an der Reihe, sofern er gegen Willie Monroe die Oberhand behält. Rosado war bereits für "Canelos" nächsten Kampf im Gespräch, mußte aber Liam Smith den Vortritt lassen. Ein Sieg im Vorprogramm könnte ihn zu einem Kandidaten aufwerten, der sich einigermaßen verkaufen ließe.

Was das Publikum von dieser Vorgehensweise hält, wird sich zeigen. Wenngleich Oscar de la Hoya seiner Überzeugung Ausdruck verliehen hat, daß der Kampf zwischen "Canelo" und Liam Smith hervorragende Resultate im Pay-TV erzielen wird, dürfte dies doch eher eine Mischung aus Wunschdenken und gezielter Bewerbung der Veranstaltung sein. Zwar ist der junge Mexikaner in der Tat das aktuelle Zugpferd der Branche, was seine große Fangemeinde betrifft, doch tritt er gegen einen Champion an, der selbst in England nicht zu den prominentesten Akteuren zählt und den in den USA außer Experten niemand kennt. Während dieses Duell im kostenlosen Fernsehen sicher eine ansehnliche Quote einfahren würde, ist doch fraglich, ob die teure Übertragung sehr vielen Fans das Geld wert ist.

Hinzu kommt natürlich, daß Gabriel Rosado und Willie Monroe im zweiten Hauptkampf des Abends keine Beigabe sind, die das Paket maßgeblich aufwerten würde. Sie gehören nicht zu den führenden Akteuren im Mittelgewicht und würden unter anderen Umständen niemals im Bezahlfernsehen vermarktet werden. Die Quote bei der Übertragung aus Arlington dürfte daher zugleich ein Gradmesser für Saul Alvarez und die Golden Boy Promotions sein, ob sie für den Kampf im Dezember tatsächlich Billy Joe Saunders und im Frühjahr 2017 Rosado oder Monroe ins Visier nehmen. Da der Ruf immer lauter erschallt, "Canelo" solle sich endlich Gennadi Golowkin stellen oder wenigstens gegen andere gefährliche Kontrahenten dieser Gewichtsregion antreten, steht bei diesen strategischen Überlegungen mehr auf dem Spiel als nur eine möglicherweise ernüchternde Quote bei der Fernsehübertragung.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17339725/gabriel-rosado-willie-monroe-jr-fight-canelo-alvarez-pay-per-view-card-co-feature

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/08/rosado-monroe/#more-215095

25. August 2016


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