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MELDUNG/2065: 100 Millionen Chinesen sahen den Auftritt ihres Idols (SB)


Zou Shiming neuer WBO-Weltmeister im Fliegengewicht


Wer ist Zou Shiming? Hierzulande völlig unbekannt, gilt der neue WBO-Weltmeister im Fliegengewicht trotz seines Titelgewinns in Las Vegas auch in den USA als unbeschriebenes Blatt. Ganz anders in China, wo nahezu 100 Millionen Zuschauer den Auftritt ihres Helden am Fernsehgerät verfolgt und gefeiert haben dürften, wie Promoter Bob Arum schätzt. Er hatte in strategischer Weitsicht den Kampf um den vakanten Titel im Vorprogramm Manny Pacquiaos plaziert und zum Auftakt der Übertragung im Pay-TV angeboten, was sich als weise und einträgliche Entscheidung erwies. Der 35jährige Zou setzte sich einstimmig nach Punkten gegen Prasitsak Phaprom durch und wurde damit erstmals Champion im Profilager. Von den 16 Boxern, die Arum an diesem Abend in der Spielerstadt präsentierte, stammten elf nicht aus den USA, wobei zwei aus China kamen. Damit trug der 84 Jahre alte Promoter dem wachsenden Interesse am Boxsport in aller Welt und insbesondere in China Rechnung, das angesichts der ungeheuren Zahl potentieller Zuschauer enorme Vermarktungsmöglichkeiten verspricht.

Zou Shiming kann auf eine überaus erfolgreiche Amateurlaufbahn zurückblicken, gewann er doch Bronze in Athen (2004) sowie Gold in Beijing (2008) und London (2012), wobei ihn vor allem der Olympiasieg vor heimischem Publikum zum Idol seiner Landsleute aufsteigen ließ. Er gehört aber nicht nur zu den populärsten Sportlern in China, sondern trat auch in einer beliebten Reality-Show auf, deren Folgen jeweils etwa 75 Millionen Zuschauer sahen. In einem Land von 1,4 Milliarden Menschen ist das eine ansehnliche Quote, aus europäischer oder US-amerikanischer Perspektive mutet die Zahl natürlich astronomisch an. Und damit nicht genug, ist der frischgebackene Profiweltmeister mit Yingying Ran verheiratet, die früher eine der bekanntesten Fernsehmoderatorinnen ihres Landes war.

Bob Arum dürfte daher den Mund nicht zu voll nehmen, wenn er von einem der erfolgreichsten Amateurboxer spricht, dem eine großartige Profikarriere offenstehe. Zou Shimings Popularität in China suche ihresgleichen, zumal Präsident Xi Jinping ein Boxfan sei und ihn hochschätze. Das will etwas heißen, zieht man die wechselvolle Vorgeschichte dieses Sports in der Volksrepublik in betracht. Der Vorsitzende Mao Zedong hatte Boxen von den ersten Nationalen Spielen 1959 ausgeschlossen, nachdem einige Jahre zuvor ein Boxer nach einem Kampf gestorben war. Es sollte 20 Jahre dauern, bis sich nach Maos Tod erstmals eine Wende abzuzeichnen begann, als Muhammad Ali das Land 1979 besuchte. Er war damals der erste ausländische Sportler, der gemeinsam vom Chinesischen Olympischen Komitee und dem nationalen Sportverband eingeladen worden war, was Alis Bedeutung als Botschafter weit über den Boxsport hinaus unterstreicht. Er traf dabei auch mit Deng Xiaoping zusammen und brachte sein Interesse an einer Wiederbelebung des Boxens in China zum Ausdruck.

Dies war der Auftakt zu einem Dialog, der mit einem weiteren Besuch Alis im Jahr 1985 fortgesetzt wurde. Das Verbot wurde schließlich 1986 offiziell aufgehoben, und chinesische Amateurboxer nahmen 1992 in Barcelona erstmals an Olympischen Spielen teil. Berücksichtigt man, daß Zou Shiming 2004 die erste Medaille in einem olympischen Boxturnier für sein Land gewann, wird die Verehrung verständlich, die ihm in China schon vor seinem ersten Olympiasieg zuteil wurde. Li Sheng, der Präsident des führenden chinesischen Sportvermarkters SECA, bezeichnet Zou zu Recht als Wegbereiter des Boxens in seiner Heimat, wo man nach den Erfolgen im Amateurlager nun auch seine Profikarriere mit großem Interesse verfolge. Um ihn in Las Vegas auf höchstem Niveau zu erleben, seien erstmals 18 chinesische Medien und zahlreiche Fans angereist.

Neben diversen chinesischen Sponsoren war auch Steve Wynn mit im Boot, dessen Unternehmen nicht nur ein bekanntes Casino in Las Vegas, sondern auch Hotels in Macao betreibt. Als Bob Arum seinen größten Star Manny Pacquiao 2013 und 2014 in Macao auftreten ließ, boxte Zou Shiming zwar nur im Vorprogramm, war aber aus Sicht der einheimischen Journalisten und Zuschauer die eigentliche Zugnummer der Veranstaltung. Arum, bei dem man vor drei Jahren angefragt hatte, ob er die Profikarriere dieses Boxers als Promoter in die Hand nehmen könne, erkannte sofort, welche Möglichkeiten sich ihm da eröffneten. Er brachte seinen Neuzugang mit Freddie Roach zusammen, der auch Manny Pacquiao trainiert.

Das hat sich ausgezahlt, konnte Zou Shiming doch seinen Aufstieg im Profilager mit einem ersten Weltmeistergürtel krönen, dem weitere folgen sollen. Kein Wunder, daß Arum und Wynn strahlten und einander mehrfach auf die Schulter klopften, nachdem der Chinese zum neuen Champion ausgerufen worden war. Die Zukunft des Boxsports in China sei überwältigend, denn dort träfen eine riesengroße Bevölkerung und sehr viel Geld in Händen von Unternehmern nun auch mit einem rasant wachsenden Interesse zusammen, diesen Sport im Fernsehen wie auch im Internet zu sehen, so Arum. [1]


Fußnote:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17999768/the-future-boxing-china-very-bright-begins-zou-shiming

10. November 2016


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