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MELDUNG/2083: Vater und Sohn auf Eiertänze abonniert (SB)



Chris Eubank führt Golowkins Namen im Munde

Chris Eubank jun. enttäuschte seine Fangemeinde, als er im September das Angebot ausschlug, sich mit Gennadi Golowkin zu messen. Sein Promoter Eddie Hearn, der die Konditionen mit dem Team des Kasachen ausgehandelt hatte, reichte daraufhin den Kampf zu gleichen Bedingungen an den Weltergewichtler Kell Brook weiter, der sofort zusagte. Wenngleich der 27jährige Eubank inzwischen ins Supermittelgewicht aufgestiegen ist, glaubt er offenbar, das Duell mit Golowkin im kommenden Jahr nachholen zu können. Diese Option sei nach wie vor präsent und werde seines Erachtens 2017 zum Tragen kommen.

Nach Eubanks Version der Ereignisse war es Eddie Hearn, der die Reißleine gezogen hat. Der Promoter habe einen leichten Ausweg gesucht, um Kell Brook den Kampf zuzuschanzen. Die Verhandlungen hätten kurz vor dem Abschluß gestanden, doch sei noch einiges zu klären gewesen, da er und sein Vater nicht alles hinnähmen, was man ihnen vorschreiben wolle: "Wir sind Kämpfer und holen uns, was uns zusteht", erklärte der Brite großspurig. Kell Brook hingegen sei offensichtlich bereit, zu allem ja und amen zu sagen, was Hearn wünsche.

Wenngleich es um Eubanks Glaubwürdigkeit nicht zum besten bestellt ist, seit er Golowkins Namen allenthalben im Munde geführt, dann aber doch einen Rückzieher gemacht hat, bevor es ernst wurde, kann man eine weitere Kehrtwende natürlich nicht restlos ausschließen. Sollte es tatsächlich zu Gesprächen kommen, müßte sich der Brite diesmal allerdings rasch entscheiden. Golowkin und sein Promoter Tom Loeffler dürften kaum geneigt sein, sich von Chris Eubank und seinem gleichnamigen Vater lange hinhalten zu lassen, zumal sie mit deren Verhandlungsgebaren schon Bekanntschaft gemacht haben. Wochenlange Gespräche zu führen, nur um am Ende eine Absage zu bekommen, werden sie sicher kein zweites Mal erleben wollen. Daß Vater und Sohn durchaus zügig zu Werke gehen können, haben die Kämpfe gegen britische Gegner wie Nick Blackwell, Tom Doran und nun auch Renold Quinlan gezeigt, die recht flott ausgehandelt wurden.

Am 4. Februar kämpft Chris Eubank in London gegen Renold Quinlan um den Titel des kleinen Verbands IBO im Supermittelgewicht. Dem gleichaltrigen Australier, für den elf Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, war es am 14. Oktober überraschend gelungen, seinen acht Jahre älteren Landsmann Daniel Geale in der zweiten Runde auf die Bretter zu schicken und sich den vakanten Titel zu sichern. Das war für den bis dahin weithin unbekannten Quinlan ein bemerkenswerter Erfolg, wobei man einschränkend hinzufügen muß, daß er es nicht mehr mit dem Geale früherer Tage zu tun hatte, der vor vier Jahren zu den prominenten Akteuren im Mittelgewicht gehörte.

Daniel Geale erreichte den Höhepunkt seiner Karriere, als er sich mit Siegen über Sebastian Sylvester und Felix Sturm in Deutschland die Titel zweier Verbände gesichert hatte. Der Australier war zwar kein herausragender, aber doch ein sehr guter Mittelgewichtler, bis er frühzeitig gegen Gennadi Golowkin, den Briten Darren Barker nach Punkten und den Puertoricaner Miguel Cotto durch K.o. verlor. Diese drei Niederlagen zeigten seine Grenzen auf und führten ihn auf den absteigenden Ast seiner Karriere, so daß zuletzt wohl sein nach wie vor guter Name größer als sein verbliebenes Können war. Zudem kamen Quinlan sicher auch das Überraschungsmoment und ein frühzeitiger Glückstreffer zugute. Ohne seine Leistung in Abrede zu stellen, rangiert er doch als neuer Weltmeister der IBO abseits des Kerngeschehens.

Wie Chris Eubank erklärt, sehe er die Möglichkeit, sich diesen Gürtel zu sichern, weshalb er in die höhere Gewichtsklasse aufsteige. Es gehe zwar um keinen Titel im Mittelgewicht, aber den eines Weltmeisters, den nach England zurückzuholen eine großartige Sache wäre. So etwas wollten die Leute sehen. Quinlan habe Daniel Geale ausgeschaltet, was von seinen Qualitäten zeuge. Er sei nun Champion, wolle seinen Gürtel um jeden Preis behalten und komme nach England, um ihn mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, redet Eubank seinen nächsten Gegner stark. [1]

Sich den Titel zu holen, dürfte Eubank wohl gelingen, wäre aber für einen Boxer seiner Ambitionen nicht gerade ein Ruhmesblatt. Weder ist der relativ unerfahrene Quinlan ein namhafter Gegner, noch die IBO einer der maßgeblichen Verbände, so daß dieses Manöver eher wie eine Ausflucht oder aber die Konsequenz der Erkenntnis wirkt, daß Gennadi Golowkin und Daniel Jacobs, gegen den Eubank ebenfalls nicht antreten wollte, obgleich er der Pflichtherausforderer war, eine Nummer zu groß für ihn wären.

Golowkin, der am 18. März im Madison Square Garden auf den regulären WBA-Weltmeister Daniel Jacobs trifft und sich Mitte September mit Saul "Canelo" Alvarez messen will, könnte Chris Eubank theoretisch im Sommer dazwischenquetschen, sofern die Verhandlungen unverzögert vonstatten gehen. Das wird jedoch höchstwahrscheinlich nicht geschehen, zumal der Kasache und sein Promoter vorerst mit allzu zähen Gesprächen bedient sein dürften. Es hat geschlagene drei Monate gedauert, bis der vom Verband WBA bereits im September angeordnete Kampf gegen Jacobs endlich unter Dach und Fach war. Für Golowkin ist das eine höchst unerwünschte Zwangspause, da er zu den wenigen Boxern auf höchstem Niveau gehört, die problemlos drei oder gar vier Kämpfe im Jahr bestreiten können und das auch wünschen. Der Kasache ist stets in ausgezeichneter körperlicher Verfassung, trainiert diszipliniert und läßt niemals Konditionsprobleme erkennen. Er hat seit 2008 alle Gegner vorzeitig besiegt, mußte in seiner gesamten Karriere kein einziges Mal zu Boden gehen und wirkte nie schwer angeschlagen, so daß auch in dieser Hinsicht keine längere Erholungspause erforderlich war.

Möglicherweise waren die Gespräche mit Jacobs' Berater Al Haymon sogar schwieriger als es der Kampf selbst sein wird, sofern der New Yorker Lokalmatador nicht über sich hinauswächst und dem Kasachen über eine längere Frist Widerstand leistet. Große Lust, gleich im Anschluß den nächsten Verhandlungsmarathon zu riskieren, dürften Golowkin und Loeffler ganz gewiß nicht haben, zumal die Diskrepanz zwischen den Worten und Taten der Familie Eubank unübersehbar ist. Beide haben sich in der Vergangenheit zu der Behauptung verstiegen, sie hätten die Schwächen des Kasachen identifiziert und verfügten über die Mittel, sich das zunutze zu machen. Daß sie weder das eine noch das andere näher ausführen konnten oder wollten, erstaunt nicht.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/12/eubank-jr-says-golovkin-fight-will-happen-2017/#more-224080

30. Dezember 2016


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