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MELDUNG/2100: Hoffnung ist ein trügerischer Ratgeber (SB)



David Price trifft in London auf Christian Hammer

Am kommenden Samstag will der britische Schwergewichtler David Price mit einem Sieg über den in Hamburg lebenden gebürtigen Rumänen Christian Hammer seine Ambitionen auf einen Titelkampf unterstreichen. Der Kampf geht im Londoner Olympia als Teil des Vorprogramms über die Bühne, wo der Supermittelgewichtler Renold Quinlan den Titel des kleinen Verbands IBO gegen Chris Eubank jun. verteidigt. Der 33jährige Price wird mit einer Bilanz von 21 Siegen und drei Niederlagen bei den Verbänden WBO (6), IBF (10), WBA (13) und WBC (14) an nicht sonderlich aussichtsreichen Positionen der Rangliste geführt. Sein vier Jahre jüngerer Gegner, der 20 Auftritte gewonnen und vier verloren hat, ist die aktuelle Nummer 12 bei der WBO.

Price kann sich eine Niederlage nicht leisten, will er weiter im Rennen um einen Kampf gegen WBO-Weltmeister Joseph Parker aus Neuseeland oder den britischen IBF-Champion Anthony Joshua bleiben. Der Liverpooler war im Herbst zeitweise als Herausforderer Joshuas im Gespräch, gegen den er zwar kaum gewinnen, aber gutes Geld verdienen könnte. Unterliegt er Christian Hammer, muß er wohl das Ende seiner durchwachsenen Karriere in Erwägung ziehen. Das gälte jedenfalls im Falle einer vorzeitigen Niederlage, da er in den letzten vier Jahren schon zweimal von Tony Thompson und einmal von Erkan Teper auf die Bretter geschickt worden ist.

Wenngleich der beim Berliner Promoter Sauerland Event unter Vertrag stehende David Price mit einer Größe von 2,03 m von imposanter Statur ist, verfügt er nicht über entsprechende Nehmerqualitäten. Thompson, der nicht gerade als Schwergewichtler mit einer gefürchteten Schlagwirkung bekannt war, besiegte den Briten zweimal in Folge vor dessen Heimpublikum in Liverpool durch einen frühen Niederschlag. Christian Hammer aus dem Team des Hamburger Promoters Erol Ceylan dürfte in der Lage sein, noch etwas gehaltvoller als Thompson zuzuschlagen, so daß seine Aussichten nicht schlecht stehen, dem Kontrahenten mit einem Volltreffer seiner Rechten das Nachsehen zu geben. Zudem ist dem Hamburger natürlich bekannt, wie schnell man den Riesen von den Beinen holen kann.

Da Hammer mit einer Größe von 1,88 m deutlich kleiner ist, wird Price darauf bedacht sein, den Gegner nicht an sich herankommen zu lassen. Der Hamburger kann jedoch eine Menge einstecken, was seine Chancen erhöht, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Wollte man einen indirekten Vergleich zu Rate ziehen, bietet sich Erkan Teper an, wenngleich mit gewissen Einschränkungen. In einem Kampf um die vakante Europameisterschaft machte dieser mit Price kurzen Prozeß, der von Beginn an in akuter Bedrängnis war und in der zweiten Runde nach einem schweren Niederschlag die Segel streichen mußte. Hammer hat sich hingegen zuletzt gegen Teper durchgesetzt, der freilich in sichtlich schlechterer körperlicher Verfassung als gegen Price in den Ring stieg. Der Hamburger steckte die wuchtigen Treffer Tepers weg und kam in der zweiten Hälfte des Kampfs im besser zum Zuge, so daß er am Ende knapp nach Punkten gewann.

Vor zwei Jahren schien Christian Hammer auf dem absteigenden Ast zu sein, als er sich nach einer enttäuschenden Vorstellung dem Briten Tyson Fury in der achten Runde geschlagen geben mußte. Es folgten jedoch Siege über Sherman Williams, Michael Sprott und zuletzt Erkan Teper, die zwar nicht in der höchsten Liga boxen, aber robuste und erfahrene Schwergewichtler sind. Hammer demonstrierte bei diesen Erfolgen, daß er für einen Boxer seiner massiven Statur auch über gute technische Fertigkeiten verfügt.

David Price hat 2015 frühzeitig gegen Erkan Teper verloren und seither Ivica Perkovic und Vaclav Pejsar besiegt, zwei weithin unbekannte Aufbaugegner. Wenngleich der Brite dank dieser recht leichten Erfolge Selbstvertrauen gefaßt hat und der Auffassung ist, er habe sich deutlich verbessert, sind Zweifel geboten. Um einen neuen Anlauf zu nehmen, hat ihn sein Promoter auf ein sehr niedriges Niveau geführt, das keinen Aufschluß darüber gibt, ob sich Price auch gegen erheblich stärkere Kontrahenten durchsetzen kann. [1]

Obzwar man grundsätzlich darüber streiten kann, womit David Price seine recht gute Plazierung in der WBO-Rangliste eigentlich verdient hat, würde er im Falle eines Sieges über Christian Hammer weiter nach vorn rücken. Selbst dann stellte sich die Frage, ob nicht eine ganze Reihe stärker einzuschätzender Kandidaten eher in den Genuß eines Titelkampfs kommen sollte. Gegen Joseph Parker stünde Price auf verlorenem Posten, doch da der Neuseeländer derzeit mit Hughie Fury verhandelt, wäre in absehbarer Zeit ein Wechsel an der Spitze der WBO zumindest theoretisch möglich. Kann Fury gegen Parker gewinnen, zumal der Kampf voraussichtlich in der Heimat des Weltmeisters ausgetragen würde? Da der Brite nicht mithalten könnte, was die Schlagwirkung betrifft, müßte er sich dem Champion ständig entziehen und dennoch punkten. Das mutet recht aussichtslos an, sofern der Lokalmatador den Kampf nicht gerade verschläft.

David Price hätte vielleicht eine Chance gegen Hughie Fury, doch weder gegen Parker noch Joshua. Und sollte der Neuseeländer einen Vereinigungskampf gegen Anthony Joshua oder den WBC-Weltmeister Deontay Wilder anstreben und verlieren, könnte der Liverpooler den Gürtel der WBO endgültig abschreiben. Nach Lage der Dinge kann er im Grunde nur hoffen, daß einer der Weltmeister einen physisch präsentablen, aber leicht zu besiegenden Herausforderer sucht und dabei auf ihn verfällt. Doch selbst das bleibt vorerst pure Spekulation, da Christian Hammer nichts unversucht lassen wird, dem Briten einen Strich durch die Rechnung zu machen und sich selber für anspruchsvollere Aufgaben zu empfehlen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/01/david-price-vs-christian-hammer-saturday/#more-226166

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/01/david-price-vs-christian-hammer-feb-4/

1. Februar 2017


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