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Billy Joe Saunders will sich angeblich Gennadi Golowkin stellen

Der in 24 Kämpfen ungeschlagene Billy Joe Saunders ist WBO-Champion im Mittelgewicht. Damit hat der 27jährige Brite den letzten Titel in seinem Besitz, der Gennadi Golowkin noch zur Komplettierung seiner Gürtelsammlung in dieser Gewichtsklasse fehlt. Im vergangenen Jahr hatte Saunders mitten in den Verhandlungen mit dem Team des Kasachen kalte Füße bekommen und die Gespräche über einen geplanten Kampf platzen lassen, indem er mit maßlos überzogenen Börsenforderungen nachlegte. Nachdem Golowkin am letzten Wochenende gegen Daniel Jacobs nach Punkten gewonnen hatte und dabei erstmals seit 2008 wieder über die volle Distanz gehen mußte, hält der Brite offenbar den Zeitpunkt für gekommen, sich mit dem vermeintlich nachlassenden Rivalen messen zu können. Da der Brite in der Vergangenheit jedoch schon des öfteren große Töne gespuckt, aber einen Rückzieher gemacht hat, sobald es ernst wurde, kann man nicht ausschließen, daß sich auch seine jüngsten Aussagen als bloßer Theaterdonner erweisen werden.

Wie Billy Joe Saunders nun verkündet, sei er bereit, am 10. Juni in Kasachstan gegen den in 37 Auftritten unbezwungenen Golowkin anzutreten, weil der 35jährige "Triple G" sichtlich gealtert sei. Der Brite legt plötzlich große Eile an den Tag und besteht darauf, daß die Verträge rasch unterzeichnet werden müßten, damit ihm genug Zeit bleibe, ein volles Trainingslager zu absolvieren. Sollte das nicht möglich sein, werde er nicht länger warten und sich einen anderen Gegner suchen. Davon abgesehen, daß das nach der nächsten Hintertür klingt, die sich der Brite offenhält, hat er in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade durch häufige Präsenz im Ring geglänzt. Nach seinem Titelgewinn gegen Andy Lee Ende 2015 legte er eine lange Pause von zwölf Monaten ein, bis er sich schließlich im Dezember 2016 nur mühsam und umstritten gegen den als handverlesenen Gegner eingeschätzten Artur Akavow durchsetzen konnte. Von einer Regentschaft des WBO-Weltmeisters, die diesen Namen verdient, kann daher kaum die Rede sein.

Golowkin werde alt und habe sich im Kampf gegen Jacobs als Boxer aus Fleisch und Blut erwiesen, der wie jeder andere zu besiegen sei, macht sich Saunders Mut. Da der Kasache unbedingt gegen ihn antreten wolle, erkläre er sich dazu bereit, werde ihm aber einen Alptraum bereiten. Er werde alles tun, worum ihn sein Promoter Frank Warren bitte, und habe keine Probleme damit, nach Kasachstan zu reisen. Falls Golowkin diesen Kampf tatsächlich anstrebe, solle er umgehend den Vertrag schicken. Dessen Promoter Tom Loeffler habe ihm per Twitter versichert, daß alles bereit sei. Er gebe jedenfalls den Fans sein Wort, daß er in elf Wochen auf Golowkin treffen und ihn vom Thron des Mittelgewichts stoßen wolle.

Daniel Jacobs habe gut gekämpft und Golowkin an den Rand einer Niederlage gebracht, so der Brite. Er selbst werde es noch besser machen und diesem Gegner dank seiner technischen Qualitäten jede Menge Probleme bereiten. Auf diese Weise wolle er die Pläne des Kasachen durchkreuzen, sich des WBO-Titels zu bemächtigen, und ihn statt dessen erstmals in seiner Karriere geschlagen in die Kabine schicken. Dieser Sieg werde ihn auf eine höhere Ebene katapultieren und ihm alle Türen öffnen. [1]

Saunders reiht sich mit seiner Einschätzung in den Chor kritischer Stimmen ein, die Gennadi Golowkin für entzaubert erklären. Man hält ihm vor, nicht genug Druck gemacht zu haben, um Jacobs vorzeitig zu besiegen. Dieser behauptet sogar, er sei der bessere Boxer gewesen, doch in der Wertung benachteiligt worden, weil der Kasache wegen des geplanten Kampfs gegen "Canelo" Alvarez favorisiert werde. Wenn sich der New Yorker schon von diversen seriösen Experten nicht sagen läßt, daß Golowkin durchweg der Angreifer gewesen sei, ihn in der vierten Runde niedergeschlagen und in der elften erneut schwer in Bedrängnis gebracht habe, sollte er wenigstens die Statistik von CompuBox nicht in den Wind schlagen. Dieser weithin anerkannten Registrierung zufolge hat Golowkin von 615 Schlägen 231 ins Ziel gebracht (38 Prozent), während Jacobs bei 541 Versuchen 175 Treffer gelandet hatte (32 Prozent). Sämtliche Daten sprechen also für den Kasachen, der völlig zu Recht zum einstimmigen Punktsieger erklärt worden war. [2]

Daß Daniel Jacobs bislang als die Nummer zwei im Mittelgewicht gehandelt worden war, dürfte Golowkin dazu bewogen haben, mit Umsicht zu Werke zu gehen und nicht mit aller Macht auf einen frühen Sieg zu drängen. Er arbeitete fleißig mit dem Jab, schlug eher selten mit voller Wucht zu und ließ Jacobs vom Haken, als dieser am Boden gelegen hatte. Zugleich war der New Yorker dank seiner Beweglichkeit schwer zu treffen, so daß es dem Favoriten nicht möglich war, seine Serie vorzeitiger Erfolge auszubauen. Daraus abzuleiten, er sei in die Jahre gekommen und habe seine gefürchtete Schlagwirkung eingebüßt, entbehrt jeder Grundlage, scheint aber etlichen Kritikern und Konkurrenten wie Saunders einzuleuchten.

Der zur Selbstüberschätzung neigende Brite ist sich zwar bewußt, daß viele Leute nur darauf warten, daß Golowkin ihn auf die Bretter schickt, hält sich aber für gut genug, das Gegenteil zu bewerkstelligen. Man werde ja sehen, wer der Bessere ist, gibt sich Saunders fest entschlossen, einen Kampf auf Biegen oder Brechen zu liefern, und sei es auch im fernen Kasachstan. Sollten die Verträge jedoch nicht bis Ende der Woche unter Dach und Fach sein, brauche man nicht mehr mit ihm zu rechnen. Geschäft sei eben Geschäft, und er habe nicht vor, weitere Wochen abzuwarten.

Zumindest scheint es der Brite nicht darauf anzulegen, wie Daniel Jacobs die Verhandlungen in die Länge zu ziehen. Da die WBA den New Yorker zum Pflichtherausforderer erklärt hatte, blieb Golowkin keine andere Wahl, als sich monatelang in Geduld zu üben. Hätte er einen anderen Gegner vorgezogen, wäre ihm wohl der Titel aberkannt worden. Was eine mögliche Revanche betrifft, die Golowkin prinzipiell zugesagt hat, kommt Jacobs nicht sofort an die Reihe, zumal er nun kein Druckmittel mehr hat.

Es wäre Gennadi Golowkin zu wünschen, daß Billy Joe Saunders endlich hält, was er verspricht, und den Kampf um die Zusammenführung sämtlicher Titel nicht länger verweigert. Sollte der Brite abermals das Weite suchen und seinen Gürtel anderswo verlieren, sänken die Aussichten des Kasachen, sich die Trophäe zu sichern. Der denkbar ungünstigste Fall wäre ein Sieg "Canelos" über Saunders, worauf der Mexikaner den WBO-Titel auf Jahre hinaus blockieren könnte. Wenngleich ein spektakuläres Duell zwischen ihm und Golowkin im September nach wie vor im Gespräch ist, steht doch zu befürchten, daß Alvarez und sein Promoter Oscar de la Hoya so lange warten wollen, bis der Kasache tatsächlich mit nachlassenden physischen Möglichkeiten einer langen Karriere Tribut zollen muß.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/03/gennady-golovkin-vs-billy-joe-saunders/#more-230624

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/03/golovkin-threw-landed-punches-jacobs/#more-230598

21. März 2017


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