Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2141: Wiederauferstehung der Oldtimer ins Wasser gefallen (SB)



Titelkampf zwischen Shannon Briggs und Fres Oquendo geplatzt

Der für den 3. Juni geplante Kampf zwischen Shannon Briggs und Fres Oquendo um den regulären Titel der WBA im Schwergewicht fällt ins Wasser. Nach Angaben Dan Rafaels von ESPN wurde Briggs bei einer Dopingkontrolle positiv auf einen deutlich erhöhten Testosteronspiegel getestet. Einem Schreiben Dr. Margaret Goodmans, Präsidentin der Voluntary Anti-Doping Association (VADA) in Las Vegas, zufolge, wurden in der am 14. Mai in Hollywood, Florida, gezogenen A-Probe des Boxers bei der zwei Tage später erfolgten Analyse ungewöhnliche Werte festgestellt. Briggs hat das Recht, eine Öffnung der B-Probe zu verlangen, doch gilt als höchst unwahrscheinlich, daß dabei ein anderes Ergebnis zustande kommt. Ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will, ist vorerst nicht bekannt. [1]

Da sein Promoter, The Heavyweight Factory, bislang nicht in der Lage gewesen war, einen Fernsehvertrag für die Übertragung abzuschließen, hätte der Kampf vermutlich ohnehin auf unbestimmte Zeit verschoben werden müssen. Die jüngste Wendung ist dennoch ein tragisch zu nennender Tiefschlag für beide Boxer, da dies ihre letzte Gelegenheit gewesen sein könnte, noch einmal um einen Titel kämpfen zu dürfen, und sei es auch nur die zweitrangige Trophäe der WBA, die den Briten Anthony Joshua seit dem Sieg über Wladimir Klitschko als ihren Superchampion im Schwergewicht führt. Daß Briggs (45) und Oquendo (44), die zusammen 89 Lebensjahre in den Ring gebracht hätten, überhaupt noch einmal in Titelnähe gekommen waren, konnte man schon als ein kleines Wunder bezeichnen. Ihre beste Zeit liegt mehr als zehn Jahre zurück, Briggs hat am 21. Mai 2016, Oquendo im Juli 2014 seinen letzten Kampf bestritten. [2]

Die leidige und verwirrende Existenz eines zweiten Weltmeistergürtels der WBA, dessen Bedeutung außer Experten ohnehin kein Mensch versteht, verdankt sich in erster Linie dem Interesse des Verbands, bei Titelkämpfen einen prozentualen Anteil der Börse abzukassieren. Von einer ernstzunehmenden Trophäe konnte man allenfalls dann sprechen, wenn sie ein hochklassiger Akteur wie etwa der Russe Alexander Powetkin in seinem Besitz hatte. Glück hat dieser Titel in den letzten Jahren keinem seiner Träger gebracht: Ruslan Tschagajew verlor ihn an den Australier Lucas Browne, der im vergangenen Jahr durch einen Dopingtest fiel und den Gürtel wieder abgeben mußte. Briggs, der sich Hoffnungen gemacht hatte, durch einen Sieg über Oquendo einen weitaus höherwertigen und viel lukrativeren Kampf gegen Anthony Joshua zu bekommen, ist nun ebenfalls an der Dopinghürde gescheitert.

Für den in Chicago lebenden Puertoricaner Fres Oquendo stehen 37 gewonnene und acht verlorene Auftritte zu Buche. Er war ehemals ein gefragter Schwergewichtler, der mit diversen namhaften Gegnern im Ring gestanden, dabei allerdings meist den kürzeren gezogen hat. Im Juli 2014 kämpfte er in der tschetschenischen Metrople Grosny gegen Ruslan Tschagajew um den vakanten Titel, mußte sich aber nach Punkten geschlagen geben. Der anschließende Streit, ob dabei alles mit rechten Dingen zugegangen sei, führte schließlich zu einem Gerichtsurteil zugunsten Oquendos, das ihm den Anspruch auf einen erneuten Titelkampf zusprach. Davon konnte er jedoch zunächst keinen Gebrauch machen, da ihn 2015 eine Operation an der Schulter außer Gefecht setzte. Die merkwürdige Situation, daß er trotz dreijähriger Untätigkeit um den regulären WBA-Titel kämpfen sollte, verdankt sich allein seinem noch immer gültigen Rechtsanspruch gegenüber dem Verband.

Da Briggs nun nicht mehr im Rennen ist, stellt sich für den Puertoricaner die Frage, wie weiter zu verfahren sei. Ob er sich einen Aufbaukampf leisten kann, ist insofern ungewiß, als er im Falle einer Niederlage Gefahr liefe, seinen Anspruch zu verlieren. Niemand weiß, wie es um seine Physis bestellt ist, doch scheint die naheliegendste Option für ihn zu sein, solange abzuwarten, bis die WBA einen neuen Gegner nominiert hat, der mit ihm um den vakanten Titel kämpfen soll.

Der aus Brooklyn stammende und in Südflorida ansässige Shannon Briggs kann mit 60 Siegen, sechs Niederlagen sowie einem Unentschieden aufwarten. Er hatte vor elf Jahren den WBO-Titel auf spektakuläre Weise gewonnen, als er 2006 nach Punkten im Rückstand liegend den Weißrussen Sergej Liachowitsch in den letzten Sekunden der zwölften Runde mit einem Volltreffer durch die Seile schlug. Seine kurze Regentschaft als Weltmeister endete bereits bei der ersten Titelverteidigung, da er Sultan Ibragimow einstimmig nach Punkten unterlag. Dieser konnte sich zwar im Oktober 2007 gegen den alternden Evander Holyfield durchsetzen, mußte den Gürtel dann aber im Februar 2008 an Wladimir Klitschko abtreten.

Seine letzte Sternstunde erlebte Briggs 2010 im Kampf gegen Vitali Klitschko, der ihn zwar fürchterlich vermöbelte, aber nicht auf die Bretter schicken konnte, obgleich sich der Herausforderer einen Riß am Bizeps zugezogen hatte. Dieser tapfere Auftritt trug ihm große Sympathien beim deutschen Publikum ein, worauf er sich später als Stalker Wladimir Klitschkos in Szene setzte, bis dieser sich nicht mehr ganz abgeneigt zeigte, dem vorgeblich lästigen Verfolger eine Chance zu geben. Als daraus nichts wurde, wandte sich Briggs der britischen Szene zu, wo er nach demselben Muster verfuhr, um sich bekannt zu machen und darüber ins Geschäft mit einem namhaften Gegner zu bringen.

Seit seinem Comeback im Jahr 2014 hat er sich darauf verlegt, weithin unbekannte Kontrahenten auszusuchen und sie in der ersten oder zweiten Runde mit Körpertreffern niederzuschlagen. So fuhr er neun schnelle Siege ein und hängte sich schließlich an David Haye, der ebenfalls nach mehrjähriger Pause in den Ring zurückgekehrt war. Im Mai 2016 trat Briggs sogar im Vorprogramm des Briten an, der ihm für diesen Fall einen Kampf in Aussicht gestellt hatte. Der US-Amerikaner machte mit Emilio Ezequiel Zarate kurzen Prozeß und unterstrich dabei, welchen Dampf er noch immer in den Fäusten hat. Haye überlegte es sich jedoch anders und zog einen Kampf gegen seinen Landsmann Tony Bellew vor, dem er überraschend aufgrund einer Verletzung an der rechten Achillessehne unterlag.

Briggs, der seither keinen Kampf mehr bestritten hat, steht nun vor einer ungewissen Zukunft. Selbst wenn die zu erwartende Sperre nicht allzu lang ausfallen sollte, ist ein erneuter jahrelanger Anlauf in seinem Alter kaum noch eine Option. Er hat sich in den zurückliegenden Jahren auf schlitzohrige Weise und unkonventionellen Wegen nach oben geredet, geschauspielert und geboxt, bis er für manche Verbände und einige namhafte Gegner wieder ein Thema war. Sollte all diese Mühe, den brachialen Trampel und bisweilen auch schillernden Paradiesvogel abzugeben, am Ende vergebens gewesen sein?


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19431643/shannon-briggs-tests-positive-increased-testosterone-level-fres-oquendo-fight-canceled

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/05/shannon-briggs-tests-positive/#more-235147

23. Mai 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang