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MELDUNG/2154: Kannibalisierende Terminkriege (SB)



Kampf zwischen "GGG" und "Canelo" nahezu ausverkauft

Für den Kampf zwischen Gennadi Golowkin und Saul "Canelo" Alvarez, der am 16. September in der T-Mobile Arena in Las Vegas ausgetragen wird, sind bereits 21.000 Eintrittskarten verkauft und die restlichen 3000 dürften binnen weniger Tage ebenfalls einen Abnehmer gefunden haben. Mit Preisen zwischen 300 und 5000 US-Dollar ist das herausragende Duell des Jahres um die Vorherrschaft im Mittelgewicht ein Sportereignis, das zu besuchen sich erhebliche Teile der Bevölkerung nicht leisten können. "Canelos" Promoter Oscar de la Hoya hätte sich auch für das 90.000 Zuschauer fassende AT&T Stadium in Arlington entscheiden können, wo Alvarez im letzten September vor 51.000 Fans die Oberhand gegen den in den USA weithin unbekannten WBO-Champion im Halbmittelgewicht, Liam Smith, behielt. Das läßt darauf schließen, daß die riesige Arena im Falle eines so populären Kontrahenten wie Golowkin ausverkauft wäre. Solche Dimensionen wurden in den letzten Jahren nur im Londoner Wembley-Stadion erreicht.

Wie die Titelverteidigung des Weltmeisters aller Verbände im Mittelgewicht mit Ausnahme der WBO gegen den namhaften Mexikaner beim Sender HBO im Pay-TV abschneidet, steht auf einem ganz anderen Blatt. Seit Floyd Mayweather und Connor McGregor beschlossen haben, am 26. August ebenfalls in Las Vegas gegeneinander anzutreten, ist bei dem nur drei Wochen später stattfindenden Titelkampf mit erheblichen Einbußen zu rechnen. De la Hoya hatte der Spielerstadt mit der Begründung den Zuschlag gegeben, dort böten sich den Gästen vielfältigere Unterhaltungsmöglichkeiten im Umfeld des Boxkampfs. Das maßgebliche Motiv dürfte indessen die Absicht gewesen sein, den Termin Mitte September vor Mayweather zu besetzen, der nirgendwo anders in den Ring steigen würde. Nun hat der Lokalmatador den Spieß umgedreht und sich kurzerhand vor die Konkurrenz gesetzt, der er damit das Wasser abgräbt.

Wer Mayweather und den UFC-Star McGregor bei Showtime sehen will, muß dafür bis zu 100 Dollar investieren. Da die Verkaufszahlen bei Pay-TV-Angeboten in allzu kurzem Abstand erfahrungsgemäß einbrechen, wird der Machtkampf um das zahlende Publikum auch in diesem Fall kannibalisierende Folgen zeitigen. Ob Floyd Mayweather mit diesem Coup die gewaltigen Einkünfte generieren kann, die er für seine eigene Riesenbörse und einen gehörigen Anteil für den Iren benötigt, ist ungewiß. Der US-Amerikaner hat seine Karriere eigentlich schon vor zwei Jahren beendet, McGregor noch nie einen regulären Boxkampf ausgetragen. Der populärste Akteur der Mixed Martial Arts hat allerdings bei seinen letzten vier Auftritten jeweils mindestens eine Million Buchungen im Bezahlfernsehen eingefahren, weshalb man davon ausgehen kann, daß sich zumindest die UFC-Fans das Spektakel nicht entgehen lassen werden.

"Canelo" kann eine gewaltige Fangemeinde mobilisieren, liegt aber dennoch im Pay-TV mehr oder minder deutlich unter einer Million Buchungen. Golowkin ist erst auf dem Weg dahin, ein Star des Bezahlfernsehens zu werden, da er sich als Kasache mangels natürlicher Anhängerschaft in den USA ausschließlich dank seines außergewöhnlichen Könnens den Weg nach oben bahnen mußte. Zusammen mit Alvarez hätte er vermutlich den mit Abstand besten finanziellen Schnitt des Jahres machen können, wäre ihnen nicht "Money" Mayweather in die Quere gekommen.

In sportlicher Hinsicht ist "Canelos" kommender Kampf weitaus höher als sein letzter gegen Julio Cesar Chavez jun. einzuschätzen, den er am 6. Mai in der T-Mobile Arena problemlos nach Punkten besiegte. Um die vereinbarte Gewichtsgrenze nicht zu überschreiten, mußte Chavez während der Vorbereitung derart viel abnehmen und vor dem Wiegen so rigoros abkochen, daß er im Ring ausgelaugt und geschwächt wirkte. Nach diesem Prinzip hatte Saul Alvarez in der Vergangenheit schon gegen Alfredo Angulo und James Kirkland die Oberhand behalten. Man könnte Oscar de Hoya insofern ein meisterhaftes Geschick attestieren, sein Zugpferd um alle Klippen herumzusteuern und von gefährlichen Gegnern fernzuhalten.

Zwei Jahre lang gingen sie Gennadi Golowkin unter den abenteuerlichsten Ausflüchten aus dem Weg, bis er bei seinen Siegen über Kell Brook in London und Daniel Jacobs in New York nicht mehr ganz so unschlagbar wie vordem wirkte. Fest steht, daß er ohne diese vielfach ventilierten Spekulationen über einen allmählich einsetzenden Alterungsprozeß "Canelo" nicht vor die Fäuste bekommen hätte. Bei den Buchmachern wird "GGG" dennoch als Favorit gehandelt, was sich aber rasch ändern kann, da die Gunst des Publikums ausgesprochen wetterwendisch auf alle erdenklichen aktuellen Trends und Ereignisse zu reagieren pflegt.

Seit der Niederlage gegen Floyd Mayweather im Jahr 2013 ist "Canelo" in seinen folgenden sieben Kämpfen nie mehr als Außenseiter angetreten. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß mit Ausnahme des Kubaners Erislandy Lara stets Gegner mit körperlichen oder boxerischen Nachteilen ausgewählt wurden. Auf diese Weise baute er seine Bilanz auf 49 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden aus und blieb im Rennen um die Vorherrschaft in dieser Gewichtsregion, aber zugleich den unanfechtbaren Beweis schuldig, sich gegen die allerbesten Rivalen wie die Zwillingsbrüder Jermall und Jermell Charlo, Demetrius Andrade, Daniel Jacobs und insbesondere Gennadi Golowkin durchsetzen zu können. [1]

Trifft Golowkins Trainer Abel Sanchez mit seiner Prognose ins Schwarze, wird der Kasache am 16. September in 38 Kämpfen ungeschlagen bleiben und "Canelo" die erste vorzeitige Niederlage beziehen. Wenngleich es etliche Runden dauern werde, verfüge Gennadi über die nötige Schlagwirkung, um den Herausforderer auf die Bretter zu schicken. Diese Vorhersage ist nicht aus der Luft gegriffen, da der Mexikaner zwar sehr schnell schlägt und ein ausgezeichneter Konterboxer ist, aber noch nie einen so gefährlichen Kontrahenten vor den Fäusten hatte, der nicht erheblich kleiner wie Miguel Cotto oder defensiv schwach wie James Kirkland war. [2]

Golowkin mußte in seiner Karriere noch nie zu Boden gehen und kann sehr viel einstecken, ohne deswegen zurückzuweichen. So bleibt nur zu hoffen, daß auch "Canelo" mitboxt und sich nicht durch Fluchtmanöver oder Klammern aus der Affäre zu ziehen versucht. Zumindest hat der Mexikaner versprochen, er werde den Fans eine großartige Vorstellung bieten, und da es sich um einen Prestigekampf erster Güte handelt, wird er wohl versuchen, seinen Worten auch Taten folgen zu lassen. Nach den überaus kontroversen Entscheidungen in den jüngsten Kämpfen zwischen Andre Ward und Sergej Kowaljow wie auch Manny Pacquiao und Jeff Horn wäre ein erneuter Ausgang mit bitterem Beigeschmack ein regelrechter Tiefschlag für die Branche. Sollte es eng werden, hat der populäre Saul Alvarez im Zweifelsfall wie schon gegen Austin Trout und Erislandy Lara im Falle einer Punktwertung höchstwahrscheinlich die besseren Karten. Daher wäre Gennadi Golowkin gut beraten, das Urteil nicht den Punktrichtern zu überlassen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/07/canelo-vs-ggg-tickets/#more-238023

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/07/sanchez-ggg-will-stop-canelo-later-rounds/#more-237935

7. Juli 2017


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