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MELDUNG/2206: Prestigekampf im Turnierformat (SB)



George Groves trifft in Manchester auf Chris Eubank

Der Brite George Groves verteidigt den Titel des Verbands WBA im Supermittelgewicht am 17. Februar 2018 in der Manchester Arena gegen seinen Landsmann Chris Eubank. Dieses Duell ist zugleich einer der beiden Halbfinalkämpfe in der World Boxing Super Series, einem hochdotierten Turnier, das parallel dazu auch im Cruisergewicht ausgetragen wird. Angesichts des Veranstaltungsortes drängt sich die Frage auf, warum nicht in London geboxt wird, wo der Weltmeister zu Hause ist und ursprünglich in einem Fußballstadion auftreten wollte. Vermutlich waren alle geeigneten Großarenen, die viele Monate im Voraus gebucht werden müssen, schlichtweg besetzt. Nicht ganz auszuschließen ist aber auch eine Art Psychokrieg aus dem Hause Eubank, da Groves keine guten Erinnerungen mit Manchester verbindet. Doch davon später mehr.

Der 29jährige George Groves ist im Turnier an Nummer eins gesetzt und wird als Favorit auf den letztendlichen Finalsieg im Mai 2018 gehandelt. Chris Eubank gilt jedoch als sein gefährlichster Rivale, so daß es in Manchester zum vorgezogenen Höhepunkt der Serie kommen könnte, falls beide den in sie gesetzten Erwartungen gerecht werden. Die Kontrahenten kennen einander aus früheren Sparringssequenzen, die allerdings schon geraume Zeit zurückliegen und daher wenig Aufschluß darüber geben, wie es um ihr heutiges Können bestellt ist. Vor allem der ein Jahr jüngere Eubank hat sich seither verbessert, doch in welchem Maße, harrt nach wie vor einer Antwort.

Daß schwer zu sagen ist, wo Chris Eubank derzeit eingestuft werden kann, liegt vor allem daran, daß er in seiner Karriere nur einem einzigen wirklich gefährlichen Gegner gegenübergestanden hat, nämlich Billy Joe Saunders im Jahr 2014. Damals bezog Eubank, der 26 Kämpfe gewonnen hat, seine einzige Niederlage. Er sieht gut aus, solange man ihm handverlesene Kontrahenten vorsetzt, macht aber einen Rückzieher, wenn es ernst wird. So hätte er im vergangenen Jahr einen Titelkampf im Mittelgewicht gegen Gennadi Golowkin bekommen können, der wie so oft auf Gegnersuche und bereit war, sich mit dem Briten zu messen. Überdies ließ Eubank auch den Anspruch verfallen, gegen Daniel Jacobs anzutreten, der damals noch regulärer WBA-Weltmeister war und damit gleich hinter dem Kasachen rangierte, den dieser Verband als seinen Superchampion führt. Statt mit einem der beiden besten und prominentesten Akteure in den Ring zu steigen, kehrte Eubank auf die nationale Ebene zurück, um dort leichte Siege einzufahren. Man kann wohl davon ausgehen, daß sein gleichnamiger Vater und Manager den Kurswechsel veranlaßt hat, weil ihm klar sein mußte, daß sein Sprößling in beiden Fällen eine verheerende Niederlage bezogen hätte.

George Groves ist vor vier Jahren zum letzten Mal in Manchester aufgetreten. Damals war er ein hoch gelobter Heißsporn auf dem Höhenflug, der es mit seinem Landsmann Carl Froch, dem Champion der WBA und IBF im Supermittelgewicht, aufnahm. Er schickte den erfahrenen Favoriten gleich in der ersten Runde zu Boden, doch Ringrichter Howard John Foster gab den Kampf wieder frei, obgleich Froch schwer angeschlagen war. Wenngleich Groves später etwas nachließ, lag er nach Punkten immer noch in Führung, als Froch ihm in der neunten Runde einen Volltreffer versetzte. Diesmal entschied der Referee sofort auf Abbruch und hielt den Herausforderer fest, so daß ihm Froch ungehindert noch einige Schläge verpassen konnte. [1]

Diese Entscheidung rief heftige Kritik auf den Plan, da viele Experten der Auffassung waren, dem amtierenden Weltmeister Carl Froch sei vor heimischem Publikum der Sieg geschenkt worden. Allerdings mußte man Groves anlasten, daß er im Vorgefühl des Triumphs die Gefährlichkeit seines Erzrivalen unterschätzt und leichtsinnig angegriffen hatte. Auch zeichnete sich damals ab, daß er in der ersten Hälfte eines Kampfs zu Hochform aufläuft, dann aber nachzulassen pflegt. Das turbulente Gefecht und dessen umstrittener Ausgang schrien geradezu nach einer Revanche, die dann vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion über die Bühne ging. Als sei ihr erstes Aufeinandertreffen die Blaupause gewesen, wiederholte sich das Geschehen auf fast identische Weise. Groves machte anfangs eine ausgezeichnete Figur und schien sich diesmal schadlos zu halten, bis ihn Froch im späteren Verlauf mit einem Konter von den Beinen holte.

Wie sich herausstellten sollte, waren dies die beiden letzten Auftritte in der erfolgreichen Karriere Carl Frochs, der nach langem Zögern die Boxhandschuhe schließlich an den Nagel hängte. George Groves war trotz dieser beiden Niederlagen in Folge nach wie vor im Geschäft und bekam schließlich einen dritten Titelkampf, in dem er jedoch dem damaligen WBC-Weltmeister Badou Jack knapp unterlag. Nach drei gescheiterten Anläufen sahen viele Kommentatoren den Briten auf dem absteigenden Ast und vertraten die Auffassung, daß das Kapitel Weltmeister für ihn endgültig erledigt sei. Daß es anders kam, ist insbesondere der Zusammenarbeit mit Trainer Shane McGuigan zu verdanken, der Groves erfolgreich darauf umstellte, vermehrt zum Körper des Gegners zu schlagen.

Im Mai 2017 sicherte er sich durch einen Sieg über den Russen Fedor Tschudinow in der sechsten Runde den Titel der WBA. Am 14. Oktober setzte er sich zum Auftakt des Turniers in London gegen seinen bis dahin ungeschlagenen Landsmann Jamie Cox durch, der sich nach einem Körpertreffer in der vierten Runde geschlagen geben mußte, und verbesserte seine Bilanz auf 27 Siege und drei Niederlagen. Mit einem Schlag dieses Kalibers kann Groves jeden Kontrahenten in seiner Gewichtsklasse ausschalten, so auch Chris Eubank.

Dieser entwich den Problemen im Mittelgewicht, wo er auf Dauer kein Land gesehen hätte, durch einen Aufstieg ins Supermittelgewicht und holte sich dort den Titel des kleinen Verbands IBO. Er besiegte den Berliner Arthur Abraham und qualifizierte sich damit für das Turnier, wo er am 7. Oktober in Stuttgart dem jungen Türken Avni Yildirim in der dritten Runde das Nachsehen gab. Chris Eubank hat damit 26 Auftritte gewonnen und einen verloren, wobei er zum Turnierbeginn einen ebenso guten Eindruck wie George Groves hinterließ. Im zweiten Kampf des Halbfinales trifft der ungeschlagene Brite Callum Smith auf den erfahrenen Jürgen Brähmer, wobei Ort und Termin noch nicht bekannt sind.

Wie man einschränkend anmerken muß, sah der Austragungsmodus des neu konzipierten Turniers diesmal vor, daß sich die vier in jeder der beiden Gewichtsklassen gesetzten Akteure ihre ersten Gegner aus einem Pool schwächerer Kandidaten aussuchen konnten. Aufgrund dieser Konstellation blieben zum Auftakt Überraschungen aus. Spannend wird es hingegen jetzt im Halbfinale, da gesetzte Boxer aufeinandertreffen. Beim legendären Vorläufer in Gestalt des Super-Six-Turniers, das zwischen 2009 und 2011 unter der Regie des Senders Showtime die internationale Elite im Supermittelgewicht aus Europa und den USA zusammenführte, gab es weder unterschiedliche Kategorien im Kandidatenfeld noch eine Wahlmöglichkeit der Akteure.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/11/george-groves-vs-chris-eubank-jr-feb-17-manchester-uk/#more-247883

25. November 2017


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