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MELDUNG/2210: Revanche mit Hindernissen (SB)



David Haye und Tony Bellew treffen Anfang März aufeinander

David Haye und Tony Bellew tragen ihre Revanche am 5. Mai 2018 in der Londoner O2 Arena aus. Die beiden britischen Schwergewichtler sollten ursprünglich bereits am 17. Dezember aufeinandertreffen, doch erzwang eine Verletzung am Bizeps, die sich Haye im Training zugezogen hatte, eine Verlegung des Termins. Um vollmundige Äußerungen nie verlegen, verkündet Bellew nun, er werde den Kontrahenten für die verdorbenen Weihnachtstage büßen lassen. Da sich David Haye in jüngerer Zeit immer wieder Verletzungen zugezogen hat, ist keineswegs sicher, daß die zweite Auflage ihres Duells tatsächlich Anfang Mai über die Bühne gehen kann. Bellew müßte in diesem Fall noch länger auf ihn warten, da der Rückkampf vertraglich vereinbart worden ist. Zudem kann er mit Haye in England sehr viel Geld verdienen und bekäme im Falle eines Erfolgs einen weiteren großen Zahltag gegen Tyson Fury. So sehen jedenfalls die aktuellen Pläne Bellews aus, für den weder Anthony Joshua noch Deontay Wilder eine Option wäre. Beide sind schlichtweg zu groß und zu stark für ihn. [1]

Wenngleich Haye und Bellew von ihrer Popularität in UK wie überhaupt dem boomenden britischen Boxgeschäft profitieren, gehören sie keinesfalls der höchsten Etage ihrer Gewichtsklasse an. Beide kommen ursprünglich aus dem Cruisergewicht, wobei der Aufstieg für Haye schon erheblich länger zurückliegt. Hingegen sieht Bellew, der bislang nur einen einzigen Kampf - nämlich den gegen Haye - im Schwergewicht bestritten hat, nach wie vor eher wie ein Cruisergewichtler aus. Für David Haye, der auf 28 gewonnene und zwei verlorene Auftritte zurückblicken kann, war die Niederlage gegen Wladimir Klitschko im Juli 2011 eine tiefe Zäsur in seiner Karriere. Er setzte sich nicht lange darauf gegen seinen Landsmann Dereck Chisora durch und verdiente dabei noch einmal viel Geld, worauf er seine Laufbahn im Ring für beendet erklärte. Als er sich geraume Zeit später auf ein Comeback vorbereitete, machte ihm eine schwere Verletzung einen Strich durch die Rechnung, so daß ein geplanten Kampf gegen Tyson Fury zunächst verschoben und dann abgesagt werden mußte. Schließlich war Haye wiederhergestellt und verschaffte sich gegen die weithin unbekannten Arnold Gjergjaj und Mark de Mori zwei leichte Siege, worauf er mit Bellew zusammentraf.

Für den 34 Jahre alten Tony Bellew stehen 29 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche. Er unterlag im Halbschwergewicht den Weltmeistern Adonis Stevenson (WBC) aus Kanada und Nathan Cleverly (WBO) aus Wales. Auch im Cruisergewicht gehörte er keineswegs der Spitzenklasse an und hätte wohl gegen Oleksandr Ussyk, Mairis Briedis, Yunior Dorticos, Murat Gassijew und Denis Lebedew kaum eine Chance. Es war ein ausgesprochener Glücksfall, daß er im Mai 2016 gegen Illunga Makabu um den vakanten WBC-Titel kämpfen durfte und neuer Weltmeister wurde. Statt sich daraufhin mit dem Ranglistenersten Mairis Briedis zu messen, verteidigte Bellew den Gürtel gegen BJ Flores, die Nummer 14 im Ranking des Verbands. Obgleich ihm damit sein Promoter Eddie Hearn dank seines Geschicks und Einflusses den Titel gerettet hatte, tönte Bellew bar jeder halbwegs nüchternen Selbsteinschätzung abermals, er sei der beste Cruisergewichtler der Welt und werde künftig auch das Schwergewicht aufmischen.

Der Kampf gegen David Haye wurde mittels diverser verbaler Kontroversen im Vorfeld gezielt aufgebauscht, bis er in England den Charakter eines sehr bedeutenden Ereignisses angenommen hatte, obgleich dabei kein Titel auf dem Spiel stand. Als die beiden dann im März aufeinandertrafen, sah Bellew nicht gerade wie ein gut austrainierter Schwergewichtler, sondern eher wie ein aufgeblasener Cruisergewichtler aus. Boxerisch war er Haye klar unterlegen, der allerdings in den ersten beiden Runden bei seinen wilden Schwingern einige Konter einfing. Vom dritten Durchgang an kontrollierte Haye mit seinem wuchtig geschlagenen Jab das Geschehen, da Bellew einfach zu langsam war, um daran vorbeizukommen. Der wirkte zunehmend hilflos und hätte den Kampf mit Sicherheit verloren, wäre seinem Gegner nicht eine schwere Verletzung an der rechten Achillessehne in die Quere gekommen. Obwohl sich Haye kaum noch von der Stelle bewegen konnte und unter starken Schmerzen litt, kämpfte er weiter und brachte Bellew sogar mit seinen Schlägen in Schwierigkeiten. Erst als er ausrutschte und aus dem Ring fiel, warf sein Trainer zum Zeichen der Aufgabe das Handtuch.

Da Bellew den ersten Kampf gegen Haye unter normalen Umständen niemals gewonnen hätte, kann man dasselbe auch für die Revanche vorhersagen. Wenn er nun ankündigt, er werde den Boxsport endgültig von David Haye befreien und anschließend reinen Tisch mit Tyson Fury machen, scheint diese Äußerung in seinem Fall nicht bloßes Kalkül zu Werbezwecken, sondern zumindest anteilig von einer gehörigen Portion Größenwahn durchsetzt zu sein. Er wird die Revanche absehbar verlieren und dabei womöglich sogar auf den Brettern landen, sofern Haye gesundheitlich wiederhergestellt ist. Sollte Bellew jedoch wider Erwarten die Oberhand behalten und einen Kampf gegen Tyson Fury bekommen, wird ihn der 2,06 m große Hüne durch den Ring treiben, wie es ihm beliebt. Daher steht Tony Bellew allenfalls zum Abschied viel Geld in Aussicht, wobei man natürlich nie wissen kann, ob ihm nicht abermals unvorhersehbare Umstände den weiteren Karriereweg offenhalten.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/12/tony-bellew-vs-david-haye-2-may-5-london-uk/#more-249411

6. Dezember 2017


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