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MELDUNG/2216: Russischer Durchmarsch vor heimischer Kulisse (SB)



Alexander Powetkin gewinnt Qualifikation gegen Christian Hammer

In einem Ausscheidungskampf des Verbands WBA im Schwergewicht, der im russischen Ekaterinburg über die Bühne ging, hat sich Alexander Powetkin wie erwartet gegen Christian Hammer durchgesetzt. Der Ranglistenzweite behielt über zwölf Runden unangefochten gegen den an Nummer 3 geführten Gegner die Oberhand (120:107, 120:108, 118:108). Während für den 38jährigen Powetkin nun 33 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, hat der acht Jahre jüngere Hammer 22 Auftritte gewonnen und fünf verloren. [1]

Der 101 kg wiegende Russe setzte dem 15 kg schwereren Kontrahenten mit linken Haken zu Kopf und Körper wie auch seiner Rechten beständig zu, brachte den massiven Gegner jedoch angesichts des enormen Gewichtsunterschieds nie an den Rand eines Niederschlags. Der in Hamburg lebende und bei Promoter Erol Ceylan unter Vertrag stehende Rumäne schlug relativ spärlich zurück und entfaltete dabei auch keine ausgeprägte Wirkung, wobei er vor allem darauf bedacht zu sein schien, über die Runden zu kommen. Ein ernsthafter Maßstab, wie sich Powetkin wohl gegen gefährlich schlagende Akteure wie die Weltmeister Deontay Wilder (WBC) oder Anthony Joshua (WBA/IBF) behaupten würde, war dieser Gegner nicht.

Da Hammer durchweg zu selten austeilte, kam er nie auch nur in die Nähe, eine Runde für sich zu entscheiden. Er wurde im Grunde nur dann etwas lebhafter, wenn Powetkin Kombinationen schlug. Dem Außenseiter mißfiel es offensichtlich, mehrmals in unmittelbarer Folge getroffen zu werden, weshalb er sich in solchen Situationen zwischendurch oder hinterher mit seiner Rechten revanchierte. Da der Russe nicht damit zu rechnen schien, daß der Gegner überhaupt schlagen würde, wurde er dabei mitunter zurückgestoßen, was aber vor allem daran lag, daß er wesentlich leichter war.

Ansonsten versuchte Hammer, entweder zu klammern oder sich zu entziehen, keinesfalls aber in eine direkte Konfrontation zu geraten. Obgleich sich abzeichnete, daß Powetkin nicht die erforderliche Wucht aufbrachte, um ihm wirklich gefährlich zu werden, wirkte der Außenseiter sehr zurückhaltend und schien in seinem Überlebensmodus überhaupt nicht darauf aus zu sein, den Kampf womöglich zu gewinnen. Etwas enger für den Russen wurde es eigentlich nur dann, wenn der Rumäne gegen Ende einer Runde einige Treffer landen konnte, die aber in den Augen der Punktrichter die deutlich höhere Schlagfrequenz Powetkins nicht wettmachen konnten.

In der fünften Runde ermahnte der Ringrichter den Rumänen, nicht zu klammern, was an und für sich sehr erfreulich war. Leider hat es sich seit geraumer Zeit eingebürgert, das ständige Festhalten kaum noch zu ahnden und damit Kämpfe laufen zu lassen, in denen boxerische Überlegenheit ständig durch Ringergriffe blockiert wird. So gesehen klammerte Hammer nicht außergewöhnlich häufig, doch bekam er es in diesem Fall mit einem strengen Referee zu tun. In der siebten Runde kassierte er schließlich eine Verwarnung, die mit einem Punktabzug verbunden war, nachdem er den Russen mehrere Male in den Schwitzkasten genommen hatte, um ihn am Schlagen zu hindern. Auch diese Strafe hinderte Hammer in der Folge nicht daran, dann und wann zu klammern, wobei der Ringrichter glücklicherweise von einer Disqualifikation absah, die denn doch nach einem klaren Heimvorteil des Lokalmatadors ausgehen hätte, der ohnehin auf der Siegerstraße war.

Dank dieses Erfolgs ist Alexander Powetkin neuer Pflichtherausforderer des Weltmeisters Anthony Joshua bei der WBA. Nun ist es an der Verbandsführung, eine Titelverteidigung des Briten gegen den Russen anzuordnen. Wie dessen Promoter Andrej Riabinskij bekräftigte, liege ihm eine Bestätigung der WBA vor, daß es sich bei dem Kampf in Ekaterinburg um eine entsprechende Qualifikation handle, deren Sieger Anspruch auf die Herausforderung des Champions habe. Da Joshuas Promoter Eddie Hearn andere Pläne wälzt und Joshua im kommenden Jahr am liebsten gegen den WBO-Weltmeister Joseph Parker aus Neuseeland, dann gegen den ehemaligen Champion Tyson Fury und schließlich gegen den WBC-Champion Deontay Wilder kämpfen lassen würde, wird Powetkin in absehbarer Zeit nicht zum Zuge kommen.

Theoretisch müßte die WBA den amtierenden Weltmeister mit Nachdruck veranlassen, sich in einer gewissen Frist dem Pflichtherausforderer zu stellen. Die Verbandspolitik wird jedoch für gewöhnlich eher von Vorteilserwägungen als von einer konsequenten Anwendung des eigenen Regelwerks geleitet. Und da der Einfluß Eddie Hearns mit dem boomenden britischen Boxgeschäft im Rücken unablässig wächst, steht nicht zu erwarten, daß ihm die WBA allzu schnell in die Parade fährt. Davon abgesehen wurde mit Hammer ein Gegner für Powetkin nominiert, der zwar aufgrund seines Platzes in der Rangliste formell darauf Anspruch hatte, aber schwächer als andere Kandidaten aus den Top 15 dieses Verbands einzuschätzen ist. Jarrell Miller, Bryant Jennings oder Kubrat Pulew hätten dem Russen sicher erheblich größere Probleme bereitet als Hammer, der im Februar bei einem Kampf in Kensington von David Price in der fünften Runde auf die Bretter geschickt worden war. Dann ging dem riesigen Briten allerdings die Luft aus, worauf der Rumäne wieder Auftrieb bekam und sich in der siebten Runde mit einem Niederschlag revanchierte. Solche Konditionsprobleme wird man bei Powetkin höchst selten erleben, so daß Christian Hammer auch in dieser Hinsicht kein Glück beschieden war.

Ohne die überzeugende Leistung des Russen zu schmälern, der den massiven Kontrahenten durchweg dominiert hatte, liegen doch mit Blick auf einen künftigen Titelkampf Bedenken nahe. Powetkin ist kein Mike Tyson, der größere und schwerere Gegner in Serie das Fürchten gelehrt hat. Wenngleich er Hammer immer wieder traf, passierte dabei nicht viel. Umgekehrt geriet der Lokalmatador ins Stolpern, als er beispielsweise in den letzten Sekunden der vierten Runde einen Volltreffer einstecken mußte. Anthony Joshua ist fast genauso schwer wir Hammer, schlägt aber wesentlich häufiger und vor allem wuchtiger als der Rumäne zu. Zudem ist er mit 28 Jahren erheblich jünger als Powetkin, dem eine lange Wartezeit bevorsteht. Vor allem aber geht der Brite auf seine Gegner los, um sie mit seiner schieren Masse zu überrollen und mit Schlägen zu bearbeiten. Wenngleich Kreuzvergleiche stets mit Vorsicht zu genießen sind, drängt sich doch eine Prognose auf: Da Alexander Powetkin etliche Treffer des massiven Christian Hammer abbekam, die ihn zumindest zurückstießen oder ins Stolpern brachten, drohte ihm im Falle eines Titelkampfs gegen Anthony Joshua höchste Gefahr.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/12/alexander-povetkin-vs-christian-hammer-results/#more-250590

17. Dezember 2017


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