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MELDUNG/2248: Mittelgewicht - milde Strafe für die Geldmaschine ... (SB)



Saul "Canelo" Alvarez nur für sechs Monate gesperrt

Saul "Canelo" Alvarez ist von der Sportkommission von Nevada wegen zweier Dopingbefunde für die Dauer von sechs Monaten gesperrt worden. Dies beschloß das sechsköpfige Gremium einstimmig nach einer kurzen telefonischen Anhörung des 27jährigen Mexikaners, der sich am vergangenen Wochenende einer Operation am Knie unterzogen hatte. Offenbar war bereits vorab eine Übereinkunft herbeigeführt worden. Damit ist genau das eingetreten, was die Mehrzahl der Experten erwartet hatte. Die zuständige Aufsichtsbehörde des Bundesstaats konnte nicht umhin, eine Strafe zu verhängen, wollte sie nicht ihren eigenen Statuten zuwiderhandeln. Andererseits ist die Suspendierung so milde ausgefallen, daß "Canelo" wie geplant am 15. September zum mexikanischen Unabhängigkeitstag wieder in den Ring zurückkehren und die ins Wasser gefallene Revanche gegen Gennadi Golowkin nachholen kann. Saul Alvarez ist aufgrund seiner riesigen Fangemeinde schlichtweg zu wichtig für das Boxgeschäft in Las Vegas, als daß man ihn länger aus dem Verkehr gezogen hätte.

Offiziell wurde der Mexikaner für ein Jahr gesperrt, weil er im Februar zweimal von der Antidopingagentur VADA positiv auf die verbotenen Substanz Clenbuterol getestet worden war. Sodann wurde die Suspendierung mit der Begründung halbiert, "Canelo" habe sich kooperativ gezeigt und mit der Kommission zusammengearbeitet. Was das bedeuten soll, blieb allerdings schleierhaft, weil der Boxer weder einen Dopingverstoß eingeräumt hat noch regelmäßige Tests angekündigt wurden. Vielmehr hat Alvarez durchweg zur Begründung angeführt, er habe in Mexiko verunreinigtes Fleisch gegessen, niemals jedoch wissentlich verbotene leistungssteigernde Substanzen zu sich genommen.

Was das Boxpublikum von diesem Ausgang der Kontroverse hält, die in den zurückliegenden Woche in den einschlägigen Diskussionen hohe Wellen geschlagen hat, wird sich zeigen. Wenngleich "Canelos" Lack angekratzt ist, sind die Würfel doch gefallen. Die Golden Boy Promotions, deren herausragendes Zugpferd er ist, kündigen wie selbstverständlich seinen nächsten Auftritt als diesjährigen Höhepunkt des Boxsports an. "Canelo" sei bereit und freue sich darauf, seine außergewöhnliche Karriere auf höchsten Niveau fortzusetzen.

Da die Sperre rückwirkend vom Zeitpunkt des Dopingbefunds an verhängt wurde, endet sie am 17. August. Damit steht dem Kampf gegen den Kasachen, der vom Sender HBO im Pay-TV übertragen wird, nur noch eine Hürde im Wege. Golowkin muß sich am 5. Mai gegen Vanes Martirosian durchsetzen, der nach langem Hin und Her als Ersatz verpflichtet wurde. Die Titelverteidigung des Weltmeisters diverser Verbände im Mittelgewicht wird nicht in Las Vegas, sondern im StubHub Center in Carson nahe Los Angeles ausgetragen und von HBO als normale Übertragung gezeigt, da der Herausforderer in den USA nicht populär genug für eine Großarena und das Bezahlfernsehen ist. Gennadi Golowkin geht mit der Wahl dieses Gegners das Risiko ein, den IBF-Titel einzubüßen, da dieser Verband bislang darauf besteht, daß sein Pflichtherausforderer den Zuschlag erhalten müßte. Ob diese Kontroverse beigelegt werden kann, was dem Kasachen zu wünschen wäre, der bekanntlich alle Titel in dieser Gewichtsklasse zusammenführen möchte, wird sich zeigen.

Wenn "Canelo" wie geplant Mitte September auf seinen Erzrivalen trifft, hat er genau ein Jahr lang keinen Kampf mehr bestritten. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen war er ungewöhnlich muskulös und erheblich massiver als je zuvor. Das gab angesichts der Dopingaffäre Anlaß zu nachträglichen Spekulationen über die Herkunft dieser auffallenden körperlichen Veränderung. Zuletzt wirkte er jedenfalls deutlich schlanker, was seine Aussichten, dem Kasachen standzuhalten, nicht gerade verbessern dürfte. [1]

Man kann sich natürlich darüber streiten, warum die Sperre "Canelos" bereits am 17. Februar begonnen hat, wo er doch bis Anfang Mai ohnehin nicht mehr auftreten wollte. Auch ließe sich einwenden, daß sein mexikanischer Landsmann Julio Cesar Chavez jun. neun Monate suspendiert wurde, weil er im Jahr 2012 Marihuana konsumiert hatte, das ihn mit Sicherheit nicht zu einem besseren Boxer machen konnte. Aber solche Debatten sind müßig, zumal die Dopingfrage grundsätzlich auf einem anderen Niveau erörtert werden muß. Erstaunlich bleibt indessen, daß die Sportkommission kein Wort über mögliche regelmäßige Kontrollen verloren hat. Das könnte bedeuten, daß wie üblich erst acht Wochen vor dem nächsten Kampf getestet wird. Indessen dürfte sich "Canelo" ohnehin vor weiteren Fehltritten hüten, die seiner Karriere überaus abträglich wären, und womöglich sogar Vorsicht bei mexikanischem Fleisch walten lassen.

Clenbuterol ist eine Substanz, die eingesetzt werden kann, um Körperfett abzubauen, die Muskulatur günstig zu beeinflussen und die Kondition zu verbessern. Ihr Konsum wird auch im Boxsport immer häufiger nachgewiesen, wobei in der Vergangenheit schon diverse mexikanische Akteure zur Entschuldigung angeführt haben, sie hätten verunreinigtes Fleisch gegessen. Diese Erklärung dürfte fortan nicht mehr ins Feld geführt werden, zumal die Aufsichtsbehörde in Nevada inzwischen zur Praxis übergegangen ist, gewissermaßen die Beweislast umzukehren und den Sportler für alle Substanzen verantwortlich zu machen, die in seinem Körper nachgewiesen werden.

Nachdem Gennadi Golowkin im ersten Kampf gegen den Mexikaner, den er nach Ansicht der meisten Fans und Experten klar gewonnen hat, mit einem Unentschieden über den Tisch gezogen wurde, bleibt "Canelo" vor allem eine Hoffnung: Läßt man den Kasachen ewig warten, müßte er doch irgendwann aus Altersgründen nachlassen und besiegbar werden. Das schien in der Vergangenheit die Strategie der Golden Box Promotions zu sein, die das vielfach geforderte Duell jahrelang verhindert haben. Indessen ist eher nicht damit zu rechnen, daß die verbliebenen Monate "Canelo" in die Karten spielen, zumal der Kasache unterdessen aktiv bleibt und einen Kampf austrägt.

Erfahrungsgemäß führen Kämpfe mit einer umstrittenen Entscheidung der Punktrichter dazu, daß das Interesse der Zuschauer eher abkühlt und die Revanche nicht gerade ein Publikumsrenner wird. Außerdem war der Septemberkampf insofern enttäuschend, als der Mexikaner vor allem darauf bedacht zu sein schien, sich dem Gegner zu entziehen. Golowkin dominierte ihn aus der Distanz, ohne ihm mit letzter Entschiedenheit nachzusetzen, um ihn zu stellen. Da der Kasache aber nun weiß, daß er sich nicht auf die Punktrichter verlassen kann, sollte die Revanche doch eine Größenordnung spannender ausfallen. [2]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/golden-boy-says-canelo-alvarez-to-fight-on-september-15/#more-261213

[2] www.boxingnews24.com/2018/04/canelo-given-6-month-suspension-by-nevada-state-athletic-commission/#more-261205

20. April 2018


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