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MELDUNG/2256: Schwergewicht - durchwachsene Generalprobe ... (SB)



Jarrell Miller einstimmiger Punktsieger über Johann Duhaupas

Der US-amerikanische Schwergewichtler Jarrell Miller hat seine Chance gewahrt, noch in diesem Jahr einen hochdotierten Titelkampf gegen den Briten Anthony Joshua zu bekommen. Er setzte sich in einem Ausscheidungskampf des Verbands WBA, der im Barclays Center in Brooklyn über die Bühne ging, einstimmig nach Punkten gegen den Franzosen Johann Duhaupas durch (119:109, 119:109, 117:111). Während Miller damit ungeschlagen blieb und seine Bilanz auf 21 Siege sowie ein Unentschieden ausbauen konnte, stehen für seinen Gegner nunmehr 37 gewonnene und fünf verlorene Auftritte zu Buche.

Der vom Sender HBO übertragene Kampf nahm einen recht einseitigen Verlauf, da der 29jährige Favorit mit einer höheren Schlagfrequenz und den wuchtigeren Treffern aufwarten konnte. Trotz seines stolzen Gewichts von rund 138 kg, die er beim offiziellen Wiegen am Vortag auf die Waage gebracht hatte, bewegte sich Miller zumindest zehn Runden lang erstaunlich flott umher und schlug fleißig zu, so daß sein Vorsprung auf den Zetteln der Punktrichter stetig wuchs. Allerdings gelang es ihm nur selten, den Körper voll hinter seine Schläge zu bringen und auf diese Weise durchschlagende Wirkung zu entfalten. Erst in den letzten beiden Runden ließ Miller sichtlich nach, was jedoch nicht minder für den 37jährigen Franzosen galt. Duhaupas wollte offenbar sogar aufgeben, wurde aber von seiner Ecke angespornt, weiterzukämpfen und bis zum Ende durchzuhalten.

Der Außenseiter machte immer dann eine gute Figur, wenn er häufiger schlug, da Miller nahezu ohne Deckung boxte. Die Verteidigung des Amerikaners bestand im Grunde in seiner Offensive, mit der er Angriffe des Gegners zu unterbinden versuchte. Das funktionierte jedoch nicht durchgängig, so daß Duhaupas gelegentlich mit beiden Fäusten zum Zuge kam. Da es seinen Schlägen jedoch an Wirkung fehlte, geriet Miller nicht ernsthaft Bedrängnis, auch wenn er gegen Ende eine blutige Nase davontrug. [1] Von einem engen Kampfverlauf konnte man indessen nicht sprechen, wie auch die Statistik von CompuBox zeigt: Demnach brachte der US-Amerikaner 261 Schläge ins Ziel, wovon 185 als wuchtige Treffer eingestuft wurden, während sein Gegner mit 128 und 67 in beiden Kategorien eindeutig das Nachsehen hatte.

Hätte Jarrell Miller an diesem Abend in New York Deontay Wilder oder Anthony Joshua gegenübergestanden, wäre er wohl auf dem Boden gelandet, da jeder der beiden seine eklatanten Deckungslücken für einen Volltreffer genutzt hätte. Wenngleich man von einer soliden Vorstellung Millers sprechen kann, lieferte er in diesem Kampf doch keine Anhaltspunkte dafür, daß er einem der Weltmeister gewachsen sein könnte.

Wie sich zur Entlastung Millers anführen ließe, ist Johann Duhaupas für eine robuste Konstitution und ausgezeichnete Nehmerqualitäten bekannt. Er hat im September 2015 als Herausforderer Deontay Wilders bis zur elften Runde durchgehalten, was den wenigsten Gegnern des WBC-Champions gelungen ist. Die einzige relativ frühzeitige Niederlage seiner Karriere bezog der Franzose im Dezember 2016, als ihm Alexander Powetkin bereits in der sechsten Runde das Nachsehen gab. Das war jedoch eine Sternstunde des Russen, der kaum jemals zuvor und seither nie wieder so gut ausgesehen hat und inzwischen erheblich langsamer geworden ist. Träfe er heute noch einmal auf Johann Duhaupas, nähme der Kampf womöglich einen anderen Verlauf.

Wie Jarrell Miller nach seinem Erfolg noch im Ring erklärte, habe er konditionell gut durchgehalten, wenngleich er ein wenig zu langsam auf den Füßen gewesen sei. Duhaupas habe sich als zäher Gegner erwiesen, den man nicht so schnell ausschalten könne. Nun sei er jedenfalls bereit für Anthony Joshua, der nur nach Brooklyn kommen solle, um dort sein blaues Wunder zu erleben. [2] Da Joshuas Promoter Eddie Hearn zugleich Millers Co-Promoter ist, sollte es nicht allzu schwer sein, diesen Kampf auf die Beine zu stellen, sofern er den Briten ins Konzept paßt. Hearn streitet sich derzeit mit Deontay Wilders Management über die Konditionen eines Duells der Weltmeister, ohne daß sich die beiden Lager wirklich nähergekommen wären. Daher spricht gegenwärtig vieles dafür, daß Joshua seine drei Titel (WBA, WBO, IBF) im Sommer gegen Alexander Powetkin verteidigt, der die Position des Pflichtherausforderers beim Verband WBA innehat.

Inwieweit Jarrell Miller im Herbst zum Zuge kommt, hängt in erster Linie davon ab, ob die Vorgespräche zwischen Joshuas und Wilders Team doch noch Früchte tragen oder die Verhandlungen um diesen Kampf der Superlative ergebnislos vertagt werden. Miller ist seit geraumer Zeit ein fester Bestandteil in Eddie Hearns Plänen, so daß der Name des New Yorkers regelmäßig fällt, wenn der britische Promoter über die nächsten Gegner Anthony Joshuas spricht. Mit dem wenig berauschenden Auftritt in Brooklyn könnte Jarrell Miller sogar seinen Aussichten auf die Sprünge geholfen haben, da er diesmal längst nicht so gefährlich wie bei seinen vorangegangenen Siegen ausgesehen hat. Mutmaßlichen Bedenken Joshuas oder seines Promoters, ob ein Kampf gegen den massiven US-Amerikaner womöglich zu riskant wäre, hat dessen jüngste Darbietung zumindest keine neue Nahrung gegeben.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/jarrell-miller-vs-johann-duhaupas-results/#more-261919

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/23351071/jarrell-miller-defeats-johann-duhaupas-unanimous-decision-win-wba-world-heavyweight-title-eliminator

30. April 2018


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