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MELDUNG/2334: Mittelgewicht - Aufbruch zu neuen Ufern ... (SB)



Gennadi Golowkin trennt sich von Trainer Abel Sanchez

Die Entscheidung Gennadi Golowkins, sich von seinem langjährigen Trainer Abel Sanchez zu trennen, schlägt hohe Wogen. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, daß die Karriere des inzwischen 37 Jahre alten ehemaligen Weltmeisters dreier Verbände im Mittelgewicht nach dem Unentschieden und der Niederlage gegen Saul "Canelo" Alvarez ins Stocken geraten ist. Höchst kontrovers wird jedoch diskutiert, ob ein Trainerwechsel geeignet sein könnte, die Rückschläge wettzumachen und sich noch einmal an der Spitze zu etablieren. Golowkin hat kürzlich einen Vertrag mit dem Streamingdienst DAZN abgeschlossen, der ihm bei einer Laufzeit von drei Jahren für insgesamt sechs Kämpfe bis zu 100 Millionen Dollar einbringen soll. Wenngleich er also endgültig finanziell ausgesorgt hat, steht die Frage im Raum, ob er seine frühere unabweisliche Dominanz im Ring wiedergewinnen kann.

Zwischen November 2008 und März 2017 hatte Gennadi Golowkin 23 Kämpfe in Folge vorzeitig gewonnen, bis er sich gegen Daniel Jacobs mit einem Punktsieg zufriedengeben mußte. Der New Yorker war ihm körperlich überlegen, ein hervorragender Techniker und ging dem Schlagabtausch systematisch aus dem Weg, um dem Kasachen nicht ins offene Messer zu laufen. Golowkin boxte ihn aus, setzte dem Gegner aber nicht mit letzter Entschiedenheit nach, wie er das in der Vergangenheit in seinen Kämpfen stets getan hatte. War Abel Sanchez gut beraten, seinen Boxer auf eine andere Kampfesweise umzustellen, weil er in weiser Voraussicht erkannte, daß Golowkin allmählich mit seinen Möglichkeiten haushalten mußte? Oder war der Trainer an seine eigenen Grenzen gestoßen und konnte seinem Schützling nichts Neues mehr beibringen?

Der damals vieldiskutierte Eindruck, Golowkin habe seine Unbesiegbarkeit eingebüßt und beginne nachzulassen, dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, daß sich "Canelo" endlich an ihn heranwagte, nachdem er ihm lange aus dem Weg gegangen war. Beim Unentschieden wurde der Kasache durch ein krasses Fehlurteil über den Tisch gezogen und auch bei der Revanche war er im Grunde genommen der bessere Boxer. Er traf jedoch auf eine Phalanx einflußreicher Interessen in Las Vegas, die auf den Mexikaner als Wirtschaftsfaktor in der Spielerstadt und im Pay-TV setzten. Davon abgesehen ist jedoch für die aktuelle Fragestellung vor allem relevant, daß Sanchez kein Mittel fand, den Komplott im Ring zu durchkreuzen. Während Saul Alvarez mit einer überraschenden Kampfesweise aufwarten konnte, die ihn besser aussehen ließ, als er tatsächlich war, schien Golowkin getreulich einer taktischen Marschroute zu folgen, die schlichtweg nicht ausreichte, um "Canelo" wie angekündigt auf die Bretter zu schicken oder zumindest optisch so eindeutig in die Schranken zu weisen, daß ein abermals fragwürdiges Urteil der Punktrichter ausgeschlossen gewesen wäre.

Der Kasache hat Konsequenzen gezogen und sein Management ausgetauscht, sich einen neuen Anwalt gesucht und unter den Angeboten verschiedener Sender jenes von DAZN gewählt. Er nimmt seine Geschicke nun zunehmend in die eigenen Hände und ist offenbar entschlossen, die GGG Promotions auszubauen. Daß sogar eine Trennung von seinem Trainer folgen würde, deutete sich an, als Sanchez bei den letzten Pressekonferenzen für den nächsten Kampf sowohl in New York als auch in Los Angeles fehlte. Golowkin, für den 38 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, trifft bei seinem ersten Auftritt im Rahmen des Vertrags mit DAZN am 8. Juni im New Yorker Madison Square Garden auf den 35 Jahre alten Kanadier Steve Rolls aus Toronto, der in 19 Auftritten ungeschlagen ist.

Wie der Kasache in einer aufsehenerregenden Erklärung mitteilte, gebe er eine wichtige Entscheidung für sich und seine Karriere bekannt. Er wolle auf dem Erreichten aufbauen und sich weiter verbessern. Deshalb werde er nicht mehr mit Abel Sanchez trainieren. Dieser Entschluß sei ihm nicht leichtgefallen und stelle die professionellen Qualitäten von Sanchez nicht in Frage. Dieser sei ein großartiger und loyaler Trainer, dem ein Platz in der Ruhmeshalle des Boxsports gebühre. Er sei ihm zu Dank für all das verpflichtet, was er von ihm gelernt habe. Bei wem er künftig trainiere, werde er zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgeben.

Auf diese offizielle Erklärung reagierte Sanchez umgehend mit einer Stellungnahme, in der seine Erbitterung unverhohlen zum Ausdruck kam. Er bezeichnete Golowkin als "gierig und undankbar". Kaum habe er den Vertrag mit DAZN über 100 Millionen Dollar unterschrieben, leite er auch schon drastische Schritte ein, als fehle es ihm plötzlich an Geld. Er habe ein finanzielles Angebot für die weitere Zusammenarbeit ausgeschlagen, das beleidigend für ihn gewesen sei, so Sanchez. Ihn habe dieser Affront zutiefst enttäuscht, da er nie im Leben damit gerechnet hätte, daß dieser junge Mann zu so etwas fähig sei. Er habe stets angenommen, daß sein Schützling größere Skrupel, einen höheren moralischen Standard und eine bessere Erziehung genossen hätte. Daß Golowkin derart korrumpierbar sei, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Gemeinsam habe man großartige Dinge vollbracht, doch in diesem Fall sei das Geld wichtiger als eine enge Beziehung wie auch eine außergewöhnliche Regentschaft und die gemeinsame Geschichte. Er müsse nun den Blick nach vorn richten und sich um all die anderen jungen Boxer kümmern, die auf ihn angewiesen seien. [1]

Neun Jahre lang galten Golowkin und Sanchez als unzertrennlich. Der Kasache trainierte regelmäßig bei ihm im Summit Gym in Big Bear Lake, wobei er oftmals bei der Arbeit mit anderen Boxern aushalf, auch wenn er sich nicht gerade selber auf einen Kampf vorbereitete. Wie nun aus dem engeren Umfeld Golowkins verlautet, der mit seiner Frau und den Kindern in Santa Monica lebt, wolle er künftig seine Trainingslager in einem näher gelegenen Gym im Großraum Los Angeles absolvieren. Der erste Kampf mit Abel Sanchez in seiner Ecke fand 2010 in Panama City statt, wo er Milton Nunez in der ersten Runde besiegte und einen Interimstitel im Mittelgewicht gewann. Im Laufe ihrer fruchtbaren Zusammenarbeit absolvierte der Kasache 20 erfolgreiche Titelverteidigungen in Folge und brachte drei Gürtel in seinen Besitz. Tom Loeffler, der geschäftsführende Direktor der GGG Promotions, gehört Golowkins Team genauso lange wie Sanchez an, wobei ihn mit beiden eine enge Beziehung verbindet. Wie er zu der jüngsten Entwicklung zurückhaltend anmerkte, habe dieser Trainer sehr viel zu Golowkins Erfolgen beigetragen. Die Entscheidung, sich von ihm zu trennen, habe Gennadi allein getroffen. Wer ihn künftig trainieren werde, stehe noch nicht fest.

Zweifellos würden zahlreiche namhafte Trainer nur zu gern mit Gennadi Golowkin zusammenarbeiten. Seinen Hut in den Ring geworfen hat sogleich Robert Garcia, der in aller Öffentlichkeit erklärt, er sei bereit, dem Kasachen dabei zu helfen, Saul "Canelo" Alvarez in ihrem dritten Kampf zu besiegen. Die Entscheidung liege natürlich bei Golowkin. Möglicherweise sei er der Überzeugung, gut genug zu sein und keine weitere Hilfe mehr zu benötigen. Er selbst gehe jedoch davon aus, daß sich der Kasache noch weiter verbessern könne, so Garcia. [2]

Natürlich stellt sich die Frage, ob sich Golowkin einem Trainer anvertrauen möchte, der sein Unentschieden im ersten Kampf gegen "Canelo" als eine faire Entscheidung und den Sieg des Mexikaners bei der Revanche als verdient bezeichnet hatte. Robert Garcia rudert nun betont zurück und erklärt, daß er sich die Fernsehaufzeichnung des ersten Kampfs angesehen und daraufhin seine Einschätzung revidiert habe. Der Kasache sei von einnehmender Persönlichkeit und habe ihm stets Respekt entgegengebracht. Nun hänge es eben davon ab, ob Golowkin mit seinen Fähigkeiten zufrieden sei und einfach noch einmal viel Geld für sich und seine Familie mitnehmen wolle, was völlig verständlich und in Ordnung wäre. Reize ihn jedoch die Aussicht, "Canelo" im dritten Kampf zu besiegen, brauche er einen Trainer an seiner Seite, der ihm bei den erforderlichen Korrekturen helfe. Er könne sich jedenfalls sehr gut vorstellen, dieser Trainer zu sein, stellt Robert Garcia sein Licht nicht unter den Scheffel. [3]

Da Garcia sein Gym in Oxnard betreibt, käme dies zumindest mit Blick auf die geringere Entfernung von Santa Monica Golowkins Plänen entgegen. Eine Umstellung erforderte dies allerdings auch deshalb, weil Oxnard nicht gerade zu den vornehmsten Gegenden zählt. Demgegenüber ist Big Bear in den Bergen mit seinen zumeist wohlhabenden Anwohnern in großen Villen fast schon glamourös. Indessen ähneln die Alternativen wie etwa Freddie Roachs Wildcard Gym in Los Angeles in etwa der Umgebung, die in Oxnard anzutreffen wäre. Letzten Endes dürfte es Golowkin vor allem darum gehen, den unanfechtbaren Beweis anzutreten, daß er eben doch der beste Akteur dieser Gewichtsregion ist. Verhielte es sich anders, machte die Trennung von Abel Sanchez tatsächlich keinen Sinn. Insofern liegt Robert Garcia schon richtig, wenn er den Kasachen mit der Aussicht lockt, er könne ihm noch einiges beibringen. Das heißt jedoch noch lange nicht, daß sich Gennadi Golowkin für ihn entscheidet.


Fußnoten:

[1] www.espn.com/boxing/story/_/id/26597422/ggg-splits-long-trainer-sanchez

[2] www.boxingnews24.com/2019/04/abel-sanchez-talks-ggg-to-be-blindsided-like-this-is-heart-breaking/

[3] www.boxingnews24.com/2019/04/robert-garcia-ready-to-train-gennady-golovkin/

28. April 2019


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