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BERICHT/091: Kampnagelsommer - eine Musikintervention ... (SB)



Die Kinder großer Musikstars haben es bekanntlich schwer, aus dem Schatten ihrer Eltern herauszutreten. Die Karrieren von Liza Minelli, Julian Lennon, Ziggy Marley und Zak Starkey, dem Sohn von Ringo Starr, und Rufus Wainwright zeugen von jener Problematik. Noch schwieriger muß es sein, wenn der eigene Vater ein ganzes Musikgenre kreiert hat.

Als Fela Kuti, der berühmte Gründer des Afrobeat, 1997 in seiner Heimatstadt Lagos an AIDS starb, war sein jüngster Sohn Seun gerade 14 Jahre alt. Obwohl ihm damals eine Karriere als Profifußballspieler in Aussicht stand, hat Seun Kuti, der seit dem neunten Lebensjahr mit dem Vater bei Konzerten aufgetreten war, das Erbe Felas an- und gleich die Führung von dessen legendärer Band Egypt 80 übernommen. Zum Abschluß ihrer diesjährigen Sommertournee haben Seun Kuti und Fela's Egypt 80 am 17. August auf Kampnagel ein furioses Konzert abgeliefert, das den Hamburger Fans der modernen afrikanischen Musik keinen Wunsch unerfüllt ließ.


Seun Kuti samt Saxophon auf einer Gleisanlage - Foto: Agentur

Seun Kuti
Foto: Agentur

Kuti hielt sich mit dem älteren Material nicht lange auf. Zum Auftakt wurden "African Soldier" von der 2011er LP "From Africa with Fury: Rise" und Felas "Expensive Shit" zum Thema Konsumterror aus dem Jahr 1975 gespielt. Danach folgten fast ausschließlich Stücke von der 2016er EP "Struggle Sounds" - "Struggle Sounds", "Gimme My Vote Back (C.P.C.D)" und "African Dreams" - sowie Lieder wie "Black Times", eine Anklage gegen die heuchlerische Debatte um die sogenannten Fake News, "Last Revolutionary" - eine Hommage an Leute wie Malcolm X und Patrice Lumumba, die im Kampf für ihre Mitmenschen ihr Leben gegeben haben -, "Bad Man Light Up" - ein satirischer Seitenhieb gegen die kontraproduktive Illegalisierung des Konsums von Marijuana - sowie "Theory of Goat and Yam", die in Kürze veröffentlicht werden sollen.

Die Stücke waren meistens lang. Das ganze Konzert, das rund zwei Stunden dauerte, nahm den Charakter einer regelrechten Jam-Session an, bei der die Mitglieder von Egypt 80 - Kunle Justice (Bass), David Obanyedo (Leadgitarre), Alade Oluwagbemiga (Gitarre), Tajudeen Lekan Animasahun (Hammondorgel), Adekunle Adebiyi (Baritonsaxophon), Oyinade Adeniran (Tenorsaxophon), Oladimeji Akinyele (Posaune), Ajayi Raimi Adebiyi (Schlagzeug), Kola Onasanya (Conga), Wale Toriola (Holzblock), Okon Iyamba (Shékere) sowie Iyabo Adeniran (Gesang & Tanz) - ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen konnten.

Während alledem sang Kuti, spielte abwechselnd Saxophon und Orgel und tanzte auf der Bühne wie ein Berserker wild herum. Ab Mitte des Konzerts tanzten alle im ausverkauften Saal - ob sie es wollten oder nicht - mit. Vor allem mit dem Stück "African Dreams" hat der Kalakuta Boy zweifelsohne das musikalische Niveau seines Vaters erreicht. Die Ausführungen Kutis zwischen den einzelnen Liedern waren zwar ideologisch gefestigt - siehe die kategorische Aussage: "Der einzige Kampf ist der Klassenkampf", - nur wäre ein sparsamerer Gebrauch des gesprochenen Wortes für die Gesamtatmosphäre noch besser gewesen.

21. August 2017


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