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INTERVIEW/046: 35 Jahre Theater Die Komödianten in Kiel - kleine Siege, großer Sinn ...    Markus Dentler im Gespräch (SB)



"Ich habe mir gedacht", erzählt Theaterchef Markus Dentler nach der Vorstellung zum 35. Theaterjubiläum der Kieler Komödianten in seiner Paraderolle als Rune F. Lindgren in Henning Mankells Bagger am 3. Mai im Gespräch mit dem Schattenblick, "ich spiel das jetzt noch einmal - ich weiß ja nicht, ob ich es beim 40jährigen noch packe. 35 Jahre sind ja durchaus eine lange Zeit, nicht jede Ehe hält so lang. Aber im Theater ist es natürlich so, da bin ich immer Schauspieler. Ob's später allerdings dann noch klappt mit dem Text, das man weiß ja nicht."

Schattenblick (SB): Können Sie sich noch an Ihr erstes Mal Bagger erinnern?

Markus Dentler (MD): Ja, das war vor circa 15 Jahren, ich weiß nicht mehr ganz genau, wann.

SB: Hat sich das Stück über die Jahre verändert?

MD: Naja, Rune Lindgren ist älter geworden. Am Anfang war ich noch ein bißchen zu jung für den Baggerfahrer, heute hat er mehr Erfahrung. So ein älterer Baggerfahrer, der fühlt sich halt überall herumgeschubst - sagt er ja selber - weil er nichts kann außer Baggerfahren. Der fährt acht bis zehn Stunden in seinem Bagger, aber er bewegt sich überhaupt nicht, sondern nur der Bagger bewegt sich. Ich habe das selbst einmal trainingsweise gemacht. Das Ding wird mit einem ganz kleinen Joystick gefahren - das habe ich gar nicht glauben wollen - und dann, KRRR..., rast der Bagger durch die Gegend. Wir Schauspieler spielen ja noch selber. (lacht)

SB: Wieviel Rune Lindgren steckt in Markus Dentler?

M.D.: Ich glaube gar nichts, weil ich ja eigentlich Schauspieler bin. Der Rune spielt sich vielleicht selber was vor, aber eigentlich will er ja nur glücklich sein. Von daher, auf der Suche nach Glück, ist er auch Markus Dentler, aber da sind die Schauspieler und die Baggerfahrer scheinbar alle gleich.

Was mir imponiert hat: Henning Mankell muß den Leuten irgendwie aufs Maul geguckt haben. Und ich habe das Stück auch deshalb nochmal gespielt, weil es so aktuell ist für Deutschland, mit den Ausländern zum Beispiel, wie wenn man ''s heute geschrieben hätte. Aber es ist alles original Mankell. Die Schweden waren ja einige Jahre vor uns dran mit den Sozialgesetzen à la Hartz IV. Deswegen ist das Stück für uns so aktuell. Ich meine, es gibt kein aktuelleres. Wie er da philosophiert, daß man mit unserem Land einen totalen Neuanfang machen müßte ... Ich wundere mich, daß es nicht mehr Theater spielen.


Markus Dentler im halben Seitenprofil - Foto: © 2019 by Schattenblick

Theater leben! - Markus Dentler im Gespräch mit dem Schattenblick
Foto: © 2019 by Schattenblick

SB: 35 Jahre Kieler Komödianten, da darf man gratulieren. Welches war das schönste, welches das traurigste Ereignis in dieser Zeit?

MD: Das Schönste war natürlich, daß wir überhaupt eröffnet haben und traurig gibt 's eigentlich im Theater nicht. Es gibt vielleicht mal Mißerfolge, wir versuchen im Theater ja immer zu machen, was uns gerade beschäftigt. Das gibt 's dann schon mal, daß es beim Publikum nicht ankommt, aber nicht oft.

SB: Was wünschen Sie sich am allermeisten zum Jubiläum?

MD: The show must go on. Das wünsche ich mir natürlich. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne Theater zu leben, das ist klar.

Allein wenn du so ein Stück spielen kannst, das so aktuell ist. Und man sieht auch, hier braucht man wirklich nur einen Schauspieler. Du brauchst nicht fünf Schauspieler auf der Bühne. Wenn 's ein guter Autor ist, genügt ein Schauspieler, und ein Henning Mankell, man kann ja sagen, was man will, schreibt sagenhaft. Er schreibt 's einem ins Maul und es steht alles genau so drin, sogar die Sachen, die an die Klowand gekritzelt worden sind, stehen im Text. Das hab nicht ich erfunden. Das hat Henning Mankell erfunden. Das ganze Stück ist komplett Mankell.

Und ich habe gesagt, wenn 's ein freies Theater aushält, dann hält man 's auch aus. Es heißt ja, da hat auch das Publikum Schuld, sonst würden wir 's ja nicht aushalten. Wir müssen die Eintrittskarten verkaufen, 90 Prozent müssen wir selbst erwirtschaften, weil Schleswig-Holstein immer noch so wenig Unterstützung gibt. Es gehört zu den Ländern in ganz Deutschland, glaube ich, wo die freien Theater das Wenigste kriegen. Mit der Unterstützung könnten wir nicht mal einen einzigen Schauspieler beschäftigen.

SB: Aber Sie haben ein wirklich treues Publikum - und ein begeistertes.

MD: Ja, das haben wir!

SB: In diesem Sinne wünschen wir alles Gute für die nächsten 35 Jahre.

MD: Ich habe mich gefreut, daß Ihr da seid. Übrigens hat Der Kleine Prinz dieses Jahr auch Jubiläum, das 25jährige. Der hat schon sieben Oberbürgermeister überlebt ...

13. Mai 2019


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