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INTERVIEW/047: 35 Jahre Theater Die Komödianten in Kiel - Wege auf die Bühne ...    Ivan Dentler, Peter Schmidt und Christoph Munk im Gespräch (SB)



Zum 35. Jubiläum der Komödianten trafen Schauspielkollegen, Weggefährten, Zeitzeugen und Freunde des Theaters am Abend des 3. Mai in der Wilhelminenstraße zusammen. Am Rande der Festivitäten hatte der Schattenblick Gelegenheit zu einigen kleinen Gesprächen.

Beispielsweise: Ivan Dentler

Ivan Dentler ist der zweite und jüngste Sohn von Theaterchef Markus Dentler. Er hat von 2003 - 2006 Schauspiel in Hamburg studiert, war in zahlreichen Theaterproduktionen und einigen Filmrollen zu sehen und stand zuletzt als Hans Schnier in Bölls Ansichten eines Clowns auf der Bühne der Komödianten.


Freundlich-zugewandtes Porträt - Foto: © 2019 by Schattenblick

Ivan Dentler im Gespräch mit dem Schattenblick
Foto: © 2019 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Was sind deine ersten Erinnerungen an dieses Theater?

Ivan Dentler (ID): Das Theater ist ja so alt wie ich. Zwei Monate nach meiner Geburt haben meine Mutter und mein Vater es zusammen aufgemacht. Meine Eltern konnten sich damals noch keinen Babysitter leisten und so haben sie mich - das hat man mir später erzählt - hinten in der Garderobe abgestellt. Eine romantische Geschichte, aber erinnern kann ich mich daran nicht. Meine ersten eigenen Erinnerungen sind, daß ich als Vier- oder Fünfjähriger in einem kleinen Anzug ins Theater gekommen bin. Meine Eltern hatten sich ja getrennt, und wir haben meinen Vater dann besucht, wenn er spielte. Dazu gibt es eine kleine Anekdote, die ich von einem ganz alten Freund gehört habe, der ziemlich von Anfang an mit dabei war, daß ich dann eben mit Fliege und Weste und Hemd ins Theater gekommen bin und sich jemand gestritten hat. Und da hätte ich gesagt: Ich laß mir doch den schönen Theaterabend nicht verderben! Diese Geschichte ist bis heute ein running gag geblieben (lacht). Der sehr nette Kollege Peter Schmidt, der heute auch da ist, hat sich immer wieder gerne daran erinnert und ich hab' mich dann auch erinnert.

SB: Was bedeutet dieses Theater heute für dich?

ID: Das ist schwer zu sagen. Das Theater ist ja tatsächlich schon immer ein Begleiter in meinem Leben gewesen. Als Achtjähriger habe ich beim Sommertheater die Bühne mit aufgebaut und dieses Jahr hat Der kleine Prinz 25jähriges Jubiläum. Seit über 15 Jahren bin ich hier selbst aktiv als Schauspieler und mittlerweile als Regisseur.

Der heutige Tag war für mich einfach sehr schön - meinen Vater in seiner Paraderolle Bagger spielen zu sehen, es war eine tolle Vorstellung. Er hat mir sehr gut gefallen, auch als Schauspieler. Es ist eine große Freude, heute hier zu sein und das erleben zu dürfen.

SB: Und könntest Du Dir vorstellen, irgendwann einmal in sehr ferner Zukunft das Theater fortzuführen - quasi als 'next generation'?

ID: Momentan kann ich 's mir nicht vorstellen. Als Schauspieler denkt man nicht so weit, sondern nur: Okay, Engagement, die nächsten drei Monate sind gesichert (lacht), und dann schau'n wir weiter. Also ja, natürlich kann ich 's mir vorstellen. Ich liebe dieses Theater, hier kann ich meine Kunst machen, die Dinge, die ich mag, ausprobieren. Das Theater hat mich beruflich und auch persönlich viel gelehrt. Ich kann hier auch immer noch einiges lernen und viel machen und klar, bevor 's zugemacht würde, würd' ich 's wahrscheinlich übernehmen, übernehmen müssen. (lacht)

SB: Vielen Dank.

Beispielsweise: Peter Schmidt

Peter Schmidt gehört zu den ältesten Mitgliedern des Ensembles der Kieler Komödianten und war unter anderem in der Revue Seemann, laß das träumen oder Peter Handkes Publikumsbeschimpfung zu sehen.

Schattenblick (SB): Herr Schmidt, wie lange sind Sie schon dabei?

Peter Schmidt (PS): Ich habe den Förderverein für private Theater in Kiel gegründet, das war im Juni 1988. Markus Dentler suchte damals einen Musiker und ich hatte ihm verschiedene vorgeschlagen. Dann habe ich ihm selber vorgespielt, auf der Mundharmonika, und da fing er an zu weinen und sagte: "Das ist genau das, was ich suche."

SB: Wie schön!

PS: "Aber ich bin nicht geeignet für die Bühne, Markus", habe ich gesagt, "ich bin ein Zirkusmensch." Denn ich habe vorher immer Zirkus gemacht. Nichtsdestotrotz, ich hab 's gewagt und es war ein Riesenerfolg. Männerliebe haben wir gespielt, eine Theatercollage durch die Weltliteratur. Und haste nicht gesehen - es war richtig toll. Und dann war ich schon mal auf der Bühne und dann ging es einfach weiter und ich hatte die erste Sprechrolle.


Peter Schmidt und Markus Dentler im Seitenprofil im Theater Die Komödianten - Foto: © 2019 by Schattenblick

Peter Schmidt (re.) im Gespräch mit Markus Dentler
Foto: © 2019 by Schattenblick

SB: Haben Sie auch beim Kleinen Prinzen mitgespielt?

PS: Nein, aber da habe ich 25 Jahre lang die Technik gemacht.

SB: Sie sind kein ausgebildeter Schauspieler, sondern eher 'learning by doing'?

PS: Ich bin kein ausgebildeter Schauspieler, aber ich habe eine jahrelange Zirkuserfahrung als Clown und Dompteur.

SB: Beste Voraussetzungen also! Was wünschen Sie sich fürs Theater Die Komödianten?

PS: Daß es noch ganz, ganz lange existiert und weiterhin einen so starken Publikumszuspruch hat. Wie der Vertreter der Stadt ja auch heute abend festgestellt hat, sind die Subventionen, die die privaten Theater kriegen, im Verhältnis zu den großen, also Opernhaus und Schauspielhaus, verschwindend klein - aber wir kämpfen und wir werden uns erhalten, davon gehe ich aus.

SB: Dafür wünschen wir Ihnen alles, alles Gute. Vielen Dank.


Beispielsweise: Christoph Munk

Christoph Munk war lange Jahre Redakteur der Kieler Nachrichten, Theater- und Filmkritiker und kulturpolitischer Kommentator. Als Regisseur ist er bei den Kieler Komödianten nicht mehr wegzudenken.

Schattenblick (SB): Herr Munk, können Sie sich an Ihre ersten Erfahrungen in diesem Theater erinnern?

Christoph Munk (CM): Ja, daran kann ich mich gut erinnern. Ich habe die erste Vorstellung gesehen und war ganz einfach begeistert, daß es in Kiel ein weiteres Theater gibt, zum ersten Mal ein Privattheater. Das fand ich toll. Ich kannte das aus anderen Großstädten und fand, daß es in Kiel immer gefehlt hat. Und ich fand 's wunderbar, wie unkonventionell das alles ablief, und wie viel man da machen konnte, obwohl die Mittel sehr gering waren. Welche Initiative und Energie da in die Stadt kam, das fand ich von Anfang an auch als Theaterredakteur bei den Kieler Nachrichten einfach phantastisch.

SB: Sie haben die Anfänge als Redakteur begleitet, nicht als Regisseur?

CM: Als Regisseur habe ich erst später angefangen. 1986 hat mich Markus zum ersten Mal überredet, selber Regie zu führen. Da hatte er ein Jahr lang an mir gearbeitet, bis ich dazu bereit war, das zu tun. Aber in seiner Art (lacht), Überzeugungsarbeit zu leisten, hat er es dann irgendwann geschafft und dann habe ich gesagt, gut, ich suche mir ein Stück aus, aber du mußt mir helfen.

SB: Sie haben heute noch einmal die verschiedenen Spielstationen der Komödianten innerhalb und außerhalb Europas aufgezählt. Waren Sie immer mit dabei?

CM: Ich war viel mit dabei, nicht bei allen Veranstaltungen, aber bei den meisten. Was ich ganz hautnah erzählen kann, sind unsere Erlebnisse in Managua und in New York. Bei der Geschichte Goethe geht baden, auf dem Kieler Leuchtturm oder draußen auf dem Schiff zum Beispiel, da war ich immer begleitend dabei. Ab '86 habe ich dann ja auch Regie geführt. Ich habe mich immer ein bißchen verantwortlich gefühlt für die Abläufe, das Zusammenstellen von Showprogrammen, so etwas.

SB: Was war Ihr eindrücklichstes Erlebnis im Zusammenhang mit diesem Theater?

CM: Eins der eindrücklichen Dinge war sicherlich der Besuch in Managua bei Ernesto Cardenal, wo ich merkte, daß dort die Dinge anders laufen, als unsere Kulturpolitik von Deutschland aus sich das vorgestellt hat. Ich habe da einmal einen Satz gehört von Sergio Rincón, der sagte: Die schicken uns vom Goethe-Institut immer so Leute wie Dorothee Sölle oder Günther Grass, aber damit können wir nichts anfangen. Wir brauchen niemand, der uns sagt, daß wir im Krieg sind, denn das wissen wir, das erleben wir jeden Tag. Das war ja noch in der Endzeit des Krieges der Sandinisten gegen das Somoza-Regime und sie sagten, den Krieg haben wir täglich vor der Tür, darüber müssen wir uns nicht von Europäern belehren lassen. Macht doch etwas, das Ihr mit uns feiern könnt. Wir wollen lernen, wieder zu feiern. Sie hatten einfach eine andere Ansicht davon, was Kultur und was Kunst in diesem Land gerade machen sollte, anders als das Behütete, konzeptionell Durchdachte, das wir aus Europa mitbrachten. Wir sollten ja Der Kleine Prinz spielen. Ihr müßt uns Geschichten erzählen, haben sie gesagt, ihr müßt uns wieder Märchen erzählen, das ist wichtig. Was wir da mitbekommen haben an lebendiger, spontaner Kultur, das war mit eines der eindringlichsten Erlebnisse.

SB: Aber Sie haben dort nicht gespielt.

CM: Nein, es kam überhaupt nicht dazu. Dabei war alles organisiert. Sie haben gesagt, Eure Flüge können wir nicht bezahlen, aber sobald Ihr das Land betretet, bezahlen wir alles. Wir transportieren Euch, wir bringen Euch unter, wir verpflegen Euch. Aber das Goethe-Institut meinte, das steht nicht auf unseren Plänen, da haben wir etwas anderes für die nächsten Jahre, wie kommen Sie dazu, von sich aus so etwas zu planen? Das geht gar nicht. Das unterstützen wir nicht. Wir hätten ja acht bis zehn Leute mitnehmen müssen, hätten acht bis zehn Flüge bezahlen müssen, das wäre gar nicht zu finanzieren gewesen. Und daran ist es letzten Endes gescheitert.

SB: Wann war das genau?

CM: Das muß 1986/87 gewesen sein, die Zeit, als die Sandinisten auch hier bei uns eine große Nummer waren, als viele junge Deutsche nach Nicaragua gefahren sind, um Entwicklungshilfe zu leisten.


Christoph Munk im Porträt mit nachdenklichem Gesichtsausdruck - Foto: © 2019 by Schattenblick

Kritische Reflexionen zum Theater - Regisseur Christoph Munk
Foto: © 2019 by Schattenblick

SB: Was wünschen Sie dem Theater für die nächsten 35 - oder sagen wir mal, fürs nächste Jahr, denn Theaterleute gucken ja nicht so weit?

CM: Dem Theater wünsche ich einfach, daß es weiter durchhält, daß es Möglichkeiten findet, mit diesen doch relativ geringen Mitteln weiter zu existieren, weil es ein Leben von der Hand in den Mund ist. Daß man im Hinterkopf immer die Einnahmen haben muß, wenn ich als Regisseur anfange, zu inszenieren - Kriegen wir damit den Saal voll? -, das ist eigentlich etwas, was nicht unbedingt etwas mit den Aufgaben des Privattheaters oder der freien Theater zu tun hat. Sondern die sollten genügend Freiheiten haben, auch Dinge zu probieren, die vielleicht nicht unbedingt ein Publikumserfolg sind, die auch ästhetisch mal gewagt sind, die neue Wege beschreiten. Dazu müßte man einfach mehr Geld im Hintergrund haben, mehr Zusagen: Wir bezahlen das.

Im Moment sind ja die Richtlinien des Landes immer noch so ausgerichtet, daß es eine Erfolgsprämie gibt. Nach den Richtlinien der Theaterförderung für die privaten Theater gibt es eine Grundförderung für zwei oder drei Premieren im Jahr und die Restförderung für verkaufte Eintrittskarten. Jede verkaufte Eintrittskarte wird belohnt, was bedeutet, daß die, die Erfolg haben, noch eins oben drauf kriegen, und die, die etwas wagen und riskieren und vielleicht nicht so viel Erfolg haben, darunter leiden. Das habe ich damals als KN-Kulturredakteur noch heftig kritisiert, da war ich aber der Einzige im Lande, der sich journalistisch darum gekümmert hat. Es wurde dann einfach so durchgezogen, und es ist bis heute so.

Markus Dentler bezeichnet diese Förderung immer als Almosen und stößt dann überall auf Widerwillen, weil er das Wort Almosen ausspricht. Aber wenn man mal umrechnet, was da zusammenkommt, davon könnte man bei der Stadt gerade mal eine Sekretärinnenstelle bezahlen. Was soll man hier damit bezahlen? Es gibt hier kaum die Chance, auch nur einem Techniker mal das Jahr über ein Minigehalt zu geben. Mindestlohn, das ist ein Traum für die freien Theater, Mindestlohn können sie alle nicht bezahlen.

Ich bin ja jetzt Rentner. Ich brauche das nicht mehr zum Leben oder habe es nie zum Leben gebraucht. Ich hatte mein gutes Redakteursgehalt und konnte immer sagen, ich bin so frei, das nebenberuflich zu machen.

SB: Ganz herzlichen Dank und noch einen schönen Abend.

CM: Danke, Ihnen auch.


13. Mai 2019


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