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TIERHALTUNG/503: Käfigfrei statt Käfigei (PROVIEH)


PROVIEH Heft 1 - März 2010
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Käfigfrei statt Käfigei

Von Stefan Johnigk


Was unterscheidet eigentlich eine Legebatterie von einem ausgestalteten Käfig oder der so genannten Kleingruppenhaltung? Fast gar nichts, jedenfalls aus Sicht vieler Millionen ihrer Insassen, der Legehennen. All diese Käfige sind drangvoll zu eng, in ihnen ist weder Sand- noch Sonnenbaden erlaubt, keine ungestörte Eiablage oder Nachruhe möglich und es herrscht ein ständiger sozialer Stress. Würden die Betreiber nicht ständig das Licht auf die Helligkeit einer Vollmondnacht verdunkeln, käme es durch Federpicken und Kannibalismus zu blutigen Verlusten unter den Hennen. Aus Sicht der Betreiber aber gibt es einen entscheidenden Unterschied: Die herkömmlichen Legebatterien sind seit dem 1. Januar 2009 in Deutschland verboten. Spätestens ab Januar 2010 sollten alle deutschen Käfighennen nach dem Willen der Bundesregierung in die Käfige der so genannten "Kleingruppenhaltung" umgezogen sein. Das ist die deutsche Variante der "ausgestalteten Käfige", die ab dem 01.01.2012 EU-weit die Legebatterien ablösen sollen.


Vollzugsdefizit bei Käfigverbot?

Auch die Kleingruppenhaltung ist aus Tierschutzsicht ungenügend und wird mit Recht zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht überprüft. Anders sieht das die Eierindustrie. Sie preist die Fortführung der Käfighaltung frech als Fortschritt für den Tierschutz. Doch wer daraus im Umkehrschluss ableitet, die deutschen Käfigei-Barone würden ihre Umstellung auf Kleingruppenhaltung mit einem medienwirksamen "Tag der offenen Tür" begehen, hat sich getäuscht. Die Betriebe bleiben hermetisch abgeriegelt gegenüber den kritischen Blicken von Tierschützern und Medien. Der ehemalige Cloppenburger Veterinäramtsleiter Dr. Hermann Focke geht davon aus, dass hinter verschlossenen Stalltüren immer noch Millionen Hennen in den verbotenen Batteriekäfigen ihr Dasein fristen. Zu viele Betriebe haben im Verlauf des Jahres 2009 Übergangsfristen in Anspruch genommen und weiterhin Hennen in ihre alten Käfiganlagen eingestallt. Es würde einen enormen Aufwand bedeuten, diese Tiere noch während ihrer rund 360 Tage Käfighaft "umzustallen". PROVIEH erwartet daher, dass es beim Verbot der Käfighaltung zu stillschweigend geduldeten Vollzugsdefiziten gekommen ist. Entsprechende Beobachtungen und Hinweise wird der Fachverband mit Nachdruck verfolgen.


Gemeinsam gegen Käfigeier

Der Markt für Eier aus der Kleingruppenhaltung schrumpft in Deutschland. Noch bis Juni 2008 stammten nahezu unverändert über 40 % aller verkauften Haushaltseier - also die klassischen Frühstückseier mit Schale - aus Käfighaltung. Im Juli 2008 startete ein Tierschutzbündnis mit der Albert-Schweitzer-Stiftung als Koordinator und PROVIEH als Partner eine bundesweite Kampagne. Führende Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels sollten mit professioneller Arbeit und wachsendem Druck überzeugt werden, den Verkauf von Käfigeiern so schnell wie möglich komplett zu stoppen. Mit großem Erfolg: Bereits vier Monate später lagen die Verkäufe von Eiern aus Käfig- und aus Bodenhaltung gleichauf bei 34 % und bis Oktober 2009 fiel der Anteil der Käfigeier im Supermarktregal auf unter 19 %. Die Kunden griffen stattdessen zu Eiern aus Bodenhaltung. Deren Anteil stieg auf fast 50 %, der Verkauf von Freilandeiern (25 %) und Bioeiern (7 %) blieb nahezu unverändert.


Umstellung verschlafen

Wer schlau war und rechtzeitig von Käfig- auf Bodenhaltung umgestellt hatte, konnte im Sog der Tierschutzkampagnen von der steigenden Nachfrage nach Eiern aus alternativen Haltungsformen profitieren. Doch offenbar ist weise Voraussicht keine weit verbreitete Eigenschaft in der Eierindustrie. Die wachsende Nachfrage in Deutschland lief mangels Angebot voll ins Leere. So wurden immer mehr bundesdeutsche Eierbecher mit Ware aus holländischer Bodenhaltung statt aus deutschen Kleingruppenkäfigen bestückt. In nur einem Jahr fiel der Selbstversorgungsgrad mit Eiern in Deutschland von über 67 % auf unter 54 %. Die "Käfigfrei"-Kampagne konzentriert sich mittlerweile auf Verhandlungen mit den Abnehmern verarbeiteter Käfigeier. Das knappe Angebot von Eiern aus alternativen Haltungsformen stellt eine echte Herausforderung dar. Viele Unternehmen wollen dem drohenden Imageverlust vorbeugen und umstellen, können das mangels Angebot aber noch nicht. Noch gilt ihnen daher im Kampagnenalltag eine Schonfrist. Doch Käfigei bleibt Käfigei und PROVIEH wird mit seinen Bündnispartnern weiter dafür kämpfen, dass Deutschland käfigfrei wird!


Quellen:
- AMI Agrarmarkt-Informationsgesellschaft mbH
- Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 2009


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Quelle:
PROVIEH Heft 1, März, 2010, Seite 16-17
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
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Internet: www.provieh.de

PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2010