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TIERHALTUNG/506: Nichts zu Meckern - artgerechte Milchziegenhaltung auf Naturschutzflächen (PROVIEH)


PROVIEH Heft 1 - März 2010
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Nichts zu Meckern: artgerechte Milchziegenhaltung auf Naturschutzflächen

Peter Stuckert im Gespräch mit Kathrin Kofent


Die maschinelle Mahd von Grünlandflächen tötet jährlich Tausende junger Feldhasen, Rehe und Bodenbrüter wie Feldlerche, Wachtel oder Rebhuhn oder zerstört deren Gelege. Sehr viel schonender für das gesamte Ökosystem ist, wenn Tiere die Vegetation kurz halten. Besonders gut hierfür eignen sich Ziegen. Ihre Trittwirkung ist schonend, und das Spektrum ihrer Futterpflanzen ist breit. So pflegen sie schonend die Landschaft. Nicht selten findet man Herden von Burenziegen, einer typischen Fleischziegenrasse, die vom Frühling bis in den Herbst Flächen vor dem Verbuschen schützen. In milderen Gebieten werden Ziegen sogar nahezu ganzjährig im Freien gehalten. An der Universität Kassel, Zweigstelle Witzenhausen, wird die mögliche Zucht einer Landschaftspflegeziege erforscht [1].

Peter Stuckert und Ulf Clausen aus dem schleswig-holsteinischen Jübek wollen noch etwas weiter gehen. 2006 gründeten sie im auf einem ehemaligen Bundeswehr-Gelände den Hof Ziegenland und halten dort 500 Milchziegen nebst Nachzucht nach Bioland-Richtlinien. Die Jungtiere und die männliche Nachzucht wurden bereits erfolgreich im Naturschutz eingesetzt, doch die Milchziegen mussten bislang stall- und melkstandnah weiden. Dies soll sich nach dem Wunsch der Betriebsinhaber ändern. Sie planen ein deutschlandweit vermutlich einmaliges, zukunftsweisendes Projekt: Milchziegen sollen auf großräumigen Naturschutzflächen frei laufen und mittels eines mobilen Melkstandes gemolken werden.

Der Ziegenexperte Peter Stuckert erläutert: "Unsere Überlegung zum Beweiden von Naturschutzflächen mit Milchziegen basiert auf Erfahrungen, die wir in den letzten zwei Jahren mit unseren Ziegen gemacht haben. Bei der Beweidung von Naturschutzflächen sind die Rinder nicht in der Lage die Verbuschung aufzuhalten. Die Ziege hat ein komplett anderes Fressverhalten als Rinder. Sie bevorzugt, wenn möglich, Blätter und Triebe von Büschen und kleinen Bäumen, nimmt aber auch Kräuter und andere Pflanzen, die von den Rindern nicht gerne gefressen werden.

Wir können uns vorstellen, dass diese Art der Beweidung nicht nur für Fleischziegen, sondern auch für Milchziegen geeignet ist. Artgerechter könnten sie in den Sommermonaten wahrscheinlich nicht gehalten werden, und auch für Touristen wäre das Projekt eine regionale Attraktion.

Wie bei einem Alpauftrieb in den Bergen sollen die Milchziegen je nach Witterung von Mitte April bis in den Herbst auf den Flächen leben. Zwar könnten sie dort mit einem mobilen Weidezaun auf immer neuen Flächen beisammen gehalten werden, doch wir würden für das Hüten gerne Hütehunde einsetzen. Mit ihrer Hilfe zieht man mit der Herde den Tag über durch das Gelände und lässt die Ziegen kontrolliert fressen. So kann auch eine Überweidung verhindert werden, und Problemstandorte mit zu starker Verbuschung könnten gezielt aufgesucht werden.

Für Schattenplätze, Unterstände bei Regenwetter und ständig frisches Wasser muss gesorgt werden. Auf dem Gelände müssen Strom und Wasser vorhanden sein (Festanschlüsse oder Generator, Wassertanks). Abwässer vom Melkstand müssen in getrennten Behältern aufgefangen werden.

Den Melkstand würden wir auf einen Tieflader bauen, der mit einem Schlepper transportiert werden kann. Unseres Wissens gibt es einen solchen Melkstand noch nicht. Wir denken aber, dass er relativ einfach zu realisieren ist. Die Ziegen würden wie gewohnt morgens und abends gemolken werden. Die Milch muss sofort gekühlt und am gleichen Tage abtransportiert werden."

Die Ziegenhalter aus Jübek sehen zahlreiche Vorteile in ihrem Pilotvorhaben. Die Haltung der Milchziegen auf den Naturschutzflächen kommt den natürlichen Lebensbedürfnissen dieser Tiere sehr entgegen. Die Ziegen können in einer artgerechten Umgebung klettern, springen, laufen und ruhen. Die artspezifische selektive Futtersuche der Ziegen wird in idealer Weise unterstützt. Sie bekommen abwechslungsreiches und optimales Futter. Die Freilandhaltung und das breite Futterspektrum halten die Ziegen gesund.

Die Umwelt profitiert ebenfalls, denn durch die Ziegen wird eine Verbuschung der Naturschutzflächen kostengünstig verhindert.

Auch für den Ziegenhalter hat die Naturschutzflächenbeweidung deutliche Vorteile. Die Futterkosten werden gesenkt, und weil Milchziegen als aktive Naturschützer ein idyllisches, lebendiges und anziehendes Bild bieten, wären sie auch für Touristen eine willkommene Attraktion.

Doch ein Hauptproblem bleibt: Wer trägt die Entwicklungskosten für den Melkstand?

PROVIEH hält das Projekt auf Hof Ziegenland für außerordentlich wertvoll und wird es nach Kräften unterstützen.


[1] www.wiz.uni-kassel.de/ntier/lpz.html


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Quelle:
PROVIEH Heft 1, März, 2010, Seite 37-39
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
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E-Mail: info@provieh.de
Internet: www.provieh.de

PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2010