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TIERHALTUNG/558: Antibiotika-Fachtagung mit einem Plädoyer für artgerechte Tierhaltung (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 357 - Juli/August 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Resistente Keime aus Tierhaltung

Antibiotika-Fachtagung mit einem Plädoyer für artgerechte Tierhaltung



Bei einer Fachtagung der Grünen im Niedersächsischen Landtag ging es im Mai um den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung. Agrarsprecher Christian Meyer stellte fest, man müsse an das Kernübel der Massentierhaltung, die Tierzahl, Tierdichte und Mastdauer, heran, statt mit Antibiotika an den Symptomen herumzudoktern. Eine im Frühjahr veröffentlichte Studie des niedersächsischen Agrarmimsteriums zeigte, dass 97 Prozent der Puten, 76 Prozent der Masthühner und 68 Prozent der Schweine mit Antibiotika behandelt werden. Der Präsident der Bundestierärztekammer Prof. Mankel forderte geringere Besatzdichten etwa in der Geflügelmast und ein Ende der stark wachstumsorientierten Züchtungen.


Antibiotika, MRSA, ESBL

Dr. Thomas Fein nannte als Gefährdungspotenzial für die Verbreitung von auch durch den übermäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung entstehenden MRSA- und ESBL-Bakterien nicht nur die weit über 1 km reichenden Emissionsfahnen, sondern auch die Ausbringung von Gülle und Hühnerkot. Nutzpflanzen könnten die auf die Felder gebrachten MRSA aufnehmen. Resistenzen würden durch die systematische Gabe unterdosierter Antibiotika geradezu gezüchtet. Eine BUND-Studie fand im Auftauwasser von jedem zweiten im Laden gekauften Hähnchen multiresistente Keime, ebenso im Umfeld von Mastställen. Bei Schweinen aus tiergerechter Haltung und bei deren Haltern ermittelte das Robert-Koch-Institut, RKI, deutlich weniger Keime.


Betriebsgröße und Haltungsform

Laut Peter Knitsch vom NRW-Agrarministerium werden rund 92 Prozent der Hähnchen mit Antibiotika behandelt; mit bis zu acht Wirkstoffen. In rund 40 Prozent der Fälle würden die Präparate nur für einen Tag gegeben, eine mögliche Erkrankung der Tiere also nicht austherapiert. Er wertete dies als Indiz, dass bei einer Reihe dieser Kurzbehandlungen nicht die therapeutische, sondern die seit 1996 verbotene Mastbeschleunigung das Ziel des Einsatzes ist. Die Studie hat auch gezeigt, dass ein klarer Zusammenhang zwischen der Betriebsgröße und dem Antibiotika-Einsatz besteht. In kleineren Betrieben und in Biobetrieben sowie bei längerer Mastdauer werden deutlich weniger Antibiotika eingesetzt. Nach Auskunft des Ministeriumsvertreters setzte NRW mittelfristig auf einen vollständigen Verzicht von Antibiotika. Dass es auch anders geht, erläuterte Reinhild Benning vom BUND. Die Tiere hätten bei einer ökologischen bzw. artgerechten Haltung deutlich mehr Platz in kleineren Beständen. Wegen der geringeren Energiedichte des Futters seien die Leistungsanforderungen an den Organismus des Tieres geringer und es würde deutlich weniger Antibiotika eingesetzt.


"Moderne Tierhaltung"

Für Dr. Thomas Große Beilage, Vorsitzender des Arzneimittelausschusses der Bundestierärztekammer, ist die preisgünstige Produktion ein Fortschritt der "modernen Landwirtschaft". Im Übrigen verordne der Tierarzt die Medikamente nur - über Umfang und Zeitraum einer Behandlung entscheide einzig der tierhaltende Betrieb. Datenbankbasierte Meldepflichten über den Einsatz von Antibiotika sowie eine Einschränkung des Dispensierrechts (Recht der Tierärzte zum Verkauf von Medikamenten) lehnte er ab. en


Die Dokumentation des Fachgesprächs ist online verfügbar:
http://www.christian-meyer-gruene.de/cms/default/dok/411/411688.antibiotikaeinsatz_in_der_tierhaltung_ri.html

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 357 - Juli/August 2012, S. 5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2012