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TIERHALTUNG/636: Gequält, totgeschlagen und weggeworfen (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Gequält, totgeschlagen und weggeworfen

Von Sabine Ohm



Die gleichnamige erschütternde ARD-Dokumentation über grausige Missstände in der Ferkelerzeugung hat die Politik und die gesamte Branche aufgerüttelt. In der am 14. Juli 2014 ausgestrahlten Sendung wurden unter anderem reihenweise nicht tierschutzgerechte Tötungen von Ferkeln gezeigt.


Systembedingte Probleme

Besonders grausam erschien die in der Großanlage Gut Losten gezeigte Methode: Mitarbeiter gingen von Bucht zu Bucht, zählten kurz die Ferkel durch, griffen eines oder zwei heraus und schlugen sie gegen die Wand oder auf den Boden, bevor sie achtlos in Abfalltonnen oder auf den Stallgang geworfen wurden. Nach Angaben des Betriebsleiters gegenüber der Presse wurden dort bisher jede Woche rund ein Prozent aller Ferkel (20 bis 30 pro Woche) so erschlagen. Ähnliche Bilder aus anderen Betrieben gingen bereits im Dezember 2013 durch die Medien und führten ebenfalls zu staatsanwaltlichen Ermittlungen.

Der Verdacht besteht, dass nicht nur Ferkel "unsachgemäß erlöst" werden, die durch Krankheit oder Missbildung todgeweiht sind. Es werden wohl häufiger auch "überzählige" lebensschwache Ferkel getötet, deren Aufzucht arbeitsintensiv und teuer wäre. Dass die Sauenhalter allgemein ein Interesse daran hätten, jedes lebensfähige Ferkel großzuziehen, wie die landwirtschaftliche Fachpresse schreibt, ist ein Gerücht (siehe Infobox); denn in den stark rationalisierten Strukturen und Abläufen der modernen Massentierhaltung haben Tiere, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, meist keinen Platz (siehe PROVIEH-Magazin 1/2014).


Erlasse bringen Klarheit

Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt reagierten bereits mit Erlassen auf die Berichterstattung, um die Tötung lebensschwacher Ferkel aus ökonomischen Gründen ausdrücklich zu verbieten. Außerdem wurden die zuständigen Kreisveterinärämter über die vorschriftsmäßigen Betäubungs- und Tötungsmethoden informiert. Nach einem betäubenden Schlag auf den Kopf mit einem stumpfen Gegenstand (beispielsweise ein Rundholz) muss der Betäubungserfolg kontrolliert werden - zum Beispiel durch Cornealreflexprüfung (ins offene Auge fassen). Anschließend müssen die betäubten Tiere beispielsweise durch Entblutung getötet werden. Das würde aber die rationalisierten Betriebsabläufe besonders stören, weil dies aus hygienischen Gründen nicht im Stall getan werden darf.

Nottötungen sind rechtlich nur bei nicht überlebensfähigen Ferkeln - zum Beispiel im Falle von Missbildungen oder schwersten Erkrankungen - erlaubt. Mit ihren Erlassen weisen die Bundesländer die amtlichen Vollzugsbehörden eindeutig und ohne Interpretationsspielräume zu verschärften Kontrollen an. Bei Verdacht auf Rechtsbruch müssen tote Ferkel in staatlichen Labors untersucht werden. Bei wiederholten Verstößen fordert PROVIEH die Entziehung der Tierhaltungserlaubnis.


Umdenken und umlenken

Aber schärfere Kontrollen allein bringen zu wenig, denn es liegt ein ungelöstes strukturelles Problem vor: Die einseitig auf Hochfruchtbarkeit gezüchteten Sauen bekommen einfach zu viele Ferkel, die sie auf natürliche Weise nicht alle durchbringen können (siehe PROVIEH-Magazin 2/2014). Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass hohe Ferkelzahlen pro Wurf einhergehen mit großer Streuung der Geburtsgewichte und mehr untergewichtigen, teilweise kaum überlebensfähigen Ferkeln. PROVIEH fordert deshalb seit langem die Änderung der Zuchtziele auf weniger, dafür aber vitalere Ferkel mit durchschnittlich höheren, gleichmäßigeren Geburtsgewichten (über 1.500 Gramm). Die Ferkelzahl eines Wurfs sollte in der Regel die Zitzenzahl einer Sau nicht übersteigen, so dass die Sauen im Normalfall ihre eigenen Jungen aufziehen können.

Solange dies noch nicht der Fall ist, kommt auf die Sauenhalter Arbeit zu. Sie müssen nicht überlebensfähige Ferkel tierschutzgerecht betäuben und töten sowie für die gesetzeskonforme Aufzucht von lebensschwachen, aber überlebensfähigen Ferkeln sorgen. Dafür brauchen sie Sachkunde durch praxisnahe Unterstützung wie Leitfäden und Fortbildungsangebote der Landesversuchszentren und Landwirtschaftskammern. Das Thema Tierschutz wurde generell in landwirtschaftlichen Lehrberufen und Studiengängen bisher sträflich vernachlässigt. Das sollte schnell behoben werden, auch um die künftigen Tierhalter und -betreuer ausreichend auf die vielen anderen drängenden Themen des Nutztierschutzes ausreichend vorzubereiten.

INFOBOX
Untergewichtige Tiere, die oft mit weit unter 1.000 statt 1.500-1.700 Gramm zur Welt kommen, brauchen einen erhöhten Arbeitseinsatz, um eine ausreichende Versorgung mit Nahrung sicherzustellen. Zum Beispiel müssen sie in den ersten Tagen von Hand immer wieder an eine milchreiche Zitze angelegt werden bei gleichzeitiger Separierung größerer Ferkel, um Verdrängung und Konkurrenzkämpfe zu vermeiden. Bei "überzähligen" Ferkeln müssen natürliche oder künstliche Ammen eingesetzt werden, was ihnen aber weniger gut bekommt als bei der Mutter zu bleiben. Untergewicht führt zudem häufiger zum Kränkeln, so dass die Tiere in der Entwicklung zurückbleiben ("Kümmerer"), Futter schlechter verwerten und insgesamt eine wirtschaftliche Belastung mit erhöhtem Ausfallrisiko darstellen.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014, Seite 28-29
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2014