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JUSTIZ/198: Das unerfüllte Grundgesetz für Tiere (tierrechte)


tierrechte Nr. 49, August 2009
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

Das unerfüllte Grundgesetz für Tiere

Von Eisenhart von Loeper


Über sieben Jahre ist es her, dass der Deutsche Bundestag und die Bundesländer den staatlichen Schutzauftrag für die Tiere zum Bestandteil unseres Grundgesetzes erhoben. Das beruhte auf unserer Initiative und war auch unser Erfolg. Aber wo bleiben die Folgeschritte der Gesetzgebung - im praktischen Vollzug und in der Rechtsprechung?


Verbandsklage überfällig

Das Grundgesetz, dessen 60-jährige Geltungsdauer am 23. Mai 2009 gefeiert wurde, gewährleistet für jedes Grundrecht der Menschen, dass es verfassungskräftig einklagbar ist. Der Umwelt- und Naturschutz, der dem Tierschutz nahesteht, wurde 1994 zum Verfassungsgut aufgewertet und vier Jahre später mit der Verbandsklage gesetzlich bekräftigt. Für den Tierschutz ist Gleiches überfällig. Es ist doch eine Binsenweisheit, dass nicht-einklagbares Recht im Konfliktfalle regelmäßig nicht beachtet wird und oft praktisch wertlos ist. Warum also versäumen jene Parteien, die den Tierschutz ins Grundgesetz brachten, nach sieben Jahren noch immer den Folgeschritt, die Tierschutz-Verbandsklage gesetzlich einzuführen? Was fehlt, ist ein gesellschaftlich durchdringender Mentalitätswechsel für die Teilhabe der Tiere an einer wirksamen Rechtsordnung. Wie sehr dies notwendig ist, zeigt das folgende Beispiel aus meiner jüngsten anwaltlichen Fallpraxis.


Schwere Tierschutzdefizite der Amtsträger

Eine gewerbliche Hundezüchterin hält 104 Terrier nicht artgerecht, davon einen großen Teil eingepfercht in verschlossenen Transportboxen im Keller ohne Licht und Wasser. Als das Landratsamt 23 Hunde beschlagnahmt und auf fünf Tierheime verteilt, sind sie in einem vielfach verflohten, schlechten Pflegezustand und leiden unter schweren psychischen Störungen. Nur mit Hilfe einer Strafanzeige gegen die Hundezüchterin wegen Tierquälerei und anwaltlicher Einsichtnahme in die Ermittlungsakten lassen sich schwere Tierschutzdefizite der Amtsträger aufdecken: Der Veterinäroberrat behauptet nach allzu flüchtiger Kontrolle fehlende Anzeichen von Tierquälerei, der Staatsanwalt lässt deshalb viele dafür benannte Zeugen der fünf Tierheime nicht vernehmen, massive Verhaltensstörungen der Hunde werden so nicht erfasst, und beim Verwaltungsgericht schließt das Landratsamt mit dem Anwalt der Hundezüchterin trotz deren schwerer Vorstrafe wegen Menschenhandels und trotz erwiesener tierbezogener Unzuverlässigkeit einen Vergleich, der eine verminderte Fortschreibung der Hundezucht gestattet. So bleibt der Tierschutz gnadenlos auf der Strecke.


Treuhänder für die Tiere

Fazit: Die geschilderte beschämende Schieflage zulasten der Tiere beruht darauf, dass ihnen die vom Grundgesetz gewollte Teilhabe am Recht verweigert wird. Das wäre vermieden worden, wenn das gesetzliche Beteiligungs- und Klagerecht anerkannter Tierschutzverbände bestünde. Denn diese hätten dann vom Landratsamt die Untersagung der gewerblichen Tierzucht wegen schwerer Missstände einfordern und gerichtlich durchsetzen können.

Die gesetzlich gewährten Erfordernisse, Tiere zu schützen, zählen bei den Behörden und den Gerichten erst wirklich, wenn die Ansprüche der Tiere durch anerkannte Treuhänder einklagbar sind.

Alle erfahrenen und vom Tierschutz berührten Personen und Gruppen, namentlich die Tierärzteschaft und auch Juristen, sollten jetzt zusammenwirken: Der grundgesetzliche Schutz für Tiere steht und fällt mit dem Beteiligungs- und Klagerecht für Tiere.

Gefragt sind kreative Ideen, neue Befürworter und Bündnisse, um gesellschaftliche und politische Mehrheiten für die Tierschutz-Verbandsklage zu gewinnen. Das wird gelingen, wenn die Überzeugung wächst: Die Teilhabe der Tiere am Recht einschließlich der dazu notwendigen Verbandsklage stärkt das Gemeinwesen und ist vorbildlich für den besseren Schutz der Schwächeren. Das Grundgesetz auch für die Tiere muss endlich erfüllt werden!


Dr. jur. Eisenhart von Loeper ist Ehrenmitglied des Bundesverbandes und war über fast zwei Jahrzehnte dessen Vorsitzender. Auf seine Initiative und sein langjähriges Engagement ist die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz zurückzuführen.


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Quelle:
tierrechte - Nr. 49/August 2009, S. 13
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2009