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TIERVERSUCH/605: Gentechnik - Trend zu immer mehr Tierversuchen stoppen! (Testbiotech)


Testbiotech - Pressemitteilung vom 2. Juli 2014

Gentechnik: Trend zu immer mehr Tierversuchen stoppen!

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt soll ethische Grenzen stärken



2. Juli 2014 - In einem offenen Brief fordert ein Bündnis von Organisationen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt auf, gegen den Anstieg von Tierversuchen im Bereich Gentechnik aktiv zu werden. Die Organisationen Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Ärzte gegen Tierversuche e. V., Bund gegen Missbrauch der Tiere, Jane Goodall Institut Deutschland, Gen-ethisches Netzwerk, Gesellschaft für ökologische Forschung, Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner, Kein Patent auf Leben!, TASSO e. V., Testbiotech und Wild Chimpanzee Foundation beziehen sich dabei auf die offiziellen Statistiken des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Demnach ist die Anzahl verbrauchter transgener Tiere im Jahr 2012 auf fast eine Million gestiegen. Das entspricht einer Erhöhung um 78 % innerhalb von nur fünf Jahren.

"Seit Jahren beobachten wir eine Entwicklung im Bereich der Gentechnik, die zu einem immer höheren Verbrauch an Tieren führt. Dies steht im Gegensatz zu den in Deutschland und der EU geltenden gesetzlichen Zielsetzungen, künftig weniger Versuchstiere für wissenschaftliche Zwecke einzusetzen", sagt Christiane Baumgartl von Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner. "Minister Schmidt darf nicht wie seine Vorgänger einfach nur tatenlos zusehen. Wir brauchen hier viel strengere Regeln."

Die Organisationen warnen davor, dass die neuen Methoden der Synthetischen Gentechnik zusätzlich dazu führen, dass Versuchstiere in immer kürzerer Zeit gentechnisch manipuliert werden können. Die Synthetische Gentechnik arbeitet mit sogenannten Gen-Scheren und künstlich synthetisierter DNA und erlaubt radikale Veränderungen am Erbgut von Tier und Mensch.

"Die Manipulation von Versuchstieren hat inzwischen eine neue Dimension erreicht. Dabei stehen keineswegs immer drängende medizinische Probleme im Vordergrund. Vielmehr geht es oft um wirtschaftliche Ziele oder schlicht darum, die Grenzen der Machbarkeit systematisch auszuweiten", sagt Christoph Then von Testbiotech. "Wir müssen die ethischen Grenzen stärken, um die genetische Integrität und die Identität der Tiere zu schützen."

In ihrem Brief an Minister Schmidt formulieren die Organisationen einen Katalog von zehn Fragen und fordern konkrete Maßnahmen. Notwendig sind unter anderem gesetzliche Vorgaben zum Schutz der genetischen Integrität von Tieren sowie kurzfristig wirksame Maßnahmen, um den Verbrauch an Versuchstieren einzudämmen.

Gefordert wird auch ein Verbot der Patentierung von Tieren, da über Patente ein Anreiz geschaffen wird, Tierversuche auch aus rein wirtschaftlichen Motiven durchzuführen. Das Europäische Patentamt hat bereits mehr als 1500 Patente auf Tiere erteilt, unter anderem sogar auf Schimpansen, die mit synthetischen Genen manipuliert wurden.

Brief an Bundesminister Christian Schmid:
www.testbiotech.org/node/1070

Anlage zum Brief:
www.testbiotech.org/node/1069

Weitere Informationen zu den Organisationen:
albert-schweitzer-stiftung.de
www.aerzte-gegen-tierversuche.de
www.bmt-tierschutz.de
www.janegoodall.de/
www.gen-ethisches-netzwerk.de
www.keinpatent.de
www.oekologische-forschung.de
www.tasso.net
www.tierrechte.de
www.testbiotech.org
www.wildchimps.org

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OFFENER BRIEF

Absender: Testbiotech, Frohschammerstr. 14, 80807 München

An:
Christian Schmidt
Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft
Wilhelmstr. 54
10117 Berlin

Offener Brief

CC an Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Fraktionsvorsitzenden sowie die tierschutz- und forschungspolitischen Sprecher der Fraktionen im Deutschen Bundestag, die Ressortministerien der Bundesländer



München , 2. Juli 2014

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

während in anderen Bereichen die Anzahl der Tierversuche eher stagniert, steigen die Versuche mit gentechnisch veränderten Tieren seit Jahren an. Das geht aus offiziellen Statistiken hervor, die das von Ihnen geführte Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft jedes Jahr veröffentlicht. Im Jahr 2012 ist die Anzahl verbrauchter transgener Tiere auf fast eine Million gestiegen. Zumeist handelt es sich dabei um Mäuse. Zudem werden Ratten, Kaninchen, Schweine, Fische und Amphibien verwendet. Neue Technologien wie das systematische Ausschalten von Genen ("knock-out") oder der Einbau neuer synthetischer DNA ("knock-in") lassen die Zahlen immer weiter ansteigen, ohne dass der konkrete medizinische Nutzen in ähnlicher Weise erhöht würde.

Zudem werden immer mehr Patente auf gentechnisch veränderte Versuchstiere erteilt. In Europa wurden bislang bereits mehr als 1500 Patente auf Tiere erteilt - darunter sogar auf gentechnisch veränderte Schimpansen. Insbesondere die gentechnische Veränderung und Patentierung von Menschenaffen ist ein deutliches Signal, dass hier ethische Grenzen überschritten wurden. Und die Möglichkeit, Patente auf diese Tiere zu erwerben, verstärkt diese bedenkliche Entwicklung zusätzlich noch aus wirtschaftlichen Motiven.

Mit der EU-Tierversuchsrichtlinie ist das Ziel vorgegeben, künftig weniger Versuchstiere für wissenschaftliche Zwecke einzusetzen. Soll dieses Ziel erreicht werden, müssen seitens der Politik dringend Maßnahmen ergriffen werden, um zumindest gegenläufige Entwicklungen wie die Kommerzialisierung von Lebewesen durch Patentierung zu stoppen.

Der Trend zu gentechnisch veränderten Versuchstieren wird durch den Einsatz neuer Technologien erheblich verstärkt. Es gibt mehrere Anbieter von Versuchstiermodellen wie z. B. die Charles River Laboratories, die Mäuse und Ratten für die Pharmaforschung anbieten. Diese Tiere werden mit Technologien manipuliert, bei denen synthetische DNA, sogenannte Gen- Scheren (wie TALEN, CRISPR) und Stammzellkulturen eine entscheidende Rolle spielen. Die Tiere werden u. a. als "fast knock-in animal models" oder als "kundenspezifisch manipulierte Nager" beworben. Auch bei Nutztieren wie Rindern und Schweinen werden bereits versuchsweise neue Technologien wie Nukleasen und Oligonukleotide erprobt. Diese neuen invasiven Technologien erlauben es, das Erbgut radikal zu verändern, und gehen damit weit über die bekannten Möglichkeiten des Austauschs von DNA-Komponenten hinaus. Eingriffe in die genetische Integrität und Identität können bei Säugetieren auch dann ethisch bedenklich sein, wenn sich Schmerzen und Leiden nicht nachweisen lassen. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung, dem steigenden Verbrauch gentechnisch veränderter Versuchstiere und angesichts der neuen Möglichkeiten, in das Genom von Tieren einzugreifen, ergibt sich die Notwendigkeit, kurzfristig wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Trend zu stoppen. Zudem besteht Bedarf an einer grundsätzlichen Neubestimmung des Kurses. Ethischen Fragen muss dabei mehr Gewicht beigemessen werden. Fragen, welche die Würde und die Integrität von Tieren betreffen, bekommen heute eine neue Aktualität. Bislang gibt es beispielsweise keine Regelungen für den Schutz der genetischen Identität bzw. Integrität von Tieren.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir bitten Sie um eine baldige Stellungnahmen zu den Fragen, die in der Anlage aufgelistet sind. Gern sind wir auch zu einem Gespräch mit Ihnen und Ihren MitarbeiterInnen bereit.

Mit freundlichen Grüßen, im Namen der Unterzeichner
Dr. Christoph Then, Geschäftsführung Testbiotech

Liste der unterzeichnenden Organisationen:
Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Ärzte gegen Tierversuche e. V., Bund gegen Missbrauch der Tiere, Jane Goodall Institut, Deutschland, Gen-ethisches Netzwerk e.V., Gesellschaft für ökologische Forschung e.V., Kein Patent auf Leben!, Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V., TASSO e. V. Testbiotech e.V. Wild Chimpanzee Foundation, WCF

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Quelle:
Pressemitteilung vom 2. Juli 2014
Testbiotech e. V.
Institut zur unabhängigen Folgenabschätzung in der Biotechnologie
Frohschammerstr. 14, 80807 München
E-Mail: info@testbiotech.org
Internet: www.testbiotech.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2014