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TIERVERSUCH/760: Neue US-Teststrategie - Weniger Tierleid und bessere Leistung (tierrechte)


Magazin tierrechte - Ausgabe 1/2018
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Neue US-Teststrategie:
Weniger Tierleid und bessere Leistung

von Dr. Christiane Hohensee und Dr. Christiane Baumgartl-Simons


In den USA ist die Kritik an den mangelhaften Methoden zur Feststellung der Herzgiftigkeit auf fruchtbaren Boden gefallen. 2013 wurden mehrere Millionen Dollar bereitgestellt, um leistungsstarke Alternativen zu den Tests, die derzeit in der Richtlinie ICH S7B stehen, zu erkunden - mit Erfolg.


Die Initiative CiPA, der neben der US-Zulassungsbehörde FDA auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sowie Behörden aus Japan und Canada angehören, hat eine erfolgreiche Arbeit abgeliefert. CiPA entwickelte eine Teststrategie, die zur Aufnahme in die Richtlinie S7B bereitsteht. Die Teststrategie sieht vor, humanspezifische in-vitro- und in-silico-Methoden zur Feststellung herzgiftiger Eigenschaften von Arzneimitteln in einem Zwei-Stufen-System anzuwenden.

Mehrstufige tierfreie Verfahren

In der ersten Stufe finden in-vitro-Tests mit z. B. humanen Herzzellen aus induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPSC) statt, um herzgiftige Arzneimittelwirkungen auf sieben Ionenkanäle des menschlichen Herzens zu ermitteln. Anschließend werden die Resultate in silico überprüft. Hierzu wird eine Computersimulation, in die ebenfalls die Repolarisationszeiten der Herzzellen eingespeist sind, verwendet. Dieser Testdurchlauf soll die Hinweise aus den vorausgegangenen in-vitro-Tests auf Herzrhythmusstörungen erhärten. In der zweiten Stufe werden die Ergebnisse aus der ersten auf elektrophysiologische Effekte überprüft. Hier kommen Messplattformen mit humanen Herzzellen (hiPSC) zum Einsatz.

Überfällig: Aufnahme der neuen Teststrategie

Leider befindet sich die neue Teststrategie noch immer nicht in den Regularien, obwohl eine Änderung der Richtlinie ICH S7B bis spätestens 2017 erfolgen sollte. Die Aufnahme der Teststrategie muss aber zügig erfolgen, auch wenn die neuen Methoden vielleicht noch nicht perfekt sein sollten. Sie sind auf jeden Fall um ein Vielfaches besser als die aktuellen Tests und sie ersparen Mensch und Tier viel Leid. Die pharmazeutische Industrie setzt die neuen Methoden bereits beim Screening von Substanzen ein.

Umfrage zeigt: Industrie klebt an alten Techniken

2017 hat die amerikanische Safety Pharmacology Society eine Umfrage bei international tätigen pharmazeutischen Unternehmen durchgeführt. Danach nutzen die meisten der befragten Firmen die Ionenkanaluntersuchungen mit Hilfe von Zellen, aber nur 46 Prozent verwendeten Tests mit Herzzellen aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPSC). Hier muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. 31 Prozent der Firmen integrieren QSAR-Beobachtungen (Molekül-Wirkungsbeziehungen). Erstaunlicherweise wird das von Wissenschaftlern kritisierte leistungsschwache Langendorff-Herz immer noch bei 38 Prozent der Einrichtungen eingesetzt. Am häufigsten werden noch immer Versuche an Hunden und Affen mit implantierten Telemetrie-Systemen zur Untersuchung der Herzfunktionen eingesetzt. Fast 90 Prozent der befragten Firmen führen diese durch. Diese Tierversuche zu ersetzen, das ist die große Herausforderung für die kommenden Jahre.

Europa hinkt hinterher

Forschungsbedarf zur Bestimmung der Herzgiftigkeit stellte die europäische Validierungsbehörde ECVAM, die für die Anerkennung neuer tierfreier Verfahren zuständig ist, bereits 2009 fest. In 2014 organisierte ECVAM einen weiteren Workshop. Anlass war das Verbot der Tierversuche für Kosmetika in der EU, das 2013 in vollem Umfang in Kraft trat. Auch Kosmetika können nachgewiesenermaßen herztoxisch wirken. Bei einer mehrfach täglichen Anwendung über Jahre hin liegt das Risiko auf der Hand. Bis 2013 waren ausschließlich Tierversuche zugelassen. Der ECVAM-Workshop sollte geeignete Zelltypen und Bestimmungsparameter (Endpunkte) auch für die Kosmetiktestung erarbeiten und diese in eine abgestufte Teststrategie integrieren. Wir haben bei ECVAM nach dem Entwicklungsstand der Teststrategie nachgefragt, jedoch bisher keine Antwort erhalten.

Gehen Hand in Hand: Weniger Tierleid und sichere Methoden

Mit den neuen tierversuchsfreien Methoden lassen sich alle Herzpräparationen (Langendorff-Herz) und alle Versuche mit Primärzellen oder Gewebe von zuvor getöteten Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten, Mäusen, Schweinen oder Hunden verhindern. Außerdem entdecken die neuen Testmethoden die Herzgiftigkeit sehr viel genauer, weil sie über ein breites Leistungsspektrum verfügen. Deshalb ist es so dringlich, dass die zweistufige CiPA-Teststrategie umgehend in die Richtlinie ICH S7B aufgenommen wird. Dafür wird sich der Bundesverband entschieden einsetzen.

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Quelle:
Magazin tierrechte - Ausgabe 1/2018, S. 8-9
Menschen für Tierrechte
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
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Telefon: 0211 / 22 08 56 48, Fax. 0211 / 22 08 56 49
E-Mail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2018

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