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ATOM/765: Gespräch mit dem Geologen Jürgen Kreusch zum Atommüll-Lager Morsleben (AG Schacht Konrad)


AG Schacht Konrad e.V. / Asse-II-Koordinationskreis - 10. November 2009
Morsleben-Kampagne - www.morsleben-kampagne.de

Gespräch mit dem Geologen Jürgen Kreusch (Hannover) zum Atommüll-Lager Morsleben:

Natürlich gibt es begründete Zweifel an der Endlagerung in Morsleben


Gegenwärtig liegen die Pläne zur Schließung des "Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben" (ERAM) öffentlich aus. Noch bis zum 21. Dezember können dagegen Einwendungen erhoben werden. Bürgerinitiativen haben jetzt unabhängige Wissenschaftler beauftragt, die Planunterlagen durchzusehen und zu bewerten.

Im nachfolgenden und anliegenden Interview, das wir hiermit zur freien Verwendung anbieten, äußert sich der Geologen Jürgen Kreusch von der INTAC - Hannover über die Parallelen zwischen ASSE und Morsleben, Möglichkeiten geologische Ungeeignetheit technisch auszugleichen und berechtigte Zweifel an Morsleben.


Morsleben ist wie ASSE II ein rund 100 Jahre altes Salzbergwerk. Wieweit sind die Anlagen miteinander zu vergleichen ?

Jürgen Kreusch: Die Endlager Morsleben und Asse sind insofern vergleichbar, als sie beide in einer Salzstruktur aufgefahren sind, beide als Gewinnungsbergwerke betrieben wurden, beide Standsicherheitsprobleme haben (Morsleben: Zentralteil, Asse: Südflanke), beide hinsichtlich der Barriere Salzgestein Schwachstellen aufweisen und schließlich beide einen Lösungszufluß aus dem Deckgebirge aufweisen. All diese Merkmale hätten erst gar nicht zur Einrichtung von Endlagern in diesen maroden Bergwerken führen dürfen, denn beide Bergwerke zeigen genau die Schwachpunkte, die man bei Endlagerung im Salz tunlichst vermeiden sollte.

Aber über ASSE II ist in den letzten Jahren viel gestritten worden, es gibt einen Begleitprozess und einen Optionenvergleich an dem Sie ja auch als unabhängiger Wissenschaftler beteiligt sind. Nicht so bei Morsleben. Gibt es da keine Probleme oder sind sie nur noch nicht bekannt ?

Jürgen Kreusch: Die Tatsache, dass bei Morsleben weniger Protest als bei der Asse stattfindet, hat nichts zu tun mit der Problemlage vor Ort. Bis vor wenigen Jahre herrschte bei der Asse ja auch relative Ruhe. Erst mit der Bekanntgabe des Stilllegungskonzepts, des Umgangs mit kontaminierten Laugen u.ä. lebte der Protest wieder richtig auf. Erst dadurch wurden die Probleme der Asse größeren Teilen der Bevölkerung bewusst.
Bei Morsleben gibt es natürlich auch Probleme. Wenn die dortigen Probleme innerhalb der Bevölkerung bekannter wären, würde sich womöglich auch mehr Interesse an der Stilllegung Morsleben zeigen.

Der Betreiber räumt ein, dass Morsleben nach heutigen Standards nicht genehmigungsfähig wäre und will mangelnde Standorteigenschaften durch technische Baumaßnahmen ausgleichen. Wie muss man sich das vorstellen und ist das überhaupt möglich ?

Jürgen Kreusch: Wenn man von der Möglichkeit absieht, alle Abfälle aus Morsleben rauszuholen, dann bleibt nur, die mangelnden Standorteigenschaften durch geotechnische Maßnahmen zu kompensieren. Ob dies tatsächlich gelingt, sei hier dahingestellt; dieser Aspekt wird im Erörterungsverfahren noch zu diskutieren sein. Auf jeden Fall werden die erforderlichen Nachweise, insbesondere der Langzeitsicherheitsnachweis, dadurch sicherlich noch komplizierter werden, als sie es normalerweise sind.

Gibt es berechtigte Zweifel an einer Endlagerung in Morsleben ?

Jürgen Kreusch: Die Endlagerung radioaktiver Abfälle in Morsleben hätte mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland beendet werden müssen. Dies war nicht der Fall; vielmehr wurde ab 1990 bis 1998 kräftig weiter eingelagert, obwohl die Standortmängel längst bekannt waren. Hier darf man sich die Frage stellen, wer dafür verantwortlich war.
Natürlich gibt es begründete Zweifel an der Endlagerung in Morsleben. Aber die spielen jetzt keine Rolle mehr, denn die Abfälle liegen ja in Morsleben drin. Es stellt sich eine ganz andere Frage: versucht man Morsleben technisch so zu ertüchtigen, dass das Endlager langfristig sicher ist, oder ist es nicht besser, die Abfälle rauszuholen und in einem Endlager zu beseitigen, das die Anforderungen erfüllt?


Zur Person:

Jürgen Kreusch beschäftigt sich seit fast 30 Jahren mit der Endlagerung radioaktiver Abfälle und hat in dieser Zeit alle deutschen Endlagerprojekte kritisch begleitet. Unmittelbar nach der Öffnung der DDR arbeitete er 1990 an einer ersten Schwachstellenanalyse zu Morsleben mit und in den Folgejahren danach kontinuierlich bis zur Entscheidung des BfS im Jahre 1997, Morsleben stillzulegen.

Seit 2008 ist Kreusch Mitglied in der Arbeitsgruppe Optionenvergleich (AGO) im ASSE-II-Begleitprozeß. Darüber hinaus seit 2008 Mitglied des Endlagerausschusses der Entsorgungskommission (ESK), der ein Beratungsgremium des BMU ist. Von 1998 bis 2002 war Kreusch Mitglied des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd), der erstmals ein alle Aspekte umfassendes Suchverfahren für einen Endlagerstandort erarbeitete.

www.intac-hannover.de

KONPress / Hannover, 10. November 2009

Träger der Morsleben-Kampagne
- Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V.,
- Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg
- Bürgerinitiative gegen das Endlager Morsleben e.V.
- ASSE-II-Koordinationskreis
- BUND - Landesverband Sachsen-Anhalt


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Quelle:
KONPress - 10.11.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2009