Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → ABFALL

ENTSORGUNG/131: Schwarze Schafe" in der Entsorgungs- und Recyclingbranche (BBU AK Wasser)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 893 vom 22. Juni 2008 27. Jahrgang

Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Schwarze Schafe" in der Entsorgungs- und Recyclingbranche


Bei der Entsorgern und Recyclern handelt es sich um eine buntgescheckte Branche, in der "Schwarze Schafe" mit Dumpingpreisen den seriösen Unternehmen das Leben schwer machen. Die illegale Ablagerung von geschreddertem Plastikmüll in ehemaligen Tongruben in Sachsen-Anhalt, die im Frühjahr 2008 für Wirbel sorgte, ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass einige Recyclingunternehmen Recht und Gesetz im Allgemeinen und den Grundwasserschutz im Besonderen nicht sonderlich ernst nehmen. Insbesondere Unternehmen, die nicht einer der freiwilligen Gütegemeinschaften angehören, fallen sehr häufig mit drastisch überhöhten Schadstoffgehalten in ihren Recyclingprodukten auf. Die Lässigkeit der nicht gütezertifizierten Recyclingunternehmen ging ganz klar aus Untersuchungsergebnisse aus Baden-Württemberg hervor, die auf einer Anhörung zur geplanten "Ersatzbaustoffverordnung" im Dessauer Umweltbundesamt (UBA) im Mai vorgestellt worden waren (siehe nächste Notiz). Der Entwurf zur "Ersatzbaustoffverordnung" sieht deshalb vor, dass sich alle Unternehmen in der Branche einer Überprüfung ihres Qualitätsmanagements durch Gütegemeinschaften unterstellen müssen. Die Befürchtung von Insidern geht allerdings dahin, dass sich die "Schwarze Schafen", die sich bislang außerhalb der Gütegemeinschaften tummeln, dann um so trickreicher hinter ihrer Beteiligung an Gütegemeinschaften verstecken würden. Eine lückenlose Kontrolle könnten allerdings auch die Gütegemeinschaften nicht garantieren.


Ersatzbaustoffverordnung: "17 Hosenträger und 3 Gürtel"

Am 20. und 21. Mai 2008 waren die Baustoff-Recycler mit einer 200 Mann starken Truppe im großen Hörsaal des Umweltbundesamtes in Dessau angerückt, um den Entwurf zu einer "Ersatzbaustoffverordnung" abzuschießen. Mit der geplanten Ersatzbaustoffverordnung soll einerseits das Recycling von Baureststoffen und die Wiederverwertung von Bodenaushub gefördert werden - andererseits soll die Verwertung von Ersatzbaustoffen so gesteuert werden, dass dies grundwasserverträglich erfolgt.

Bei der Dessauer Anhörung zum Entwurf der Ersatzbaustoffverordnung versicherten alle Lobbyisten aus der Recyclingbranche, dass selbstverständlich auch ihnen der Grundwasserschutz ganz besonders am Herzen liege. Aber - so eine Vertreterin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) - sei es abstrus, den Grundwasserschutz "mit 17 Hosenträgern und 15 Gürteln" gewährleisten zu wollen. Drei Hosenträger und zwei Gürtel seien schließlich auch ausreichend. Soll heißen: Der Recyclingbranche geht der Grundwasserschutz im Verordnungsentwurf viel zu weit. Der "völlig überzogene" Grundwasserschutz sei auch ökologisch kontraproduktiv: Denn wenn Millionen Tonnen von Ziegelsplitt, Schlacken aus Müllverbrennungsanlagen und Hochöfen nicht mehr als Ersatzbaustoffe verwertet werden könnten, dann müssten quadratkilometerweise neue Deponien errichtet werden. Der volkswirtschaftliche Schaden ginge in die Milliarden - und würde jedes Jahr größer, weil durch den anstehenden Stadtum- und Rückbau demnächst immer mehr Bauschutt anfallen würde. Bauschutt, Schlacken und Bodenaushub fällt schon jetzt in einer Größenordnung von 240 Millionen Tonnen im Jahr an. Die wenigen Vertreter eines vorsorgenden Grundwasserschutzes aus dem Bundesumweltministerium (BMU), dem Umweltbundesamt sowie aus der universitären Wissenschaftsszene standen zwei Tage unter dem argumentativen Trommelfeuer der Recyclingbranche. Das BMU versprach denn auch, den Entwurf noch einmal gründlich zu überarbeiten - in enger Abstimmung mit der Recycling-Industrie. Nachfolgend einige Highlights aus der Dessauer Debatte, in der bis auf eine Ausnahme Vertreter der Umweltschutzverbände und der Wasserwerke nicht anwesend waren.


Schwarze Recycling-Schafe profitieren von rechtlicher Grauzone

Trotz der erdrückenden Übermacht der Recycling-Lobbyisten wagte man in der Dessauer Anhörung seitens des Umweltbundesamtes (UBA) die Aussage, dass die Recyclingbranche "die Probleme wegverdünnen" wolle. Aber, so das UBA: "Eine Verwertung um jeden Preis darf es nicht geben!" Die unklaren rechtlichen Verhältnisse bei der Verwertung von Bausschutt, Schlacken und Bodenaushub, sind durch das so genannte "Tongrubenurteil II" des Bundesverwaltungsgerichts entstanden. Als Folge des Urteils können die bislang gültigen Grenzwerte der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) der Wiederverwertung von Bauschutt usw. nicht mehr zu Grunde gelegt werden. Folge: In jedem Bundesland gelten mittlerweile andere Anforderungen und Regelungen. Dem Chaos müsse schleunigst abgeholfen werden, da von unklaren Verhältnissen in der Regel die "Schwarzen Schafe" in der Recyclingbranche profitieren würden, forderte ein UBA-Sprecher. Mit der jetzt geplanten Ersatzbaustoffverordnung solle ein verlässlicher Rahmen für das Recycling von Bauschutt, Schlacken, Aschen, Gleisschotter und Bodenaushub geschaffen werden.


*


Wie hoch ist Intelligenzquotient der Entsorgungsbranche?

"Der größte intellektuelle Erfolg der Entsorger ist deren Hauptschulabschluss." Dieser Ausspruch des DSD-Chefs ("Grüner Punkt") vom 27. Mai 2007 hat in der gesamte Entsorgungsbranche zu einem Aufschrei der Empörung geführt. "Der schlimme Ausrutscher" (europaticker, 03.06.08) war offenbar der vorläufige Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen dem Dualen System Deutschland (DSD) und der Altpapierrecyclingbranche. Angesichts stark gestiegener Weltmarktpreise für Altpapier hatte das DSD einen höheren Erlösanteil von den Altpapierreyclingunternehmen gefordert. Die Altpapierverwerter sehen sich dadurch von dem ehemaligen "Staats-Monopolisten" in ihrer Existenz gefährdet. DSD, als einstiges Non-Profit-Unternehmen, wird inzwischen von Kravis Roberts & Co. (KKR), einem Private Equity-Konzern, beherrscht. DSD-Chef Schreiter sei bemüht, die Renditeinteressen der "KKR-Heuschrecke" rücksichtslos durchzusetzen. Gegenüber den Klein- und Mittelunternehmen, die mit dem DSD zusammenarbeiten, soll sich Schreiter "äußerst rüpelhaft" geben: "Ich schieße auf Alles mit der durchgeladenen Schrotflinte, was bei drei nicht auf den Bäumen ist", wird der DSD-Chef im europaticker zitiert. Hinter der Auseinandersetzung und den "unglaublichen Entgleisungen" des DSD-Chefs steht der Kampf um die Neuaufteilung des Recyclingmarktes. Schrott, Altglas und Altpapier sowie Ersatzbrennstoffe (DSD-Sortierreste) sind auf Grund der gestiegenen Weltmarktpreise zum begehrten Rohstoff geworden. Die obigen Zitate deuten darauf hin, dass in der Branche ein heftiges Gefeilsche ausgebrochen ist, wer künftig die lukrativen Stoffströme beherrschen wird ("Kampf um die Tonne").


*


Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 893/2008
Herausgeber:
Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband
Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Rennerstr. 10, D-79106 Freiburg
Tel.: 0761/275693; 45687153
E-Mail: nik@akwasser.de
Internet: http://www.akwasser.de

Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.

Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU
wieder! Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF
ist bei Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2009