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RECHT/056: Verwaltungsgericht Baden-Württemberg befürwortet gesplittete Abwassergebühr (BUND Lemgo)


Bund für Umwelt und Naturschutz / BUND Ortsgruppe Lemgo - 20. April 2010

Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Einführung der gesplitteten Abwassergebühr.

Anmerkungen von Willi Hennebrüder, Lemgo


Neben den Grundsatzurteilen von NRW und Hessen gibt es nun mit Baden-Württemberg das dritte Bundesland, das erkannt hat, dass eine Berechnung von Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung auf Basis des Trinkwasserver-brauchs nicht mehr haltbar ist. Damit dürfte die bundesweite Einführung der gesplitteten Abwassergebühr erreicht sein. Es ist kaum vorstellbar, dass Gerichte in anderen Bundesländern noch zu einer anderen Rechtsauffassung kommen. Wichtig ist nun, dass die Umsetzung der Urteile möglichst bald erfolgt.

P.S. Das Urteil ist auch als Download auf den Internetseiten des BUND Lemgo verfügbar. Links sind ausdrücklich erwünscht. http://www.bund-lemgo.de/abwassergebuehren.html


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Lemgo im März 2010

Anmerkungen zu Gerichtsturteilen

01. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof - Az.: 23 B 02.1936 vom 31. März 2003
02. Oberverwaltungsgericht Münster - Az.: 9 A 3648/04 vom 18. Dezember 2007
03. Hessischer Verwaltungsgerichtshofs - Az: 5A633-08 vom 2. September 2009
04. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - AZ.: 2 S 2938/08 vom 11. März 2010

Mit den Urteilen ergibt sich für alle Kommunen die zwingende Notwendigkeit der Einführung einer gesplitteten Abwassergebühr.

Die Verfahren wurden vom BUND aktiv unterstützt. Die rechtsanwaltliche Vertretung hatten aufgrund unserer Empfehlung die Rechtsanwälte Peters aus Linnich und Tillmanns aus Langerwehe übernommen.
Die Gerichte folgen der Argumentation, die in den Fachbeiträgen in der Kommunalen Steuerzeitschrift dargelegt wurden.
Mitglieder des BUND bemühen sich seit mehr als 20 Jahren die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr voranzubringen. Leider waren oftmals die Politiker nicht bereit, sich den Sachargumenten anzuschließen, so dass nur der Klageweg übrig blieb.

In einer Kurzfassung möchten wir an dieser Stelle noch einmal die Notwendigkeit der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr erläutern.

Die gesplittete Abwassergebühr schafft finanzielle Anreize zur Entsiegelung, zur Regenwassernutzung und zur Versickerung des Regenwassers vor Ort und ist damit ein Beitrag zur Hochwasservorsorge und zur Erhaltung von Feuchtlebensräumen;
Als Beitrag zur Hochwasservorsorge helfen Versickerung und Entsiegelung auch Kosten beim Bau von Kanälen und Regenrückhaltebecken zu sparen und damit die Bürger zu entlasten.
Bei Starkregenereignissen sind Kanäle und Klärwerke oftmals nicht in der Lage die Wassermengen aufzunehmen. Dann erfolgt ein Überschlag des verschmutzten Abwassers in Wassergräben, Bäche und Flüsse, was zu einer Schädigung und Veränderung von Fauna und Flora führt.
Die gesplittete Abwassergebühr trägt dazu bei, dass bei der Niederschlagswasserbeseitigung der Verursacher die Kosten der Entsorgung bezahlt und ist somit ein Betrag zu mehr Gebührengerechtigkeit. Familien mit Kindern werden finanziell entlastet.

Unsere Empfehlungen zur Einführung der gesplitteten Abwassergebühr:

Nutzen Sie die Möglichkeit ein Gesamtkonzept zur ökologischen Regenwasserbewirtschaftung zu erstellen und zwar mit der Reaktivierung von Rigolen und der Anlage von Hecken im Bereich land- und forstwirtschaftlicher Flächen, insbesondere bei Hanglagen. Auch dies vermindert die Gefahr von Hochwassern und deren volkswirtschaftliche Schäden und vermindert oftmals den Eintrag von Fremdwasser in die Kanalisation. Die Notwendigkeit eines Gesamtkonzepts ergibt sich auch aus den mit der Klimaveränderung zu erwartenden Zunahme von Starkregenereignissen. Die Umsetzung könnte z.B. im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen erfolgen. Wenn ca. 6 m breite Heckenstreifen an Feldrändern mit einem Wassergraben entstehen, wäre dies auch ein wertvoller Beitrag zur Biotopvernetzung.
Bei zukünftigen Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung sollte grundsätzlich die ökologische Alternative (mit Retentionszisternen, Dachbegrünungen, Reduzierung versiegelter Flächen und Versickerung vor Ort) geprüft werden. Das Projekt in Tündern/Hameln zur "Umweltverträglichen Entwässerung" hat eindrucksvoll bewiesen, dass bei der Umsetzung ökologischer Alternativen zu konventionellen Kanalbaumaßnahmen Kosten in einer Größenordnung von mehr als 50 % eingespart werden können.
Ein ökologisches Regenwasserbewirtschaftungskonzept erfordert auch ein umfassendes Beratungskonzept in Richtung Regenwassernutzung, Entsiegelung und Versickerung vor Ort. Dieses Beratungsangebot sollte für Privatpersonen und Firmen die Möglichkeit der Dachbegrünung einbeziehen. Im Rahmen dieser Beratung ist darauf zu verweisen, dass grundsätzlich auf Antrag eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser erfolgt.
Bei der Erfassung der versiegelten Flächen mit Kanalanschluss hat das OVG ausdrücklich auf die kostengünstige Form der Selbstveranlagung hingewiesen, die wir empfehlen. Dieses Verfahren wird durch Stichprobenmaßnahmen ergänzt und durch Satzungsregelungen, die eine Nachforderung bei Falschangaben ermöglichen.
Um die finanziellen Anreize zum sorgsamen Umgang mit dem kostbaren Gut Trinkwasser und Niederschlagswasser möglichst hoch zu halten, sollten bei den Abwassergebühren keine Grundgebühren eingeführt werden. Bewährt hat sich die Maßnahme bei den Niederschlagswassergebühren eine Staffelung je 10 qm versiegelter Fläche einzuführen.
Damit ein finanzieller Anreiz zur Regenwasserrückhaltung und
nutzung besteht, sollte man bei den Nutzern von Zisternen ab einer Größe von etwa 4 cbm grundsätzlich auf Niederschlagswassergebühren verzichten (Beispiel Stadt Lemgo) und zwar auch dann, wenn es einen Notüberlauf in den Kanal gibt.
Bei der Kostenermittlung und Kostenverteilung ist darauf zu achten, dass z.B. Niederschlagswasser aus dem Bereich der öffentlichen Straßen vom jeweiligen Baulastträger (Kommune, Kreis, Land und Bund) zu übernehmen sind. Hier ergibt sich mit Einführung der gesplitteten Abwassergebühr ggfs. eine finanzielle Entlastung der Kommunen. Beim Mischwasserkanal sind wegen der großen Dimensionierung für den Jahrhundertregen ca. 55 % bis 65 % der Kosten dem Niederschlagswasserbereich zuzuordnen. Beim den Klärwerkskosten ist auch das Fremdwasser zu erfassen. Fremdwasser stammt zu ca. 90 % bis 95 % aus Haus- und Felddrainagen. Die Reinigungskosten sind somit dem Bereich Niederschlagswasser zuzuordnen. Bei großen Felddrainagen ist zu prüfen, ob nicht eine Kostenbeteiligung des Verursachers vorgenommen werden kann, zumal dieses Fremdwasser meist wesentlich stärker belastet ist als das Niederschlagswasser aus Hausdrainagen. Die Kosten von Regenrückhaltebecken und Regenüberschlagswerken sind zu 100 % dem Niederschlagswasserbereich zuzuordnen und auch bei Pumpanlagen ist darauf zu achten, dass diese entsprechend den Schmutz- und Niederschlagswassermengen zugeordnet werden.


hbeiträge:

01. Willi Hennebrüder: Ist die gesplittete Abwassergebühr notwendig? - Eine ökonomische, ökologische und rechtliche Bewertung -, in: Kommunale Steuerzeitschrift, Jg.52, Heft 1/2003 S. 5 - 12;

02. Heinz Tillmanns: Ist die gesplittete Abwassergebühr notwendig? - Eine ökonomische, ökologische und rechtliche Bewertung. -, in: Kommunale Steuerzeitschrift, Jg. 52, Heft 2/2003 S. 26 - 31;

03. Willi Hennebrüder: Die bundesweite Einführung der gesplitteten Abwassergebühr ist zwingend notwendig, in: Kommunale Steuerzeitschrift, Jg. 56, Heft 10/2007 S. 184 ff. Gerichtsurteile und weitere Informationen gibt es auf den Internetseiten des BUND Lemgo http://www.bund-lemgo.de

Wir hoffen, dass wir mit dieser Information dazu beitragen, dass die Kommunen rechtzeitig auf die Urteile reagieren können und kostenträchtige Gerichtsverfahren vermieden werden.


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Quelle:
Pressemitteilung, 20.04.2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Ortsgruppe Lemgo
Oberer Steinbrink 8, 32657 Lemgo
E-Mail: kontakt@bund-lemgo.de
Internet: www.bund-lemgo.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2010