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AMPHIBIEN/075: Damit die Frösche auch in Zukunft noch quaken (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2010

Damit die Frösche auch in Zukunft noch quaken

Von Tilo Arnhold


Die Wolken spiegeln sich idyllisch im Wasser des kleinen Bergsees in den französischen Pyrenäen. Ein Urlaubsparadies für Wanderer. Für das Panorama hat die Forschergruppe, die gerade am Ufer angekommen ist, keine Augen - ihr Interesse gilt den Amphibien. Mit Käschern fangen sie die auch bei uns vorkommende Gemeine Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) und nehmen mit Wattebäuschen Abstriche von der Haut. Eine Prozedur, die nicht wehtut, aber wichtige Erkenntnisse bringen kann. So kann später im Labor analysiert werden, welche Kröten mit dem Chytridpilz-Erreger (Batrachochytrium dendrobatidis - kurz Bd) infiziert sind. Dieser löst die Hautkrankheit Chytridiomykose aus. Welche die eigentlichen Todesursachen bei Bd-infizierten Amphibien sind, ist noch ungeklärt. Fest steht, dass Arten verschwinden und Populationen stark dezimiert werden. Seit den 80er Jahren breitet sich die Amphibienseuche weltweit aus. 1999 wurde die Krankheit erstmals in Europa entdeckt: im spanischen Penalara Nationalpark. Seitdem scheint sie sich von der Iberischen Halbinsel nach Norden auszubreiten. Doch wirklich systematisch wurde das bisher noch nicht untersucht. Das neue EU-Forschungsprojekt RACE ("Risk Assessment of Chytridiomycosis to European amphibian biodiversity") soll diese Lücke bis 2013 schließen. Erste Ergebnisse liegen bereits zu Geburtshelferkröten in Frankreich, Spanien und Portugal vor. 3000 Proben von 126 Orten wurden inzwischen ausgewertet. Überraschendes Ergebnis: Oberhalb von etwa 1800 Metern starben praktisch alle Kröten. In tieferen Lagen dagegen überlebten sie die Infektion meist. Ist also der Chytridpilz besser an kältere Regionen angepasst oder reagiert das Immunsystem der Kröten dort empfindlicher? Das sind bislang offene Fragen, die durch den Klimawandel zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Was kann nun gegen die Seuche getan werden, damit mit den Amphibien nicht ein Teil des Ökosystems verschwindet? Medikamente oder Impfungen sind nicht in Sicht und wären auch kaum anwendbar. "Um zu verhindern, dass die Seuche gesunde Populationen infiziert, müssen potenzielle Ausbreitungswege aufgezeigt und entsprechende Maßnahmen getroffen werden", erklärt Dr. Klaus Henle vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, das im RACE-Projekt u. a. mit dem Imperial College in London, dem CNRS in Frankreich und der Universität Zürich zusammenarbeitet. In den Pyrenäen untersuchen die Forscher jetzt die Akzeptanz von verschiedenen Artenschutzmaßnahmen bei Bewohnern und Besuchern der Region, da die ersten Ergebnisse darauf hindeuten, dass "Besucher die Seuche ungewollt an ihren Schuhen von Gewässer zu Gewässer verbreiten", wie Dr. Dirk Schmeller vom CNRS fürchtet.

Über die Situation bei den Amphibien in Deutschland kann momentan nur spekuliert werden. In den nächsten Monaten wollen die Forscher daher einen Überblick zur Verbreitung des Chytridpilzes hierzulande erstellen. "Wir arbeiten mit den Entscheidungsträgern in Politik und Naturschutz zusammen, um Vorschläge machen zu können, die hoffentlich möglichst bald ins Naturschutzrecht umgesetzt werden und so zu effizienten Maßnahmen führen", sagt Dr. Mark Auliya vom UFZ. Ob es gelingt, die Ausbreitung der Seuche in Deutschland zu verhindern, ist zurzeit noch offen. Mit Sicherheit wird es aber ein Kampf gegen die Zeit, der nicht nur über das Froschkonzert an lauen Sommerabenden entscheiden wird, sondern auch darüber, wie unsere Natur in Zukunft aussehen wird. (ta)

UFZ-Ansprechpartner:
PD Dr. Klaus Henle, Dr. Mark Auliya, Dr. Henning Steinicke
Dept. Naturschutzforschung

Telefon: 0341-235-1270, -1646, -1652
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Informationen:
www.eurobiodiversa.org/index.php?option=com_content&task=view&id=216&Itemid=130
www.eurobiodiversa.org/images/file/rich_files/RACE_ppt_Fisher.pdf


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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2010, Seite 12
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2010