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AMPHIBIEN/110: NABU Schutzprojekt für die Gelbbauchunke (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/13
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Wenn Radlader Lebensräume schaffen
NABU-Schutzprojekt für die Gelbbauchunke

von Iris Barthel




Gelbbauchunken sind wahre Pioniere des Lebens: Sie können, wenn die Umstände es erlauben, neue Lebensräume erschließen. Mit dieser Fähigkeit hat sich der Froschlurch bislang vor seinem flächendeckenden Aussterben bewahrt. Denn Gelbbauchunken gehören zu den durch menschliche Eingriffe am stärksten bedrohten Arten in Deutschland. Ihre angestammten Lebensräume, vor allem Auenbereiche, gibt es kaum noch. Seit Jahrzehnten muss die Amphibie mit der markanten gelb-schwarzen Unterseite daher ständig neue Lebensräume erobern, und wenn diese wieder bedroht sind, wieder neue. Diese Ersatz-Lebensräume haben sich inzwischen aber beinahe erschöpft. Bundesweit steht die Unke auf der Roten Liste, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ist sie sogar vom Aussterben bedroht. Eine Pionierart fast am Ende ihres Weges. Der NABU will nun helfen, ehe es zu spät ist.


Lebensräume werden knapp

Ursprünglich fühlte sich die Gelbbauchunke vor allem in den Auen von Bächen und Flüssen wohl. Seit den 1950er Jahren wurde ihr angestammter Lebensraum jedoch weitgehend zerstört, indem Flüsse begradigt und ausgebaut wurden. Seither musste die Unke immer wieder Ersatz-Lebensräume suchen. Diese fand sie zunächst dort, wo der Mensch sich in der Natur bewegte. Die Landschaft war durchzogen von unbefestigten Wegen und Straßen, auf denen sich Pfützen und wassergefüllte Radspuren gebildet hatten - für die Unken eine willkommene Alternative zu den Auen. Doch diese Sekundärlebensräume wurden zusehends knapp.

Heute lebt die Gelbbauchunke vor allem noch auf Truppenübungsplätzen, in Ton-, Sand- und Kiesgruben oder Steinbrüchen. Hier findet sie die Umgebung, die sie benötigt: ein strukturreiches Gelände mit matschigen Rohböden und Kleinstgewässern, die sich ständig erneuern - klassische Pfützen also. Doch außerhalb der Aktionsradien von Panzern und Radladern sind Pfützen rar geworden: Feld- und Waldwege wurden asphaltiert, auf landwirtschaftlichen Flächen sucht man Tümpel meist vergebens. Auch die Fragmentierung der Landschaft erweist sich als Problem: Die meisten Populationen leben inzwischen isoliert, getrennt durch Straßen oder Ackerflächen. Biologen sprechen von einer "Verinselung".


Mit kleinen Schritten

Wie gravierend sich die Entwicklungen auf den Bestand der Gelbbauchunken ausgewirkt haben, musste Ende der 1990er Jahre der NABU Schaumburg feststellen. Bei einer Kartierung bemerkten die Aktiven, dass die einst weit verbreitete Gelbbauchunke nur noch an wenigen Stellen vorkam. Etwas mehr als 30 geschlechtsreife Tiere zählten sie, 25 davon allein in einem Steinbruch, der direkt vor der Verfüllung stand.

Den Schaumburgern war klar, dass schnell gehandelt werden musste. Sie informierten die Behörden und Nutzer des Steinbruchs, stellten einen Plan auf, wie die Unken gerettet und das Gelände entwickelt werden konnte. Schließlich konnten sie den Steinbruch durch den Landkreis sichern und schufen zugleich mit Radladern und Baggern Rohböden und Kleinstgewässer, in denen sich die Unken wohl fühlen konnten. Am Ende zahlten sich die Lehrstunden auf den großen Baugeräten aus: Innerhalb weniger Jahre wuchs der Gelbbauchunken-Bestand in Schaumburg um ein Vielfaches. Heute leben mehr als 1.000 Tiere hier, es ist der größte Bestand in ganz Niedersachsen.


Schutzprojekt in fünf Ländern

Seit Anfang vergangenen Jahres läuft ein vergleichbares, länderübergreifendes Projekt in Deutschland. In fünf Bundesländern und 130 Projektgebieten kooperieren der NABU und seine Projektpartner unter anderem mit Betrieben der Rohstoffindustrie, um die Gelbbauchunken-Vorkommen zu stärken und zu vernetzen. "Für die Unternehmen ist es keine Schwierigkeit, Schutzmaßnahmen selbst in den laufenden Abbaubetrieb zu integrieren", erklärt Projektleiterin Dr. Mirjam Nadjafzadeh vom NABU Niedersachsen. "Im Extremfall können die Unken sogar umgesetzt werden."

In den kommenden sechs Jahren warten viele kleine Schritte auf das insgesamt elfköpfige Projekt-Team und alle beteiligten Ehrenamtlichen. Sie wollen nicht nur einzelne Populationen stärken, sondern auch miteinander vernetzen. Dazu legen sie zwischen bestehenden Habitaten kleine Biotope als sogenannte "Trittsteine" an, die die Unken als Wanderkorridore nutzen können. Vereinzelt sollen Tiere auch gemäß der Kriterien der Weltnaturschutzunion (IUCN) wiederangesiedelt werden, um stark isolierte Populationen zu verbinden. Auch die ursprünglichen Lebensräume, also Auenbereiche, sollen renaturiert und möglichst viele Rohböden und Kleinstgewässer geschaffen werden.


Stellvertreter für viele Arten

Wichtig ist Mirjam Nadjafzadeh vor allem, dass die Aktionen nicht nur auf ihre sechsjährige Laufzeit beschränkt bleiben. "Wir werden einen Fonds einrichten, mit dem wir auch künftige Pflege- und Folgemaßnahmen finanzieren können", so die Projektleiterin. Schließlich stehe die Gelbbauchunke stellvertretend für eine Vielzahl gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. "Die Gelbbauchunke ist eine Leitart des Naturschutzes und ihre dynamischen Lebensräume haben für viele weitere bedrohte Arten eine hohe Bedeutung", erklärt sie. Heißt: Kehrt die Gelbbauchunke erst an einen Ort zurück, wird es der gesamten Gemeinschaft dieses Lebensraums hier gut gehen. Und so soll der kleine Froschlurch von nun an Stück für Stück in seiner Rolle als Pionier die Natur zurückerobern - selbst wenn ihr dazu ab und an ein 20-Tonner den Weg bereiten muss.


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Wissen auch Sie von Gelbbauchunken-Vorkommen? Dann melden Sie diese Tiere unter www.NABU.de/unke. Dort erfahren Sie auch mehr über das Projekt.

Zusatzinformationen in der Online-Ausgabe unter

www.naturschutz-heute.de

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Gelbbauchunken gehören zu den durch menschliche Eingriffe am stärksten bedrohten Arten in Deutschland.

- Die Gelbbauchunke mit der markanten gelb-schwarzen Unterseite lebt vor allem auf Truppenübungsplätzen, in Kiesgruben oder Steinbrüchen.

- Die bedrohte Unke findet kaum noch geeignete Lebensräume. Daher helfen Bagger und Radlader nach: In den neu entstehenden Rohböden und Radspuren fühlt sich der Froschlurch wohl.

- Das Gelbbauchunkenprojekt wird vom Bundesamt für Naturschutz sowie den Ländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gefördert. Träger ist der NABU Niedersachsen. Projektpartner sind die NABU-Landesverbände Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Die NABU Naturschutzstation Aachen, die Biologischen Stationen Bonn und Oberberg, die Tierärztliche Hochschule Hannover und die Universität Hannover.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/13, S. 8 - 12
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1530, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-0, Fax: 030/284984-2000
E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de
 
"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2013