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JAGD/170: Mit Blei und Leim - Etappensiege im Kampf gegen die Vogeljagd (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/10
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Mit Blei und Leim
Etappensiege im Kampf gegen die Vogeljagd

Von Annika Natus


Das ängstliche Tschilpen des Wiesenpiepers wird immer zaghafter. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller hält den Vogel in seinen Händen und weiß, dass er ihn nicht retten kann: Jäger haben den Wiesenpieper angeschossen - zum Spaß, denn die Herbstjagd gilt auf Malta wie in vielen anderen Ländern des Mittelmeerraumes als sportliches Vergnügen.

Solche Vorfälle stehen in krassem Widerspruch zur EG-Vogelschutzrichtlinie, die ihre Mitgliedstaaten seit 1979 zu einem konsequenten Vogelschutz verpflichtet. Danach sind sämtliche wildlebenden Vogelarten geschützt. Es ist - mit Ausnahme einiger jagdbarer Arten - verboten sie zu töten oder zu fangen. Doch viele Jäger hält dies nicht davon ab, Vögel wahllos zur Zielscheibe zu machen. Besonders fatal ist dies für Zugvögel. Sie rasten auf ihrem Weg unter anderem auf Malta, denn die Insel ist dank ihrer zentralen Lage Rastplatz für Millionen von Zugvögeln aus Mittel- und Osteuropa. 12.000 Jäger und 4500 Vogelfänger haben es hier auf rastende Vögel abgesehen.


Vogelschützer zeigen Flagge

BirdLife Malta, NABU und das Bonner Komitee gegen den Vogelmord veranstalten daher regelmäßige Camps, um Zugvögel zu zählen, vor allem aber um vor Ort Flagge zu zeigen. Denn die Vogelschützer haben gute Kontakte zu den Behörden, die bei Verstößen schnell und oft erfolgreich eingreifen. Im süditalienischen Kalabrien und auf Sizilien, wo das NABU-Projekt "Migration Unlimited" jahrelang ähnliche Camps veranstaltet hat, war diese Arbeit so erfolgreich, dass sie vor drei Jahren eingestellt werden konnte. "Die illegale Jagd auf ziehende Greifvögel ist hier fast vollständig zum Erliegen gekommen", freut sich Christoph Hein von "Migration Unlimited".

Anders sieht es im Norden Zyperns aus, wo "Migration Unlimited" seit 2005 die Partnerorganisation Kuskor unterstützt. Ein bis zwei Mal im Jahr besuchen die NABU-Aktiven mit Sachspenden wie Ferngläsern, Spektiven und GPS-Geräten im Gepäck ihre zypriotischen Kollegen und helfen, Camps zu finanzieren.

Diese sind auf der Ferieninsel nötiger denn je. Etwa 30.000 Schützen jagen Singvögel während der Zugzeiten. Hinzu kommen die Leimruten, die zu Tausenden in Sträuchern und Gebüschen ausgelegt werden - oft von Kindern, die durch den Vogelfang zum Familieneinkommen beitragen. "Die Vogelfänger haben es besonders auf Grasmücken abgesehen, die dort Teil einer kulinarischen Spezialität sind und unter der Hand für bis zu drei Euro pro Vogel verkauft werden", erklärt Christoph Hein.


Die Jugend gewinnen

Kuskor hat im Herbst 2009 damit begonnen, etwa 40 Quadratkilometer regelmäßig auf Leimruten und Netze abzusuchen - ein Vorhaben, das der NABU personell und finanziell unterstützt. Im Frühjahr 2010 will der NABU zudem Biologielehrer auf Zypern naturschutzfachlich fortbilden, zusammen mit türkischen Lehrern aus Deutschland. So sollen Kinder nachhaltig für den Naturschutz sensibilisiert werden.

Um aber die Jagd auf Zugvögel dauerhaft zu beenden, ist es nötig, dass die zahlreichen Gesetze zum Schutz der Tiere auch kontrolliert und umgesetzt werden. Erst wenn die Jäger auch ohne Präsenz von Naturschützern mit harten Strafen rechnen müssen, können der illegale Fang und Abschuss gestoppt werden. Deshalb fordern NABU und BirdLife von den europäischen Regierungen, mehr Ressourcen für die Bekämpfung der illegalen Jagd zur Verfügung zu stellen. Der Druck der Naturschutzverbände wie auch der EU-Kommission war es auch, der Malta 2008 erstmals dazu veranlasste, auf die umstrittene Frühjahrsjagd zu verzichten. Viele Jäger ignorierten jedoch den Beschluss. Als der NABU und sein maltesischer BirdLife-Partner im Frühjahr 2009 im Rahmen eines Camps die Lage beobachteten, registrierten sie allein in zwei Wochen mehr als 1300 Abschüsse. Immerhin eine Halbierung gegenüber dem Vorjahr.


Druck aufrecht erhalten

Im September 2009 folgte ein weiterer Etappensieg für den Vogelschutz: Der Europäische Gerichtshof verurteilte die Frühjahrsjagd auf Malta. Dennoch müssen Vogelfreunde in ganz Europa weiterkämpfen: für eine konsequente Verfolgung von Wilderern durch die Behörden vor Ort, für mehr Schutzgebiete und für eine Änderung des Bewusstseins bei der Bevölkerung.

Deshalb haben BirdLife International und der NABU anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Vogelschutzrichtlinie die Zugvogel-Kampagne "Born to Travel" ins Leben gerufen. Sie setzt sich dafür ein, dass die Jagd auf Zugvögel auf das im Rahmen der Vogelschutzrichtlinie erlaubte Maß reduziert wird.

Schließlich gibt es noch weitere europäische Länder, die nicht auf Warnschreiben Brüssels reagieren. In EU-Staaten wie Italien, Spanien und Frankreich werden Vögel noch immer mit Fallen, Netzen und Leimruten gefangen. Außerdem gibt es immer wieder großzügige Ausnahmeregelungen zum Abschuss bestimmter Arten wie dem Kormoran - nicht zuletzt bei uns in Deutschland.


Aktion gegen die Zugvogeljagd

Gerichtsurteile hin oder her: Die Jagdlobby versucht auch 2010, die Regierung Maltas zur Genehmigung einer Frühjahrsjagd auf Zugvögel zu bewegen. BirdLife Malta und der NABU halten mit einer Online-Petition dagegen. Beteiligen Sie sich!


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Dieser Wiesenpieper wurde mit schweren Schrotverletzungen aufgefunden. Aber auch Leimruten wie im Bild links werden zu Tausenden eingesetzt.


Hinweis:
NABU-Vogelschutzcamp vom 11.-30. April - Anmeldung läuft

Mitmachen beim Schutz der Zugvögel

Malta könnte ein Paradies für Zugvögeln sein. Doch durch Jäger und Vogelfänger sterben jedes Jahr tausende der teilweise seltenen Vögel. Der NABU setzt sich für den Schutz der Tiere ein. Das Vogelschutzcamp findet statt vom 11. bis 30. April 2010. Jetzt anmelden!


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/10, S. 22-23
http://www.nabu.de/nabu/nh/2010/1/11929.html
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1500, Fax: 030/284984-2500
Hausanschrift: Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
Herausgeber: NABU, 10108 Berlin
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E-Mail: nabu@nabu.de
Internet: www.NABU.de

"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2010