Eidg. Forschungsanstalt WSL
Herbar belegt Artenverlust im Kanton Schaffhausen
18.08.2022 | Lisa Bose | News WSL
Jedes Jahr eine Pflanze weniger: So gross ist der Artenverlust im Kanton Schaffhausen zwischen 1847 und 2000. Forschende der Eidg. Forschungsanstalt WSL und des Museums zu Allerheiligen Schaffhausen verglichen die Artenvielfalt in einer alten Museumssammlung mit den heute im Kanton vorkommenden Pflanzenarten.
Beleg des Aufgeblasenen Enzians (Gentiana utriculosa) aus dem Herbar
Laffon.
Bild: © Museum zu Allerheiligen
Herbare, also Sammlungen von getrockneten, gepressten und säuberlich
beschrifteten Pflanzen, sind aus der Mode gekommen. Doch in den
Museumsstücken stecken wertvolle Informationen zur pflanzlichen
Vielfalt und zur Veränderung von Lebensräumen. Der WSL-Botaniker Rolf
Holderegger hat das Herbar von Johann Conrad Laffon genauer unter die
Lupe genommen, das im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen lagert.
In einem Vergleich mit den heute im Kanton Schaffhausen vorkommenden
Arten konnten er und ein Forschungsteam zeigen, wie sich die Flora des
Kantons in rund 150 Jahren verändert hat.
Trockenwiesen wie diese in der Nähe von Merishausen (SH) sind reich an
seltenen Tier- und Pflanzenarten. Seit 1900 sind schweizweit rund 95
Prozent der Trockenwiesen und -weiden verschwunden.
Bild: © Rolf Holderegger, WSL
Im Zeitraum zwischen 1847 bis 2000 sind im Kanton Schaffhausen von rund 1000 Pflanzenarten 154 Arten verschwunden, dies entspricht einer Aussterberate von 15,6 Prozent oder einer Art pro Jahr. Die grössten Verluste weisen Pflanzen auf, die unter extremen Umweltbedingungen leben: in Mooren, lichtdurchfluteten Trockenwiesen oder auf mageren Kiesflächen. «Die ökologisch extremsten Lebensräume und damit die an sie angepassten Arten sind verschwunden», sagt Holderegger.
Was die Untersuchung auch zeigen konnte: Arten, die heute in der Roten Liste der gefährdeten Gefässpflanzen der Schweiz als vom Aussterben bedroht oder besonders gefährdet aufgeführt sind, sind im Kanton Schaffhausen eher ausgestorben als die weniger bedrohten. «Das zeigt, dass die Roten Listen die Gefährdung von Arten gut abbilden», so Holderegger.
Solche historischen Vergleiche gibt es bislang nur wenige in der Schweiz. Das Herbar Laffon in Schaffhausen ist einzigartig. Laffon legte es zwischen 1820 bis 1847 an - also zu Beginn der Industrialisierung und der Intensivierung in der Landwirtschaft. Der Apotheker sammelte knapp 1000 Pflanzenarten. Zusätzlich publizierte er eine Artenliste für den Kanton.
Ein altes Herbar gibt aber nicht nur Auskunft über die Artenvielfalt
in einem bestimmten Gebiet zu einem früheren Zeitpunkt. Die
historischen Belege von Pflanzenarten liefern auch Hinweise, wie die
Lebensräume früher aussahen - vorausgesetzt, sie enthalten genaue
Angaben zu den Fundorten. So wurde im Kanton Schaffhausen zu Zeiten
von Laffon verbreitet Leinen angepflanzt, was die verschiedenen
Ackerbegleitarten der Leinenfelder im Herbar belegen. Oder sie zeigen,
wo überall Moore vorkamen. Dank Herbarbelegen könnten Lebensräume an
ihren ehemaligen Standorten wiederhergestellt werden, so
Holderegger.
Publikation:
Büttner, M.; Weibel, U.; Jutzi, M.; Bergamini, A.; Holderegger, R., 2022:
A 150-year-old herbarium and floristic data testify regional species decline.
Biological Conservation, 272: 109609 (9 pp.). doi: 10.1016/j.biocon.2022.109609
Beispiele von Pflanzenarten, die im Kanton Schaffhausen ausgestorben sind:
Das Schwarze Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) wächst auf mageren
Kiesflächen.
Bild: © Rolf Holderegger, WSL
Das Gelbliche Zyperngras (Cyperus flavescens) benötigt lehmig-feuchte
Orte, die zeitweise überschwemmt werden.
Bild: © Rolf Holderegger, WSL
Die Heide-Nelke (Dianthus deltoides) ist eine Pflanzenart, die in
Trockenwiesen wächst.
Bild: © Rolf Holderegger, WSL
Das Gemeine Katzenpfötchen (Antennaria dioica) kommt in Heidegebieten vor.
Bild: © Rolf Holderegger, WSL
Die eigentümliche Echte Mondraute (Botrychium linaria) gehört zu den
Farnen. Sie wächst in mageren Rasen.
Bild: © Rolf Holderegger, WSL
*
Quelle:
Presseinformation vom 18.08.2022
Eidg. Forschungsanstalt WSL
Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
Tel.: +41 44-739 21 11
E-Mail:
Allgemeine Anfragen: wslinfo(at)wsl.ch
Medien: media(at)wsl.ch
Internet: www.wsl.ch
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 23. August 2022
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang