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VÖGEL/462: Vom Aussterben bedroht - Araripe-Helmpipra (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2009

Vom Aussterben bedroht: Araripe-Helmpipra

Von Peter Herkenrath


Im Jahre 1996 machte eine international weitgehend unbekannte Region im Nordosten Brasiliens Schlagzeilen. Diese Gegend gehört weder zum Amazonas noch zum sonst ebenfalls besser bekannten Atlantischen Tieflandwald. Es war die Chapada-Hochebene im Bundesstaat Ceará. Hier wurde die Araripe-Helmpipra (Antilophia bokermanni) entdeckt. Kaum zu glauben, dass ein solch bunter Vogel bis vor zwölf Jahren der Wissenschaft entgangen war. Zwei Jahre später wurde die Beobachtung in der ornithologischen Zeitschrift "Ararajuba" veröffentlicht. Keine Frage: eine - jedenfalls was das Gefieder der Männchen angeht - derart auffällige Art kann nur sehr lokal vorkommen. Tatsächlich umfasst das bekannte Verbreitungsgebiet nur 28 km².


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Zur Familie der Schnurrvögel (Pipridae) gehören 58 Arten Mittel- und Südamerikas. Es handelt sich um eine Gruppe kleiner, kompakter Singvogelarten, vornehmlich Frucht- und Insektenfresser. Bei vielen Arten zeichnen sich die Männchen durch ein besonders farbenprächtiges Gefieder aus. Sie stehen taxonomisch wohl den ebenfalls neuweltlichen Schmuckvögeln (Cotingidae) und den Tyrannen (Tyrannidae) nahe. In der Gattung Antilophia werden zwei Arten geführt, neben der Araripe-Helmpipra die Helmpipra A. galeata. Letztere ist in Brasilien recht weit verbreitet und erreicht gerade noch Bolivien und Paraguay. Die Männchen der spatzengroßen Araripe-Helmpipra weisen ein attraktives weißes Gefieder mit schwarzen Schwungfedern und schwarzem Schwanz auf; Scheitel einschließlich einer kleinen Haube und Nacken sind kräftig rot gefärbt. Das Gefieder der Weibchen ist unscheinbar olivgrün mit etwas aufgehellter Unterseite; die Haube ist nur angedeutet. Die Araripe-Helmpipra ernährt sich von den Früchten verschiedener Pflanzenarten, die an den Waldhängen der Chapada do Araripe in ca. 800 m NN wachsen. Bevorzugt werden feuchte Bereiche von immergrünem Sekundärwald in der Nähe von Bachquellen. Der wohlklingende abwechslungsreiche Gesang der Männchen ist in den relativ trockenen Monaten September und Oktober erstaunlicherweise vor allem zwischen 10 und 14 Uhr zu hören. Die Brutzeit fällt in die nachfolgende Regenzeit, wenn besonders viele Bäume Früchte tragen. Alle bisher gefunden Nester befanden sich in unmittelbarer Nähe von Bächen. Die Vögel treten in der Regel paarweise auf.

Die intensive Suche in den Jahren 2005 und 2006 ergab eine Populationsschätzung von circa 800 Altvögeln, verteilt über die Gebiete von drei Gemeinden, am Nordostrand der Chapada do Araripe. Die Waldvernichtung hat hier, wie an so vielen Stellen Südamerikas, große Ausmaße erreicht. Nicht zuletzt wegen des Vorkommens von Araripe-Helmpipra hat BirdLife die Region als Important Bird Area ausweisen können. Hier lebt auch eine Reihe weiterer gefährdeter oder seltener Vogelarten, darunter der zu den Hokkohühnern gehörende Spixguan (Penelope jacucaca), der Gelbfußtinamu (Crypturellus noctivagus) und der Yarrellzeisig (Carduelis yarrellii). Die Vorkommen der Araripe-Helmpipra befinden sich teilweise im Chapada do Araripe-Schutzgebiet. Dennoch konnte selbst hier, mangels Managementplänen, die Umwandlung von Wald in landwirtschaftlich genutztes Gebiet oder sogar Ferienwohnungen nicht verhindert werden. Die für die Araripe-Helmpipra so wichtigen Bäche werden oft schon in ihrem Oberlauf im Gebirge intensiv genutzt; hinzukommen Begradigung und Verlegung in Rohre.

Eine lokale Naturschutzorganisation, Aquasis, führt seit 2004 in Zusammenarbeit mit Save Brasil, dem brasilianischen BirdLife-Partner, ein Projekt durch, in dessen Rahmen die Ökologie der Araripe-Helmpipra erforscht wird. Das Projekt wird aus Mitteln des British Petroleum (BP) Conservation Leadership Programme finanziert. Als 2005 ein Feuer im Gebiet wütete, mussten die Naturschützer selbst mit Hand anlegen, um sieben aktive Nester der Araripe-Helmpipra vor den Flammen zu bewahren. Inzwischen wurde ein Artenschutzplan erstellt. Jetzt geht es darum, ein effektives Schutzgebiet auszuweisen, das schädliche Landnutzung wirksam verhindert. Immerhin hat der Besitzer des Landes, auf dem das Typusexemplar* gesammelt wurde, dort bereits ein privates Schutzgebiet errichtet, ein Vorbild für andere private Landbesitzer. Neue Gefahren drohen durch den Anbau von Zuckerrohr zur Biokraftstoffgewinnung. Aquasis hofft, dass die Vernunft siegt: Zuckerrohr benötigt besonders viel Wasser; da aber etwa eine Million Menschen vom Wasser des Höhenzugs abhängen, kann der großflächige Zuckerrohranbau hoffentlich verhindert werden. Die Perspektiven für die Araripe-Helmpipra sind sicherlich nicht sonderlich gut. Andererseits ist nicht auszuschließen, dass die Araripe-Helmpipra weiter verbreitet ist, als derzeit bekannt. Eine großräumige Suche nach der Art ist inzwischen, mit der gestiegenen Kenntnis von Ökologie und Biologie, einfacher und vielversprechender geworden. Die Wälder Brasiliens halten sicher noch so manche Überraschung bereit.

Peter Herkenrath arbeitet beim World Conservation Monitoring Centre des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Cambridge, Großbritannien, ist Vorstandsmitglied des Cambridgeshire Bird Club und begeisterter Vogelbeobachter.


Literatur zum Thema:

Bencke, G. A., G. N. Mauricio, P. F. Develey & J. M. Goerck (2006): ‘reas Importantes para a Conservaç’o das Aves no Brasil. Parte I - Estados do Domínio da Mata Atlântica. S’o Paulo: SAVE Brasil.

BirdLife International (2008): Species factsheet: Antilophia bokermanni. http://www.birdlife.org, aufgerufen am 10.11.2008.

del Hoyo, J., A. Elliott & D. Christie (Hrsg., 2004): Handbook of the Birds of the World. Vol. 9. Lynx Edicions, Barcelona.

Webseite von Save Brasil, der brasilianischen Partnerorganisation von BirdLife International: http://www.savebrasil.org.br


BirdLife International
hat im Jahre 2007 eine neue Initiative gestartet, um den 190 vom Aussterben bedrohten (critically endangered) Vogelarten zu helfen: die Preventing Extinctions-Kampagne, die Sponsoren für diese Arten sucht, um gezielte Schutzmaßnahmen einzuleiten. Privatpersonen, Firmen, Institutionen und Organisationen, die den global vor dem Aussterben stehenden Vogelarten helfen wollen, können Species Champions werden. Für die Araripe-Helmpipra hat sich kein Geringerer als David Attenborough als Species Champion verpflichtet. Viele andere Arten sind noch zu vergeben. Nähere Informationen unter
http://www.birdlife.org/action/campaigns/species_champions/index.html
oder species.champions@birdlife.org.


Rare Birds Yearbook 2009
Soeben ist zum zweiten Mal, in Zusammenarbeit mit BirdLife International, das Rare Birds Yearbook erschienen. Es stellt die 190 global vom Aussterben bedrohten Vogelarten vor. Preis: £ 18.95 (£ 4 davon gehen an BirdLifes Preventing Extinctions Programme).
Weitere Informationen und Bezug: www.rarebirdsyearbook.com.
Ausführliche Besprechung in DER FALKE folgt.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 1/2009
56. Jahrgang, Januar 2009, S. 22-24
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2009