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VÖGEL/581: Sinnbild der Gier - Historische Kormoran-Betrachtungen (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/10
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Sinnbild der Gier
Historische Kormoran-Betrachtungen

Von Karl Wilhelm Beichert


Glaubt man antiken Sagen, war die Entstehung des Kormorans nicht besonders freundvoll. Nach einer Variante ist der Kormoran ein reicher Kaufmann, der nach dem Untergang seines Frachtschiffes in einen Wasservogel verzaubert wurde. Um die verlorenen Waren zu suchen und wieder zu beschaffen, taucht er in seiner neuen Gestalt immer wieder in den Gewässern. Nach einer anderen Sage stürzte sich der trojanische Prinz Aesacus nach dem Tod seiner Geliebten aus Kummer kopfüber ins Meer, wurde aber dann von den Göttern aus Mitleid in den Kormoran verwandelt.

Dass der Kormoran früher recht häufig war, zeigen die vielen verschiedenen Namen, die man ihm gab. Sie reichen von Baumscharbe, Schwarzer Pelikan, Wasserrabe und Seerabe über Schwarzer Gänstaucher, Schlucker und Vielfraß bis zu Bisamvogel und Feuchtarsch. Scharbe - vom althochdeutschen Scarba - ist wohl ein lautmalendes Wort für den Ruf des Vogels und zudem die ältere deutsche Bezeichnung für die verschiedenen Arten der Kormoranfamilie. "Bisamvogel" geht auf den Geschmack des Fleisches zurück, der an Moschus erinnern soll. Und der derbe letzte Ausdruck nimmt Bezug darauf, dass der Vogel beim raschen Auffliegen sein Hinterteil eine Zeit lang durchs Wasser zieht.

Schon in den frühesten literarischen Belegen geht es immer wieder um ein Thema: um den Kormoran als Fischfresser und damit Nahrungskonkurrenten des Menschen. "In unseren Gegenden kommt ein schwarzer Wasservogel vor, der Fische in Flüssen und Meeren jagt und in diesen sehr großen Schaden anrichtet", schreibt zum Beispiel Albertus Magnus im 13. Jahrhundert. "Er ist grau an Brust und Bauch und langsamen Flugs und bleibt lange unter Wasser, wenn er taucht, und er hat einen gezähnten Schnabel, so wie die Sichel eines Schnitters gezähnt ist, und mit dem hält er glitschige Fische fest, und er bewirkt, dass, wenn er auf einem Baum sitzt, die Zweige, auf die sein Kot fällt, dürre werden."

In einer Zeit, als man aus dem Äußeren gerne auf den Charakter schloss, schrieb 1805 der englische Vogelkundler Bewick wenig freundlich, der Kormoran sei ein unerbittliche Tyrann und unersättlicher Vielfraß, "faul nur dann, wenn der Appetit gestillt ist, um dann dazusitzen und stinkende Dämpfe eines voll gefressenen Magens auszustoßen, der sich manchmal entlädt in dem widerlichen Krächzen seiner heiseren, hohlen Stimme." Immerhin aber "sollte beachtet werden, dass dieser Vogel, wie andere Tiere, geführt nur von den Antrieben des Hungers und geleitet vom Instinkt, den Platz ausfüllt und den Kurs verfolgt, der ihm von der Natur zugeteilt worden ist."

In den 1870er Jahren schließlich fasste Alfred Brehm sein Urteil über Kormorane folgendermaßen zusammen: "Auf den Gewässern des Binnenlandes sind sie nicht zu dulden, weil sie dem Fischstande unserer Fluß- und Landseen unberechenbaren Schaden zufügen." Allerdings sei die Bejagung des Kormoran nicht leicht "weil ihre Schlauheit und Vorsicht alle List des Jägers herausfordert. Leichter erlegt man die Vögel auf dem Anstande unter ihrem Schlafbaume und am leichtesten natürlich im Horste. Hier wird die Jagd zur Nothwendigkeit, verliert aber auch allen Reiz, weil sie meist zur Schlächterei herabsinkt."

Die dargestellte Be- und Verurteilung des Kormorans führte zu einer starken Verfolgung, auch in der von Brehm beschriebenen Form der Schlächterei. In Brandenburg wurden sogar Soldaten des Garde-Jägerbataillons zum Abschuss herangezogen. Ende des 19. Jahrhunderts erloschen auf diese Art eine ganze Reihe bekannter Kolonien in Mecklenburg und Pommern und um 1900 war der Kormoran bei uns nahezu ausgerottet.


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/10, S. 13-14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2010