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KOHLEALARM/034: Klimakampf und Kohlefront - Totalschaden (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1008, vom 06. Febr. 2013, 32. Jahrgang

Rotbrauner Eisenschlamm wird noch 100 Jahre lang die Spree belasten



Die Verockerung der Spree als Spätfolge des Braunkohleabbaus wird noch Jahrzehnte lang anhalten. Das ist eines der Ergebnisse eines 400 Seiten starken Gutachtens, das der Dresdner Geo- und Hydrowissenschaftler WILFRIED UHLMANN am 8. Jan. 2013 vor zweihundert ZuhörerInnen in Spremberg vorgestellt hat. Der hohe Eisengehalt der Spree ist Folge des Braunkohleabbaus in den Lausitzer Tagebauen, wo in den Abraumablagerungen ("Kippenböden") Eisenhydroxid und Sulfat freigesetzt wird: "Durch den Kontakt mit Sauerstoff zerfallen die Minerale Pyrit und Markasit in Eisenhydroxyd und Sulfat. Beides wird mit dem steigenden Grundwasser in die Flüsse geschwemmt. Dort färbt sich das Wasser rostbraun. Am Grund und am Ufer setzen sich dicken Schichten von Ockerschlamm ab", erläuterten die POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN (PNN) in ihrem Bericht über die Vorstellung des Gutachtens. Wegen der zunehmenden Verockerung der Spree geht im Biosphärenreservat Spreewald die Angst um, das die Touristen ausbleiben könnten. Die Verockerung schädigt auch die Kleinlebewesen in der Spree. Während die Talsperre Spremberg die Verockerung derzeit noch aufhält, schlägt die Sulfatfracht schon bis nach Berlin durch. Das Berliner Trinkwasser droht zunehmend sulfathaltiger zu werden. Uhlmann hat seine Studie im Auftrag des Bergbausanierers LAUSITZER UND MITTELDEUTSCHE BERGBAU VERWALTUNGSGESELLSCHAFT MBH (LMBV) erstellt. Der Wissenschaftler geht in seinem Gutachten davon aus, dass der Höhepunkt der Verockerung noch nicht erreicht ist und noch einhundert Jahre anhalten wird.

"Das Ausmaß der Eisenbelastung der Spree und des Grundwassers in der Lausitz als Folge der Braunkohletagebaue ist noch viel größer als bislang angenommen, in dieser Dimension von historischem Ausmaß und weltweit einmalig", gaben die PNN eine der Aussagen des Statements von UHLMANN wider. Lt. LAUSITZER RUNDSCHAU (LR) soll sich der zuständige Mitarbeiter des brandenburgischen Landesumweltamtes über die Ergebnisse der Studie "tief erschüttert" gezeigt haben. Um eine halbwegs tolerable Gewässergüte zu erreichen, wäre es nach der Expertise von UHLMANN erforderlich, den Eiseneintrag in die Spree mindestens zu halbieren. Wegen der weltweit einmaligen Dimensionen würde es für Gegenmaßnahmen aber keine fertigen Rezepte geben. Um den Stoffeintrag einzudämmen schlägt UHLMANN eine Kombination verschiedener Maßnahmen zum Abfangen und Reinigen des zuströmenden Wassers, notfalls auch den Bau einer unterirdischen Dichtwand vor. Auf der Versammlung in Spremberg kündigte LMBV-Geotechnik-Chef ECKHARD SCHOLZ an, dass spätestens 2014 "Aktivitäten zur Verringerung" der rostbraunen Eisenfracht in der Spree ergriffen werden sollen. "Dazu zählen hydraulische Abfangeinrichtungen und die Reaktivierung von Anlagen zur Reinigung von Grubenwasser", berichtete die LR. Lt. PNN seien die Sanierungskosten noch unklar. Experten würden von Investitionen im zweistelligen Millionenbereich reden. Eine Zusammenfassung des Gutachtens soll in Kürze auf der Homepage der Stadt Spremberg veröffentlicht werden. Um die weitere Verockerung der Spree zu stoppen haben sich Tourismusanbieter, Verbände und Naturschützer im Oktober 2012 zur Aktionsgemeinschaft "Saubere Spree" zusammengeschlossen.

Ein "Positionspapier zur Spree(wald)verockerung" aus der Sicht des Naturschutzes und des Tourismusgewerbes findet sich unter
www.foenas.de/content/downloads/Positionspapier_Spreewaldverockerung.pdf

Wie man bei der LMBV gegen die Verockerung der Spree vorgehen will, kann man auf der Homepage
http://www.lmbv.de/index.php/verockerung-der-spree.html nachlesen.


Lausitzer Bergbaufolgelandschaften: Auf unsicherem Grund

Im Sommer 2009 war es an der Uferböschung des von der LMBV freigegebenen Concordia-Bergbausees in Nachterstedt in Sachsen-Anhalt zu einem verheerenden Erdrutsch gekommen, bei dem drei Menschen starben. Bislang kann niemand erklären, warum die Böschung auf mehreren hundert Metern Länge absackte und zwei Häuser einer Ufersiedlung samt Bewohner in die Tiefe riss. Neben Nachterstedt gab es noch weitere Grundbrüche und Rutschungen in der Lausitz, deren Ursachen bis heute noch nicht völlig klar sind. So war es im Oktober 2010 zu einem großflächigen Erdrutsch im ehemaligen Tagebau Spreetal nördlich von Hoyerswerda an der sächsisch-brandenburgischen Grenze gekommen. Auf einer Fläche von 1,8 Kilometern Länge und 600 Metern Breite hatte sich am entstehenden Bergener See das Erdreich abgesenkt. In dem unbewohnten Areal fanden Sanierungsarbeiten der LAUSITZER UND MITTELDEUTSCHE BERGBAU- UND VERWALTUNGSGESELLSCHAFT MBH (LMBV) statt.

"Fünf Lkw verschwanden teilweise im Wasser. Vier Fahrer konnten sich selbst retten. Ein weiterer Kollege wurde von einem Rettungshubschrauber geborgen", hatte damals die Märkische Oderzeitung (MOZ) berichtet. Das Absacken des Kippenmaterials in den See verursachte einen kleinen Tsunami, der immerhin groß genug war, um 80 Schafe zu ertränken. Auch wenn am Bergener See die genauen Ursachen des Erdrutsches zunächst nicht feststellbar waren, war klar, dass die frühere Verkippung des Abbraums bei der Freilegung von Braunkohle-Flözen ein äußerst labiles Bodengefüge hinterlassen hatte. Der verkippte Abraum ist lockerer als ein sogenannter gewachsener Boden und kann durch ansteigendes Grundwasser ins Rutschen kommen. Durch den Wiederanstieg des Grundwassers in die lose abgelagerten Kippen hinein, kann sich das Material schlagartig "verflüssigen". Dazu können schon die ins Erdreich eindringenden Schwingen genügen, die beispielsweise durch einen vorbeifahrenden Lkw verursacht werden. Mit dem großflächigen Wiederanstieg des Grundwassers würden lt. Lausitzer Rundschau vom 26.02.11 in der Lausitz immer wieder der Boden sogar hinter bereits verdichteten unterirdischen Dämmen zusammenbrechen, "obwohl alle Experten bislang felsenfest davon überzeugt waren, dass die Areale sicher sein müssten". Die dicken Abdeckungen mit trockenem Erdreich galten aus ausreichend - bis im Alttagebau Spreetal (Landkreis Bautzen) im Herbst 2010 mehrere Hektar saniertes Land völlig überraschend in die Tiefe stürzten.


Statt abwechslungsreicher Bergbaufolgelandschaften eintönige Ebenen

Mitte Januar 2013 berichtete LMBV-Geotechniker ECKHARD SCHOLZ im Rathaus von Lohsa, dass der dortige Geländebruch bis in eine Tiefe von 25 bis 30 Metern nachweisbar sei. Wie die HOYERSWERDENER ZEITUNG am 17.01.13 aus der Ratssitzung berichtete, würden die Bergexperten davon ausgehen, "dass eine Bodensäule einfach so von sich aus abgesackt" sei. Die Ausbreitung des Grundbruchs sei dann entlang der "Strossenrichtung" erfolgt, in der einst die Abraumförderbrücke den Abraum in einen ehemaligen Tagebau verkippt habe. SCHOLZ: "Wir müssen, was passiert ist, wissenschaftlich erklären können, was derzeit aber nicht der Fall ist." Den Einfluss des ansteigenden Grundwassers auf die labilen Kippen habe man bislang offenbar unterschätzt. Auch müsse man Abschied von der Vorstellung nehmen, die ehemaligen Kippen abwechslungsreich als vielgestaltige Hügellandschaft zu modellieren. Eine modellierte Hügellandschaft sei für die Stabilität der Kippenböden "kontraproduktiv", zitierte die Zeitung den LMBV-Sanierer. Die früher auf den Kippenarealen geschaffenen Rodelberge müsse man wieder abbaggern. Die Bergbaufolgelandschaften würden künftig "vor allem eben sein". Um die labilen Kippenböden zu verdichten, wolle man verstärkt mit Sprengungen arbeiten, die die gewünschte Setzung bewirken sollen. Neben einer "schonenden Sprengung" werde weiterhin auch die Rütteldruck- und Tiefenverdichtung praktiziert. Bis 2017 sollen 7.000 Hektar Kippe bearbeitet sein. Trotz der angestrebten Verdichtung der Kippenböden werde es auf einigen Flächen dauerhafte Zugangsbeschränkungen geben müssen. "Eine Kippe wird immer etwas Künstliches bleiben und muss überwacht werden. Es wird in absehbarer Zeit kein Gebiet mehr aus der Bergaufsicht entlassen", so die Voraussage des LMBV-Fachmanns.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1008
Herausgeber:
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2013