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KOHLEALARM/101: Klimakampf und Kohlefront - Hunger, Fraß, Ruinen ... (Greenpeace)


Greenpeace - Presseerklärung vom 1. Juli 2014

Schweden mehrheitlich für Ende der Braunkohlepläne des Staatskonzerns

Kohlegegner fordern von Schwedens Regierung den Stopp von Vattenfalls Tagebauen



Berlin, 1. 7. 2014 - Die Vertreibung durch Vattenfalls Braunkohlepolitik zu stoppen fordert heute ein Bündnis aus Bürgerinitiativen und Umweltverbänden von der schwedischen Regierung. Der Energiekonzern Vattenfall gehört dem schwedischen Staat und plant aktuell in Brandenburg und Sachsen weitere Kohlegruben. Mehr als 3000 Menschen drohen so ihre Heimat zu verlieren.

Begleitet von einem fünf Meter großen Schaufelradmodell überreicht das Bündnis dem schwedischen Botschafter einen Offenen Brief an die schwedische Regierung. "Vattenfalls schmutziges Braunkohlegeschäft in der Lausitz raubt Tausenden von Menschen die Heimat. Die meisten von ihnen wollen nicht umgesiedelt werden, doch sie können sich nicht wehren. Greift der schwedische Staat nicht ein, macht er sich mitschuldig an einer der größten Enteignungen in der Geschichte der Bundesrepublik", so Thomas Burchardt, Sprecher der Lausitzer Bürgerinitiative Klinger Runde.

In dem Offenen Brief fordern Betroffene, lokale Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen die schwedischen Politiker auf, Vattenfalls Energiemix auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umzustellen. Dazu muss das klimaschädliche Geschäft mit der Braunkohle in Deutschland beendet werden. Der Abbau und die Verstromung von Braunkohle, dem klimaschädlichsten aller Energieträger, hat katastrophale Folgen für Mensch und Natur. Feinstaub und Quecksilber aus den Kraftwerken machen Tausenden von Menschen krank. Für die Tagebaue werden Menschen enteignet und umgesiedelt. Wälder, Dörfer und Felder werden abgebaggert. Die Schäden durch die Tagebaue sind noch Jahrzehnte nach der Schließung offensichtlich: Rostschlamm färbt Flüsse braun und in versauerten Seen sterben Wassertiere und -pflanzen.

Internationale Menschenkette gegen Kohle

Nach einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage ist eine große Mehrheit der Schweden für den Ausstieg Vattenfalls aus der Braunkohle. Auf die Frage "Soll die Regierung Vattenfalls Pläne für weitere Braunkohletagebaue stoppen?", antworteten 77 Prozent der Schweden mit Ja. Die Frage "Soll die Regierung Vattenfall beauftragen, die fossile Energiegewinnung einzustellen und stattdessen auf Erneuerbare Energien umzustellen?", beantworteten 67 Prozent mit Ja. Das Meinungsforschungsinstitut SIFO hatte zwischen dem 3. und 9. Juni 1000 Schweden befragt.

In einer Anfang Juni veröffentlichten Emnid-Umfrage sprachen sich 79 Prozent der Menschen in Brandenburg für einen Ausstieg aus der Braunkohle bis spätestens 2030 aus. Bundesweit waren es sogar 87 Prozent. "Schwedens Regierung darf nicht länger zusehen, wie der Staatskonzern Vattenfall in Deutschland Menschen vertreibt und das Klima zerstört. Sie muss den Konzern dazu bringen, aus der Braunkohle auszusteigen und in Deutschland ganz auf Erneuerbare zu setzen", so Tobias Münchmeyer, Energieexperte von Greenpeace.

Immer mehr Menschen wehren sich gegen die Zerstörung durch Braunkohle. Mehr als 120.000 Menschen haben sich im vergangenen Jahr schriftlich gegen den geplanten Tagebau Welzow-Süd II ausgesprochen. Für den 23. August ruft ein breites Bündnis in der Lausitz zu einer grenzüberschreitenden Anti-Kohle-Kette zwischen Polen und Deutschland auf.


Die Presseerklärung unterstützen: Greenpeace, BUND, Campact, Naturfreunde Deutschlands, Energietisch Berlin, Anti-Atom Berlin, Klinger Runde, Lausitz Camp sowie Lausitzer Initiativen und Politiker.

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OFFENER BRIEF

In Vertretung für Herrn Minister Peter Norman
Ansprechpartner/in:
An seine Exzellenz, den Botschafter von Schweden
Schwedische Botschaft
Rauchstraße 1
10787 Berlin

Greenpeace e.V.
Susanne Neubronner
susanne.neubronner@greenpeace.de

1. Juli 2014

Aufschluss neuer Tagebaue durch den Konzern Vattenfall in der Lausitz

Sehr geehrter Herr Minister,

wir schreiben Ihnen heute, weil wir empört darüber sind, dass der schwedische Staatskonzern Vattenfall seine Pläne für neue Braunkohlentagebaue in Deutschland weiter vorantreibt. Die Braunkohle als schmutzigster Energieträger passt nicht zu einem Unternehmen, das laut seinem "Annual and Sustainability Report" [1] verstärkt auf Erneuerbare Energien setzen will. Auch wünschen sich laut einer aktuellen repräsentativen Meinungsumfrage[2] 67 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Schwedens eine Umstellung des Vattenfall-Konzerns auf 100% Erneuerbare Energien. In den fünf bereits genehmigten von der Vattenfall Europe Mining AG betriebenen Tagebauen in der Lausitz in Brandenburg und Sachsen lagern noch mehr als eine Milliarde Tonnen Braunkohle. Allein mit dieser Kohle-Menge können die Lausitzer Kraftwerke noch mindestens 20 weitere Jahre befeuert werden. Trotzdem sollen nach dem Willen von Vattenfall weitere Tagebaue aufgeschlossen werden und damit die deutsche Energiewende ausgebremst werden.

Wir fordern Sie daher auf, nicht zuzulassen, dass Vattenfall auf Jahrzehnte hin seine klimaschädliche, wirtschaftlich unnötige und gesellschaftlich nicht gewollte Energiegewinnung in Deutschland fortführt!

Die Klimawissenschaft ist in ihrer Analyse eindeutig: Fossile Brennstoffe wie Kohle müssen im Boden bleiben, wenn die katastrophalen Folgen des Klimawandels verhindert werden sollen. Allein die Kohle aus dem geplanten und Anfang Juni vom brandenburgischen Kabinett beschlossenen Tagebau Welzow-Süd II würde die Atmosphäre mit mehr als 200 Millionen Tonnen CO2 belasten - das ist etwa viermal so viel, wie der gesamte schwedische Staat pro Jahr ausstößt. Die schwedische Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz ist unglaubwürdig, solange der staatseigene Energiekonzern in Deutschland weiterhin voll auf Braunkohle, den klimaschädlichsten aller Energieträger, setzt.

Wir appellieren dringend an Sie, darauf hinzuwirken, dass Vattenfall seine Anträge für den Aufschluss neuer Braunkohlentagebaue in Deutschland zurückzieht.

Studien wie das energiepolitische Gutachten von Prof. Christian von Hirschhausen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung belegen eindeutig, dass Kohle aus neuen Braunkohlentagebauen wie Nochten II und Welzow-Süd II wirtschaftlich nicht benötigt wird.[3]

Vattenfall setzt also auf einen Wirtschaftszweig, der nicht zukunftsfähig ist und einen Strukturwandel in einer Region wie der Lausitz aufhält. Der Konzern ist in der Lausitz unbestritten ein sehr wichtiger Arbeitgeber. Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, dass Vattenfall die Region nicht verlässt, sondern Verantwortung für den dringend notwendigen Strukturwandel übernimmt. Vattenfall und der schwedische Staat haben von den Bodenschätzen der Region profitiert. Sie sind nun in der Pflicht, den unternehmensinternen Umbau - weg von klimaschädlichen, fossilen, hin zu erneuerbaren Energieträgern - auf die Lausitz zu übertragen.

Wir fordern von Ihnen und dem staatlichen Unternehmen Vattenfall einen sozialverträglichen, zukunftsgewandten Strukturwandel der Region voranzutreiben!

Durch die von Vattenfall geplanten neuen Braunkohlentagebaue sind mehr als 3.000 Menschen in Brandenburg und Sachsen von Umsiedlungen bedroht. Viele von ihnen wollen ihre Heimat nicht verlassen. Mit dem Festhalten an den neuen Tagebauen droht damit eine der größten Zwangsenteignungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Gemeinsam mit der Landesregierung Brandenburg hat Vattenfall eine Vereinbarung geschlossen, die suggerieren soll, eine Umsiedlung der Betroffenen könnte sozialverträglich gestaltet werden. Wie eine Zwangsumsiedlung sozialverträglich sein soll, entzieht sich unserer Vorstellungskraft.

Die schwedische Regierung lässt bislang zu, dass Vattenfall die Würde der Menschen mit Füßen tritt. Das werden wir nicht hinnehmen!

In Deutschland spricht sich eine große Mehrheit der Bevölkerung gegen das von Vattenfall und dem schwedischen Staat geplante Festhalten an der Braunkohle aus. Das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid[4] zeigt: 87 Prozent der Deutschen und 79 Prozent der Menschen in Brandenburg wünschen sich einen Ausstieg aus der Braunkohle bis spätestens 2030. 88 Prozent der deutschen und 77 Prozent der schwedischen Bevölkerung halten neue Tagebaue für nicht zu verantworten.

Bereits im vergangenen Jahr haben sich mehr als 120.000 Menschen mit ihrer Unterschrift gegen den geplanten Tagebau Welzow-Süd II ausgesprochen. Und der Protest geht weiter: Am 23. August 2014 plant ein breites Bündnis aus lokalen Initiativen, Betroffenen und Umweltverbänden eine grenzüberschreitende, internationale Menschenkette gegen neue Braunkohlevorhaben. Bereits jetzt haben sich Menschen aus vielen europäischen Staaten zur Teilnahme angemeldet.

Der Nachhaltigkeitsbeirat des Landes Brandenburg stellt fest, dass aus nachhaltiger Sicht neue Tagebaue nicht sinnvoll sind.5 Wir begrüßen in dem Zusammenhang, dass derzeit der Schwedische Rechnungshof, wie wir Berichten6 entnehmen konnten, überprüft, ob Vattenfall die Nachhaltigkeitsvorgaben des schwedischen Staates erfüllt. Wir sind uns sicher, dass das Ergebnis der Überprüfung zeigen wird, dass Vattenfalls Braunkohlegeschäft nicht nachhaltig ist!

Wir fordern Sie daher auf, die Konsequenz daraus zu ziehen und Ihren persönlichen Einfluss dafür geltend zu machen, um den weiteren Abbau und die Verfeuerung von Braunkohle in Deutschland zu beenden!

Im Namen der Organisatoren der Anti-Kohle Menschenkette am 23. August in der Lausitz sowie lokaler Initiativen und Akteure

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Behrens
Geschäftsführerin Greenpeace e.V


Unterzeichnende Organisationen sowie lokale Initiativen und Politiker aus der Lausitz:

Naturfreunde Deutschlands, Campact, Greenpeace, Bund für Umwelt und Naturschutz
(BUND), Organisationskreis Lausitzcamp 2014, Anti-Atom Berlin, Energietisch Berlin, Klinger Runde, Bürgerinitiative "CO2ntra Endlager Neutrebbin, Märkisch Oderland Bündnis "Strukturwandel jetzt - kein Nochten II", Gert Richter (Ortsvorsteher Deulowitz), Regina Reichmuth (Netzwerk Tagebaurand), Hannelore Wodtke (Stadtverordnete Welzow), Günther Jurischka (Fraktionsvorsitzender SSV CDU/Grüne Zukunft Welzow), Wilfried Buder (Ortsvorsteher Groß Gastrose und Gemeindevertreter Schenkendöbern), Roland Lehmann (Ortsvorsteher Kerkwitz, Gemeindevertreter Schenkendöbern), Jürgen Handreck (Ortsvorsteher Taubendorf ), René Schuster (GRÜNE LIGA), Thomas Burchardt (Stadtverordneter Forst, Sprecher Klinger Runde), Dieter Stodian (Ortsvorsteher Gosda und Gemeindevertreter Wiesengrund), Werner Dielau (Gemeindevertreter Wiesengrund), Egbert S. Piosik (Bürgermeister Gemeinde Wiesengrund), Mathias Berndt (Pfarrer Atterwasch/Gemeinde Schenkendöbern), Reinhard Jung (Sprecher Bündnis "Heimat und Zukunft"), Marcus Schilka, Vorstand des Bauernbundes Brandenburg


Anmerkungen:

[1] http://corporate.vattenfall.com/Global/corporate/investors/annual_reports/2013/Annual_and_sustainability_report_2013.pdf

[2] Repräsentative Umfrage von SIFO (Schweden) " Do you think the government should commission Vattenfall to liquidate all fossil fuels and instead shift production to renewable energy?" and "Do you think the government should stop Vattenfall's plans to have new lignite mines" Zeitraum: 03 - 09 Jun 2014, Teilnehmer: 1000, Auftraggeber: Greenpeace Schweden

[3] http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.418082.de/diwkompakt_2013-071.pdf

[4] Repräsentative Umfrage von TNS Emnid "Einstellung zum Thema Braunkohle in Deutschland", Zeitraum: 19.5. u. 22.5.2014, Teilnehmer: 1006, Auftraggeber: Greenpeace e.V. sowie repräsentative Umfrage von TNS Emnid "Einstellung zum Thema Braunkohle in Brandenburg", Zeitraum: 22.04. - 26.05.2014, Teilnehmer: 357, Auftraggeber: Greenpeace e.V.

[5] http://www.nachhaltigkeitsbeirat.brandenburg.de/cms/media.php/bb2.a.5490.de/stn_nhb_welzows.pdf

[6] http://www.riksrevisionen.se/sv/GRANSKNINGAR/Planering-och-uppfoljning/Pagaende-granskningar/Aktuella-forstudier/Inledd-granskning-Regeringens-och-Vattensfalls-styrning-av-bolagets-hallbarhetsmal/


Der Offene Brief an den schwedischen Botschafter in Berlin kann als PDF-Format heruntergeladen werden unter:
http://www.greenpeace.de/presse/presseerklaerungen/kohlegegner-fordern-von-schwedens-regierung-den-stopp-von-vattenfallsdens-regierung-den-stopp-von-vattenfalls

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Quelle:
Presseerklärung, 01.07.2014
Herausgeber: Greenpeace e.V., Pressestelle
Hongkongstraße 10, 20457 Hamburg
Tel. 040/306 18-0, Fax 040/30618-100
E-Mail: presse@greenpeace.de
Internet: www.greenpeace.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2014