Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

ATOM/228: Wendland mobilisiert Anti-Atom-Protest "Auf Wiedersehen in Berlin" (BI Lüchow-Dannenberg)


Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. - Pressemitteilung vom 20. Februar 2009

Das Wendland mobilisiert bundesweit den Anti-Atom-Protest "Auf Wiedersehen in Berlin"


Am 22. Februar jährt sich die Standortbenennung Gorlebens zum 32. Mal. Für die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) Lüchow-Dannenberg ist das nicht nur ein historisches Datum, sondern der Startschuss für ein ehrgeiziges Unterfangen: Ende August startet ein Treck der Bauern nach Berlin, der Widerstand will sich im Vorfeld der Bundestagswahlen positionieren: "Am Thema Atomausstieg und Gorleben darf sich keine Partei vorbeimogeln!".

"Als sich im November 2008 16.000 Menschen vor der Bühne in Gorleben drängelten, waren wir euphorisch, haben uns gefreut: Seht ihr - wir sind nicht klein zu kriegen!" - diesen Schwung wollen Bäuerliche Notgemeinschaft und BI nicht verpuffen lassen, schließlich war es die größte Anti-Atom-Demonstration im Wendland seit der Standortbenennung vor 32 Jahren. Zum Vergleich: Ungefähr 15.000 Menschen hatten sich am 12. März 1977 auf der Waldbrandfläche bei Gorleben versammelt. Tatsächlich gab der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) dem unerwarteten Protest nach. Sein Kalkül, der "dümmst-besiedelte Landkreis" würde das Nukleare Entsorgungszentrum mit dem Kernstück Wiederaufarbeitungsanlage schon schlucken, erwies sich als Bumerang: Zwei Jahre später, Ende März 1979 treckten die Bauern von Gorleben nach Hannover. Sein Eingeständnis, eine Wiederaufarbeitungsanlage sei ´technisch machbar, politisch aber nicht durchsetzbar´, führte zum Verzicht auf den Bau der WAA.

"Zahlenspiele und Vergleiche hinken, aber fest steht, 30 Jahre nach dem Treck ist das Wendland nicht zur Ruhe gekommen. Realer als Vergleiche sind die Aufgaben, die uns bevorstehen", schreibt die BI. Das Moratorium, der Erkundungsstopp, den es seit 2000 in Gorleben wegen geologischer Zweifel gibt, droht aufgehoben zu werden, wenn CDU und FDP in Berlin im September eine Mehrheit bekommen. Eine vergleichende Endlagersuche, ein Verzicht auf Gorleben ist nicht in Sicht. "Gorleben", das ist immer noch das Atommüllzentrum der Nation, ein Fasslager für schwach- und mittelaktive Abfälle, das Brennelementzwischenlager, Atommüllverpackungsanlage, die Pilotkonditionierungsanlage (PKA), die den heißen Betrieb noch nicht aufgenommen hat und das sogenannte Erkundungsbergerwerk im Salz. (*)

Doch es geht den Bauern und der Bürgerinitiative um mehr: "Nicht allein die Wahl wird darüber entscheiden, ob der Salzstock Gorleben als Atommülldeponie genutzt werden soll, ob die Atomkraft ein Auslaufmodell ist und bleibt oder ob für die Konzerne mit der Laufzeitverlängerung die Kassen klingeln: es wird erheblich von unserem außerparlamentarischen Protest abhängen, welchen Weg Parteien einschlagen."

Der Treck startet am 30. August am Ort des Anstoßes, der Endlagerbaustelle in Gorleben, und führt über die Endlagerstandorte Salzgitter, Asse II und Morsleben nach Berlin, dort wird am 5. September gemeinsam demonstriert. Schon im Sommer geht die BI Umweltschutz auf Mobilisierungstour - per Bus werden bundesweit AKW- und Konzernzentralen angesteuert. Mit dieser Aktion sollen auch möglichst viele Menschen für den "persönliche Anti-Atom-Ausstieg", den Wechsel zu Ökostromanbietern gewonnen werden.

Der Standort Gorleben müsste längst aufgeben sein, denn die Untauglichkeit des Gorlebener Salzstocks als atomares Endlager wurde Mitte der 80er Jahre erwiesen. Schon die Standortbenennung fand nicht nach wissenschaftlichen Kriterien statt, sondern folgte ausschließlich politischen Erwägungen. So ist zwischen dem Salzstock und den Wasser führenden Schichten keine schützende geschlossene Tonschicht als Deckschicht vorhanden. Der Salzstock hat direkten Grundwasserkontakt, vom Salz werden jährlich zwischen 3.000 und 12.000 m3 abgelaugt. Da aber diese Sackgasse Gorleben als "Entsorgungsnachweis" politisch gewollt ist, muss der Salzstock tauglich sein, muss das Bergwerk errichtet werden. Um welchen Preis, das hat bereits der tödliche Unfall aus dem Jahre 1987 gezeigt, bei dem ein Bergmann ums Leben kam, als Schacht 1 ins Rutschen geriet und einzustürzen drohte. Das Abteufen der Schächte war ständig von Laugenzuflüssen begleitet; der Schacht musste künstlich tiefgefroren und mit Stahlringen ausgekleidet werden. Unabhängig von der Eignung speziell des Gorlebener Salzstocks ist für Wissenschaftler anderer Nationen fraglich, ob Salz als Lagerstätte für Atommüll überhaupt geeignet ist. Die Behälter wären durch das aggressive Einlagerungsmedium schneller Korrosion ausgesetzt. Versuche haben gezeigt, dass Salz durch die radioaktive Strahlung in Verbindung mit den vom Atommüll ausgehenden hohen Temperaturen in seine chemischen Bestandteile Natrium und Chlor zersetzt wird. Bei diesen Radiolyse-Prozessen wird vor explosiven Reaktionen gewarnt. Dennoch wird - allen Ankündigungen zum Trotz - kein anderer Standort untersucht. Mittlerweile wurden über 1,5 Mrd. Euro für den Ausbau ausgegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel "argumentiert" mit dieser Summe und möchte Gorleben fertig stellen ("erkunden"). Dass die Asse II, das Pilotprojekt für Gorleben, inzwischen absäuft und das ehemalige DDR-Endlager Morsleben einzustürzen droht, hindert die Endlager-Community nicht daran, an Salz und Gorleben als Endlagergestein festzuhalten.


*


Quelle:
Pressemitteilung, 20.02.2009
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.
Rosenstr. 20, 29439 Lüchow
Tel. 05841/46 84, Fax: 05841/31 97
Internet: www.bi-luechow-dannenberg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2009