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DEBATTE/036: Biomasse - nur in Maßen nachhaltig (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012
Landwirtschaft - Da ist der Wurm drin?!

Themen & AGS
Biomasse - nur in Maßen nachhaltig

von László Maráz



Der Umfang der Ressourcennutzung hat inzwischen ein Ausmaß erreicht, das die Grenzen der Belastbarkeit unserer Ökosysteme erreicht oder teilweise schon überschritten hat. Exemplarisch für das Fehlen nachhaltiger Landnutzungsstandards auf globaler und regionaler Ebene ist die Debatte um die Nachhaltigkeit der Biomasseproduktion. Während in jüngster Zeit vor allem die Erzeugung von Biokraftstoffen und Biogas kritisiert wurde, wachsen auch in anderen Verwendungsbereichen von Biomasse die Probleme.

Zu zwei der nach Menge und ihrer Flächenauswirkung wichtigsten Sektoren hat das Verbändeprojekt nachhaltige Landnutzung und ressourcenschonende Biomassepolitik eine Tagung organisiert. Diskutiert wurde über die Produktion von Futtermitteln und über die Grenzen der Holzerzeugung. Der Anbau von Futtermitteln konkurriert sowohl mit anderen Landnutzungsformen, als auch mit anderen Verwendungen für die Rohstoffe (Maisanbau für Biogas, Getreide und Hülsenfrüchte für die Ernährung). Ähnlich ist es beim Holz, dessen stoffliche Nutzung Vorzüge gegenüber der energetischen Nutzung hat, das aber auch für den Schutz der Waldböden und der Biologischen Vielfalt wichtig ist.

Dr. Inge Paulini (WBGU) begründete eingangs die Notwendigkeit einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Demnach können wir uns global nur noch 750 Milliarden Tonnen Treibhausgasemissionen (CO2-Äquivalent) »leisten«, wenn die Erderwärmung auf maximal zwei Grad begrenzt werden soll. Mit einem »Weiter so« wäre dieses Budget in weniger als 25 Jahren erschöpft. Landnutzung und Biomasse spielen hier eine wichtige Rolle. Neben der Beseitigung von Energiearmut gelte es, die Entwaldung zu stoppen, die Landwirtschaft klimaverträglich umzubauen und zu nachhaltigen Ernährungsstilen zu gelangen. Bedeutende Emissionen können durch verbessertes Landmanagement, weniger Verluste an Ernten und Lebensmitteln und die deutliche Verringerung des Fleischkonsums erzielt werden.


Biomasse Holz

Prof. Dr. Matthias Dieter (vTI) informierte über das Aufkommen und die Verwendung von Holz in Deutschland, sowie über die Potentiale bei Berücksichtigung von Naturschutzstandards. Der Holzeinschlag hat sich in den vergangenen Jahren etwa verdoppelt und inzwischen wird fast die Hälfte des inländischen Holzaufkommens energetisch genutzt. Durch eine Umsetzung des fünf-Prozent-Ziels der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt würden insgesamt etwa 580.000 Hektar Waldfläche der Holzproduktion entzogen. Das Nutzungspotential beträgt hier etwa 4,4 Millionen Festmeter Derbholz, der reale Minderertrag dürfte aber geringer sein, da ohnehin nicht die gesamten Potentiale genutzt werden und auch bei der notwendigen Anreicherung von Biotopholz im Wirtschaftswald vorwiegend auf die Nutzung geringwertiger Bäume verzichtet wird.

Knut Sturm vom Städtischen Forstamt Lübeck beantwortete die Frage, wie viel Holz produziert werden kann, wenn Waldnutzung innerhalb strenger ökologischer Grenzen betrieben wird. Im Gegensatz zur konventionellen Forstwirtschaft setzt man in Lübeck auf eine stark an natürlichen Prozessen orientierte Waldnutzung. Kostenersparnis durch möglichst geringe Eingriffe, Erzeugung wertvoller Hölzer und Bereitstellung von ökologischen und gesellschaftlich erwünschten (und real honorierten) Leistungen. Zwar wird auf zehn Prozent der Fläche (Referenzflächen) kein Holz geerntet, doch schon ein weniger dichtes Wegenetz gleicht das teilweise wieder aus.

Am Beispiel der Papierwende stellte Angelika Krumm (Robin Wood) vor, welchen Rohstoffeinsatz unser hoher Papierverbrauch benötigt. Ökologische Probleme werden nicht nur durch die absolute Menge, sondern in vielen Fällen auch durch die Produktionsweise der Rohstoffe verursacht (Kahlschläge, Raubbau in borealen und tropischen Wäldern). Lebensräume vieler Menschen werden zerstört und die einst artenreichen Wälder in monotone Holzplantagen umgewandelt. Weltweit wird jeder 5. Baum zu Zellstoff, Papier und Pappe verarbeitet. Beim heutigen Pro-Kopf-Verbrauch von gut 240 Kilo würde uns das Ziel der Papierwende, eine Halbierung des Verbrauches, in etwa auf das Verbrauchsniveau von 1975 bringen. Dieses Ziel kann nur durch die Unterstützung vieler Akteure (vor allem NGOs) erreicht werden.


Biomasse Futtermittel

Dr. Thomas Schmidt (OVID) stellte die Warenströme der wichtigsten Eiweißfuttermittel Sojaschrot und Rapsschrot dar. Soja wird vorwiegend aus Brasilien importiert, wobei China in den letzten Jahren Europa als Absatzmarkt weit überholt hat. Rapsschrot hat innerhalb Deutschlands an Bedeutung zugenommen, es ist Nebenprodukt der Rapsölherstellung und inzwischen dank züchterischer Fortschritte besser als Futtermittel geeignet. Von den anderen heimischen Proteinpflanzen bietet die Ackerbohne zwar höhere Proteinerträge als Raps, der aber wegen seines Ölertrages höhere Einnahmen erzielt.

Tobias Reichert (Germanwatch) stellte das Potential der heimischen Tierproduktion auf nachhaltiger Futtergrundlage vor. Landwirtschaft ist ein wichtiger Verursacher von Treibhausgasemissionen. Die größten Emissionen gehen dabei von der Umwandlung von Land in Agrarflächen, Stickoxiden aus den Böden und Methan aus dem Verdauungstrakt von Rindern aus. Die Tierhaltung ist also eine der wichtigsten Ursachen von Emissionen, doch Grünland ist auch eine wichtige Senke für Kohlenstoff. Futtermittel machen zwei Drittel der EU-Agrarimporte aus Drittländern aus, Sojaschrot alleine ein gutes Drittel. Die damit verbundenen Emissionen vor allem aus Landnutzungsänderungen werden auf 17‍ ‍Millionen Tonnen CO2-Äquivalent geschätzt.

Empfohlen wird die Erhaltung von Grünland, damit Wiederkäuer auf der Weide ernährt werden können, eine regionale Eiweißfutterbasis für Schweine und Hühner und Sojaimporte nur aus Ländern mit effektivem Management.

In der Diskussion wurde aber darauf hingewiesen, dass Effizienz im Sinne eines Flächenertrages nicht das einzige Kriterium für eine Gestaltung der Landnutzung sein sollte. Umwandlung und vor allem eine möglichst effiziente und sinnvolle Verwendung sollten ebenfalls wichtig sein. Carolin Callenius (Brot für die Welt) sprach sich für die Senkung des Verbrauchs an tierischem Eiweiß aus, um den Druck auf die Ressourcen zu mindern. Eine Halbierung des Fleischkonsums sei auch aus vielen anderen Gründen sinnvoll, als Alternative stehen pflanzliche Eiweißprodukte zur Verfügung, deren ökologischer Fußabdruck deutlich geringer ist. Denkbar sind Steuerungsinstrumente wie die Einpreisung von ökologischen und gesundheitlichen Folgekosten von Fleisch- und Fettverbrauch, produktionsregulierende Maßnahmen (Greening durch Auflagen an die Landwirtschaft) und Förderung ökologisch vorteilhafter Erzeugung. Beendet werden sollte die Förderung von Fleischexporten.

Almut Jering (UBA) stellte die Ziele und Inhalte eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens vor, das sich mit einer ressourceneffiziente Flächennutzung und der Organisation eines Global Sustainable Landuse Standards befasst. Übergeordnetes Ziel des Vorhabens ist es, den Prozess der Entwicklung eines globalen Standards für eine nachhaltige Landnutzung vorzubereiten und anzustoßen, sowie fachlich und organisatorisch voranzutreiben.

In der Abschlussdiskussion wurden die Herausforderungen deutlich, die sich dem Projekt des Forums Umwelt und Entwicklung stellen. Die Verbände müssen dazu bewegt werden, noch stärker zu den Themen Vermeidung (Energie, Rohstoffe, Fleisch, Papier) zusammenzuarbeiten, um Druck von den Ressourcen zu nehmen. Dies würde die Einführung einer nachhaltigen Landnutzung auf großer Fläche erleichtern.

Der Autor ist Koordinator der Plattform »Nachhaltige Biomasse« und der AG Wald des Forums Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012, Seite 36-37
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2012