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DEBATTE/061: Energiedialog - positiver Ansatz, enttäuschendes Ergebnis (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 29. Januar 2015

Energiedialog: positiver Ansatz, enttäuschendes Ergebnis



Als positiven, im Ergebnis jedoch enttäuschenden Ansatz der Bürgerbeteiligung bewertet der BUND Naturschutz den "Energiedialog" der bayerischen Staatsregierung. So hielten die Regierung und diverse Interessengruppen an zwei neuen Stromautobahnen fest, obwohl ein Bedarf dafür nicht nachzuweisen war. Zudem litt der Dialog unter der Vorfestlegung schlechter Gesetze wie der EEG-Novelle, der bayerischen Abstandsregelung für Windräder und zum Netzausbau. Für einen echten Austausch war der Dialog auch von vorneherein zu kurz angelegt.

Obwohl der Bedarf für zwei neue Stromautobahnen zur Herstellung der Versorgungssicherheit nach dem Atomausstieg nicht nachgewiesen werden konnte, hielten die Staatsregierung, und weitere Interessensgruppen und Verbände, allem Anschein nach an einer Hochspannungsgleichstromleitung für "Kohlestrom" und neuen Großkraftwerken fest. "Das vom BUND Naturschutz vorgelegte Alternativ-Konzept basierend auf Energieeinsparung, Ausbau der dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung mit einem "10.000 Keller-Programm" und engagiertem Ausbau der Erneuerbaren Energien, auch durch Rücknahme der Blockaderegel "10-H" für die Windkraft, fand keine ausreichende Unterstützung", so Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz. Der von Staatsministerin Ilse Aigner mit großem Engagement und Offenheit geführte Energiedialog sei für einen echten Austausch zu kurz gewesen und habe unter den Vorfestlegungen schlechter Gesetze wie der EEG-Novelle, der 10-H Regelung oder zum Netzausbau gelitten.

"Es liegt nun an der Staatsregierung, die Vorschläge für ein zukunftsfähiges bayerisches Energiekonzept umzusetzen", so Richard Mergner, Landesbeauftragter des BUND Naturschutz. "Notwendig hierzu ist ein politisches und gesetzgeberisches Bekenntnis zur Förderung der dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung: Schritt 1: Ministerpräsident Horst Seehofer und Staatsministerin Ilse Aigner setzen sich in Berlin für die Streichung der EEG-Umlage auf eigengenutztem Strom ein. Schritt 2: Bayern reanimiert den Bayernplan Biogas von 2012 mit Schwerpunkt Biogas-Block-Heiz-Kraft-Werke. Schritt 3: Bayern entwickelt ein "10.000 Keller Programm" pro Block-Heiz-Kraft-Werke, gemeinsam mit dem bayerischen Handwerk", so Mergner weiter.

"Im Rahmen des Energiedialogs wurde von der Bayerischen Staatsregierung leider nur die so genannte "Stromlücke" präsentiert, die nach Abschalten aller Atomkraftwerke in Bayern entstünde: eine angeblich fehlende Stromleistung von 5000 Megawatt und eine angeblich fehlende jährliche Strommenge von 40 Milliarden Kilowattstunden. Aber leider wurde kein neues Energiekonzept für Bayern vorgestellt. Der BUND Naturschutz in Bayern hat daher in diesem "Energiedialog" ein Energiekonzept Strom für Bayern und aus Bayern dargelegt. Ein Konzept mit Reduktion des Stromverbrauchs, mit dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung und mit dezentraler Erzeugung von Strom aus Wind, Sonne und Biomasse. Ein Konzept, das die dezentrale Energiewende umsetzt, für den Atomausstieg und für den Klimaschutz. Ein Konzept mit realen Vorteilen für die Energieverbraucher, für die Kommunen, für die Bürgerenergiegesellschaften - und vor allem auch für Natur und Umwelt," so Dr. Werner Neumann, Sprecher des Arbeitskreises Energie des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und bis zu seinem Ruhestand Energiereferent der Stadt Frankfurt.

Der BUND Naturschutz forderte in der Diskussion um Stromtrassen seit Beginn der Planungen in 2011, dass die Bundesregierung in einer Strategischen Umweltprüfung nach EU-Richtlinien Alternativkonzepte untersucht, die die Potenziale von Energiesparen, von dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, auch Windenergie, auch in Süddeutschland, berücksichtigen. Dies war bislang nicht geschehen. Nur mittels einer Strategischen Umweltprüfung mit einer Prüfung von Alternativen kann nachvollziehbar und transparent untersucht werden, welche Stromtrassen tatsächlich der Energiewende dienen, oder welche sich an anderen Interessen orientieren, wie den Interessen des europäischen Stromhandels der Großunternehmen. Der BUND Naturschutz hatte von der Staatsregierung Bayern gefordert, und vom Energiedialog Bayern erhofft, dass dort Impulse von Bayern an Deutschland für eine zukunftsfähige Energiepolitik entstehen. Dies wurde nicht erreicht.

"Bayern hat als das mit Abstand größte Bundesland gewaltige Potenziale für den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere Photovoltaik und Windkraft", betont Dr. Alexa Zierl, Vorstand des Energiewende-Vereins ZIEL 21 aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck und eine der Sprecher/innen der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Solar-Initiativen (ABSI). "Für den aus Klimaschutz-Gründen zwingend erforderlichen Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien bei Strom, Wärme und Mobilität sind wir in Bayern in der Pflicht, andere Bundesländer zum Teil mitzuversorgen. Wenn in Bayern der Ausbau von Photovoltaik wie in den Jahren 2011 und 2012 mit 2 Gigawatt pro Jahr und der Ausbau der Windkraft wie vor der "10-H" Abstandregelung einfach fortgesetzt würde, hätte Bayern kein Stromlückenproblem", so Zierl weiter.


Anlage

Fazit des BUND Naturschutz in Bayern zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppen im Energiedialog
Arbeitsgruppe 4, Versorgungssicherheit

Dr. Werner Neumann, Sprecher des Arbeitskreises Energie des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und bis zu seinem Ruhestand Energiereferent der Stadt Frankfurt

Das Energiekonzept des BUND Naturschutz setzt auf drei
Hauptkomponenten in Bayern:

1. Intensives Programm zur Stromverbrauchsreduktion um 15 Prozent oder jährlich 13 Milliarden Kilowattstunden Strom und Reduktion der Stromspitzenleistung um 2000 Megawatt von 12500 Megawatt auf 10500 Megawatt. Dies bedeutet eine Senkung der Stromkosten, davon würden Haushalte, Kommunen und Industrie profitieren.

2. Flächendeckender Ausbau von Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung, also Motoren oder Turbinen, deren Erzeugung von Strom und Wärme direkt in den Gebäuden oder Wärmenetzen in Stadtteilen oder in der Industrie genutzt werden können. Dies ist energieeffizient und nutzt die Wärme, die in konventionellen Großkraftwerken verschwendet wird. Kraft-Wärme-Kopplung dient der Sicherung der Stromversorgung im Ausgleich zu fluktuierendem Strom aus Wind und Sonne. Mit einer Leistung von 3000 MW kann jährlich eine Strommenge von 12 Mrd. kWh in Bayern erzeugt werden, steuerbar, effizient, preisgünstig.

Der zusätzliche Bedarf an Erdgas kann durch Verbindung mit der ohnehin anstehenden Sanierung von Gebäuden gedeckt werden. Auch können bestehende Biogas-Anlagen mit Gasspeicher für Spitzenbedarf umgerüstet werden. Längerfristig kann Windstrom aus dem Norden über die Umwandlung mit "Power to Gas" in bestehenden Gasleitungen und Gasspeichern die KWK-Anlagen in Bayern mit Erneuerbarer Energie versorgen. Ziel des BUND Naturschutz ist es, gemeinsam mit den Kaminkehrern und dem Heizungshandwerk zu prüfen, welche 10.000 von über 60.000 großen Heizungsanlagen am besten für den Einsatz von KWK-Anlagen geeignet wären. Die Bayerische Staatsregierung wird vom BUND Naturschutz aufgefordert, sich nun bei der Reform des KWK-Gesetzes intensiv für deren Ausbau einzusetzen.

3. Der BUND Naturschutz fordert den Ausbau der Windenergie deutlich voranzutreiben, unter Wahrung von Umwelt und Naturschutz. Bis 2022 könnten in Bayern 2500 Windenergieanlagen stehen und bis zu 17 Milliarden Kilowattstunden Strom liefern. Die erforderliche Fläche für Windparks wäre knapp 1 Prozent.

Arbeitsgruppe 3, Erneuerbare Energien

Karin Wurzbacher, Arbeitskreis Energie, BUND Naturschutz in Bayern

Ergebnis der Arbeitsgruppe ist, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energie in Bayern unter den derzeitigen Rahmenbedingungen deutlich gebremst wird. Dies geschieht vor allem durch den bayerischen Alleingang bei der Windenergie und die Restriktionen für den Ausbau der Solarenergie im Erneuerbaren- Energien-Gesetz von 2012 und nun von 2014. Das im Mai 2011 von der Bayerischen Staatsregierung im bayerischen Energiekonzept formulierte Ziel einer Steigerung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung von 34 Prozent auf 50 Prozent kann bis 2021 nicht erreicht werden. Vor dieser Entwicklung hatte der BUND Naturschutz wiederholt eindringlich gewarnt.

Im Bayerischen Energiekonzept vom Mai 2011 war eine Stromerzeugung aus Windenergie von über 17 Milliarden Kilowattstunden bis 2012 für möglich gehalten worden, mit der Errichtung von 1000 bis 1500 neuen Anlagen, zuzüglich zu bestehenden 412 Anlagen in 2011. Der Zubau von Windenergieanlagen in Bayern in 2015 und Anfang 2016 wird sich ähnlich wie 2013 und 2014 verhalten. Viele Genehmigungen erfolgen noch nach altem Recht. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe 3 Im Energiedialog bestätigten die negative Einschätzung des BUND Naturschutz zur Zukunft der Windenergie in Bayern. Die Stromerzeugung aus Windenergie wird in Bayern bis 2021 nur noch 5 Milliarden Kilowattstunden erreichen. Nach Einschätzung der Arbeitsgruppe 3 ist, unter den gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen, also der 10 mal der Höhe Abstandsregelung von Windrädern zur Wohnbebauung, die Realisierung des bayerischen Ausbauziels Windenergie gefährdet, und damit die Energiewende.

Der BUND Naturschutz hält die Änderung der Bayerischen Bauordnung zum 21.1.14 mit Einführung der "10H-Abstandsregelung" für ein falsches und ungeeignetes Planungsinstrument, das die realen Windkraft-Potenziale in Bayern nicht wiedergibt. Bayern ist das einzige Bundesland, das von der Möglichkeit einer Länder-Abstandsregelung für Windräder (Länderöffnungsklausel im Bundesbaugesetzbuch) Gebrauch gemacht hat. Aufgrund des eingeführten Mitspracherechts der Nachbargemeinden, das nur Ärger und Zwist in die Gemeinden trägt, werden auch viele Gemeinden ihre Bauleitplanungen für Windräder nicht weiterführen. Der Ausbau der Windenergie in Bayern wird eingefroren werden: Aus ursprünglich 1 Prozent der Landesfläche für Windenergieparks nach Regionalplanung werden 0,05 Prozent der Landesfläche.

Arbeitsgruppe 2, Speichertechnologien

Tomi Engel, Arbeitskreis Energie, BUND Naturschutz in Bayern

"Die Diskussion in der Arbeitsgruppe Speichertechnologie war nur zum Teil von Sachlichkeit und Sachverstand geprägt. Der Energiedialog hätte eigentlich neue Wege aufzeigen können. Das Wirtschaftsministerium hat es aber nicht geschafft, aus seinen neo-liberalen Denkstrukturen auszusteigen. Die Energiewende mit notwendigerweise neuen Technologien und Wirtschaftsstrukturen kommt nicht von alleine. Auch der "Markt" mit seinen Zwängen kann dies nicht von alleine erreichen. Die Energiewende benötigt Anstöße und staatliche Programme. Solche positiven Anstöße versäumt die Bayerische Staatsregierung leider - Chance vertan", so Engel. "Leider hat der Energiedialog systemische Betrachtungen bereits im Vorfeld ausgeklammert. Beispielsweise wurde die Diskussion Speicher rigoros eingeengt auf Strom-zu-Strom Systeme. Die wichtige Betrachtung einer möglichen Zusammenarbeit der Elektromobilität mit dem Stromsystem wurde kategorisch abgeblockt.

Insgesamt bestätigen die Diskussionen in der Arbeitsgruppe die Skepsis und Ablehnung im BUND Naturschutz gegenüber der Technologie Pumpspeicherkraftwerke. Diese sind nicht in der Lage, unsere Aufgaben der Versorgungssicherheit zu erfüllen.

Arbeitsgruppe 1, Energiesparen

Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie und Klimaschutz, BUND Naturschutz

"Das Ziel der Bundesregierung ist eine Reduktion des Stromverbrauches von 10 Prozent in 10 Jahren. Real sank der Stromverbrauch in Deutschland von 2008 bis 2014 um 6,6 Prozent. Wir vom BUND Naturschutz konnten im Energiedialog fachlich fundiert aufzeigen, dass eine Reduktion des Stromverbrauches in Bayern um 15 Prozent in 10 Jahren technisch möglich und bezahlbar ist. Ausgehend von einer Studie der Nordbayerischen Energieagentur in 2012, hatten wir in 2012 mit dem Staatsministerium für Umwelt in einen 12-Punkte-Aktionsplan Stromsparen entwickelt: 20 Prozent Stromsparen in Bayern in 10 Jahren ist möglich - aktive Politik pro Stromsparen vorausgesetzt. Natürlich gibt es neue Anwendungen, wie Elektromobilität und Wärmepumpen in energetisch sanierten Häusern. Aber - diese ergeben nur ein Plus von 5 Prozent in 10 Jahren. Das Bevölkerungswachstum liegt bei 1-2 Prozent in 10 Jahren und stoppt dann, das Wirtschaftswachstum liegt im Bereich der Geldentwertung. Dennoch - das Wirtschaftsministerium Bayern sieht das Potenzial für die Reduktion des Stromverbrauchs in Bayern bei nur 0 Prozent. Das ist definitiv kein Vorbild beim Klimaschutz!", so Barthel.

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Quelle:
Presseinformation, 29.01.2015
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
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Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2015


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